Der Wind spielte mit dem Wüstensand, fegte ihn über den Asphalt und zerrte an den langen Haaren des Fremden, der den leichten Hügel hinunter kam, den roten Feuerball der untergehenden Sonne im Nacken. Die Stiefel klackten laut.
Er kam jeden Abend diese Straße herunter. Er war ein Wanderer, der immer wieder zurückkam. Es schien, dass er irgendetwas suchte, aber keiner wusste, was und wieso. Die Alten sahen ihm nach, mit einem belustigten Blick. Sie kannten das Schauspiel und liebten es. Über den Rücken hatte der Typ eine Gitarre geschlungen, und mochte man den Gerüchten glauben schenken, verstand er es sie zum klingen zu bringen.
Ich erzähle Ihnen das nur, damit Sie verstehen, dass jeder wusste, was vor sich ging und dennoch keiner verstand, was es bedeutete. Ich kann nur sagen, auch ich saß mit Jones, Peter und Jack an dem Tisch und lächelte. Wir spielten Karten. Mit mehr als 60 Lenzen auf den Buckeln gibt’s nichts Spannenderes, glauben Sie mir. Nun gut, es gibt Sachen wie das Lächeln einer Frau, dass dir warm ums Herz wird, und ja, auch in diesem Falle, ging es um eine Frau. Geht es nicht immer um eine Frau, wenn Männer immer wieder kommen?
Aber ich verliere den Faden. Ja, lächeln Sie ruhig, mit der Zeit kann man so vieles vergessen. Nun ja, da kam also unser Fremder auch an jenem Abend die Straße hinunter. Er lächelte nicht, sondern wirkte ernst und in sich versunken. Die Gitarre ruckte mit jedem Schritt. Er war kein großer Mensch, sondern eher der sportliche Typ, vielleicht ein bisschen zu durchschnittlich. Er gehörte nicht zu der Sorte Cowboys, die sich täglich Countrysongs um die Ohren blasen und zum Bier nicht nein sagen können. Er hatte Stil, und vielleicht war auch dies das Tragische an der ganzen Geschichte.
Sein Ziel war jedem klar. Man nannte es das „House of Love“. Ja klar, was, glauben Sie, findet sich sonst in einem kleinen Nest am Highway, in der Abgeschiedenheit einer verträumten Stadt, wo der Hund seine Runden zieht und das Krähen des Hahnes so selbstverständlich ist wie das Zähneputzen? Ich meine, in unserem kleinen Ort, da geht alles seinen geregelten Gang. Selbst diese Tragödie mit dem jungen Mann, mit unserem Gitarrenhelden, hatte seine Routine. Womöglich ist es auch das, was einen das Altwerden so schmerzlich spüren lässt.
An jenem Abend jedoch würde die Routine ein Ende finden. Aber als ich ihm zulächelte, meinen imaginären Hut zog und er die gleiche Pose mir gegenüber brachte, wusste keiner was davon, ahnte niemand, dass wir ihn das letzte Mal sahen.
Ich muss dazu sagen, ich kenne das House of Love nur von zwei Besuchen, und Doris, meine verschiedene Frau - Gott hab’ sie selig - wusste davon nichts. Das House of Love, ein Platz den du nur als Mann aufsuchst und dennoch, und dennoch ganz anders ist als diese üblichen Hurenhäuser! Ich werde wohl nicht darum herum kommen, Ihnen von meinen Besuchen zu erzählen, damit Sie verstehen, was den Mann dorthin führte.
Das erste Mal, dass ich die Veranda herauf kam und an die Tür klopfte, ist nun mehr als 40 Jahre her und dennoch verblasst diese Erinnerung nicht! In meinem Leben habe ich viel erlebt und vieles nicht verstanden, aber das Rätsel dieses Hauses gehört zu den Dingen, wo ich aufgab, verstehen zu wollen. Wissen Sie, es war nicht Liebe die mich dorthin zog. Es war die