Freitag, 18. Mai 2007

OHNE AUSWEG


Die Straße ist ein schwarzes Banner, die Gedanken ein wilder Sturm, die Musik zerreißt mich innerlich. Es ist das Lied vergangener Zeit. Es ist vorbei, und dennoch geht es weiter, aber ich will nicht mehr. Die Straße ins Nirgendwo, so sagt man, ist der Weg ins Vergessen, doch genau das kann ich nicht. Die Meilen fliegen dahin, das Vergessen jedoch finde ich nicht. Es muss doch einen Ort geben, der mich in Dunkelheit hüllt, mich verschlingt, dass der Schmerz aus mir quillt.

Der Motor ist das Surren von hundertdreißig Pferden, aus dem Auspuff schwarzer Rauch, der sich mit den Schemen der Nacht vermischt. An den Scheiben Gesichter aus vergangener Zeit, Schattenbilder meiner Einsamkeit. Aber ich suche dich, ich finde dich, wenn ich kann. Ich hab von dir geträumt, von der Nacht, als ich dich zu lieben begann. Du bist die Prinzessin der Nacht, ich der Teufel, der Mann, der nach dir sich verzehrt. Deine Augen sind schwarze Opale, deine Liebe der Tod, aber daran bin ich gewohnt. Lieben ist wie Sterben, es heißt doch immer alles oder nichts!

Rockmusik meine Droge, all die Jahre. Tage an denen alles passte, sie sind so rar, sind schnell vergessen, aber die Wut in den Wochen, wenn alles zum Teufel ging, ist ein Feuer in mir, das ewig brennt.

So jage ich durch die Nacht, in meinem Wagen. Er ist mein Wolf, er jagt mit mir, wir sind die Geschwister der Nacht und wir sind hinter dir her. Du, mit all deinen Träumen weißt um uns. Du hast die Visionen, die alles verraten. Hast gesehen was ich tat, wie das Messer über den Körper ritzte, das Blut in heißen Tropfen spritzte. Ich habe gelacht in jener Nacht, denn der Wahnsinn ist wie eine Bestie, die in dir wütet. Du kannst nur versuchen es anzunehmen, wegzurennen bedeutet den Tod. Aber das ändert nichts am Lauf dieser Geschichte.

An den Anfang kann ich mich nicht mehr erinnern und es tut auch nichts zur Sache. Das Jetzt ist von Bedeutung, die Meilen, die dahin schrumpfen, dir dicht auf den Fersen. Wir werden dich finden, dich stellen. Prinzessin, deine Zeit ist gekommen.

Die Zeitungen sind voll von Geschichten, also lass uns berichten von dieser Schlagzeile, eine Erinnerung an dein Leben in wenigen Zeilen, in einem kleinen Artikel. Es wird heißen, der Killer muss sein Opfer kennen; - ach wirklich? Was weiß ich denn von dir? Deine Schönheit ist betäubend, aber all das was war, all den Schmerz, den ich erduldete, den will ich mit dir teilen. Ich kenne dich, aber ohne dich zu sehen. Es ist vielmehr eine Verbindung, bis in den Tod. Wenn ich dich hole, dich aus diesem sinnlosen Leben reiße, ist es, als ob ich uns befreie. Wir gehören zusammen, ob du willst oder nicht! Ich bin der Jäger, du das Opfer. Ich bin die Nacht, du das Licht der Dämmerung.

Der Highway zieht seine Bahnen durch das Land. Wir folgen auf leisen Sohlen, im Schatten der Dunkelheit. Die Musik hämmert durch meinen Kopf, die Erinnerung jedoch brennt noch immer dieses unheilige Feuer. In dieser Nacht, die letzte sozusagen, die wir haben, bin ich mir sicher dich zu finden. Ich kann es spüren, denn alles macht nun wieder Sinn.

Du bist geflüchtet aus dem Hotel. Es war ein seltsamer Ort. Ich lag in deinem Bett, als du verschwunden warst, habe an den Laken gerochen, habe dein Parfüm geschmeckt. Ich bin verliebt in dich. Die Haare, schwarz und wie dünne Seide, auf dem Kopfkissen, ich hab sie zusammen gebunden. Es ist ein dünner Faden, aber dadurch fühle ich dich. Jetzt, mit mehr als hundert Meilen, rase ich durch die Nacht, halte diese Haare, spüre dich, deine Angst und du weißt, dass ich dich finde, dich suche.

Las Vegas. Spielhölle. Land des Glücks und des Verderbens. Was werden wir finden? Du und ich, in unserer letzten Nacht. Die Distanz schmilzt dahin. Ich genieße es, wie die Scheinwerfer über das Land schneiden, durch die Schatten. Das Ortschild wirkt verwaschen, fehl am Platze. Die Wüste ist eine Welt aus Kälte und schmirgelndem Sand.

Es ist wie ein Gleichnis, unsere Geschichte. Du das Licht, ich der Schatten. Nun die tausend Lichter der Reklamen, Neon, Rot, grell, kitschig. Die Straßen sind voller Menschen. Hübsche Frauen hier und da, aber die Schminke in ihren Gesichtern, im Moment da die Scheinwerfer sie aus der Nacht schälen, zeigen ihre gequälten Seelen. Spiel mir das Spiel vom Glück, zeig mir was dich entzückt, gib mir was wir so sehr uns erträumen. Das Glücksrad dreht sich mit kaltem Geklicker, als der Zeiger den Hauptpreis erreicht ist es nur eine Lüge. Wie alles in diesem Leben. Wir spielen mit unseren Sinnen, es macht mir auch Spaß, aber es ist endlich Zeit zu verstehen, wir sind nicht hier um zu Spielen, wir haben eine Aufgabe.

Das Band ist gerissen, die Kassette verstummt, die Musik weicht dem Hörspiel von Las Vegas’ Asphalt und Nacht. Langsam lass ich den Wagen durch die Gassen rollen. Ich halte dein Haar und spüre deine Angst. Du siehst mich kommen, du kennst meinen Wagen. Dort oben ist Licht im Fenster. Ich parke am Randstein. Ich stoße die Tür auf, krieche aus dem Wagen. Für einige Augenblicke wanke ich, trunken von der Macht, als ich hinauf sehe zum Fenster und in deinem Entsetzen bade. Die Augen schwarze Monde, die Lippen zu einem O geformt. Doch der Schrei ist nur Stille; du wartest dort oben. Es lässt sich nicht mehr ändern. Wir haben einander gefunden.

Und als wir uns gegenüberstehen ist das Rätsel gelöst. Es gibt keinen Killer, niemand wird mich finden. Denn ich bin du, das andere ich deiner Vergangenheit. Ich bin die Schuld, Schattenwesen deines Seins. Verleugnet hast du mich. Geflohen bist du von mir. Ich hab dich zum Weinen gebracht, all die Nächte. Doch es ist Zeit, steh gerade und empfange mich. Ich kann nicht mehr ohne dich sein und du musst mich umarmen, darfst mich nicht mehr vergessen. Die Zeitung, von der ich Sprach, jener Artikel ist die Erinnerung. Du kannst es nicht mehr verdrängen. Man hat dich nicht gejagt, da war nur ich. Niemand weiß von deiner Tat, außer die Schuld, vor der du fliehst. Erst Tage, Wochen, dann Jahre, aber ich lasse mich nicht abschütteln. In jener Nacht hast du das Messer geführt. Hast dich befreit, so dachtest du. Es war ein leben aus Schatten, mitten im Licht der Kleinstadtidylle. Er hat dich geschlagen, dich angefasst. Es war gerecht, und ja, du hast ihn gehasst.

Doch der Tod bringt nicht nur Ruhe, er lässt das Entsetzen erwachsen und die Schuld blüht in dir. Mach es dir nicht zu leicht. Steh mit mir nun hier am Fenster, betrachte dich in diesem gläsernen Spiegel. Du hast nach Freiheit gesucht, aber nur Schmerz gegen Schuld eingetauscht.

In dieser Nacht bringst du es zu Ende. Blut hast du geleckt. Man hatte ihn gefunden, deinen Vater. Das Messer jedoch ist im schwarzen See versunken. Doch all die Jahre, war dort der Schatten, den wir Schuld nennen und Meile für Meile bin ich dir gefolgt. Entlang dieser Straße und nun ins Ende, als du den letzten Schritt wagst und gehst.

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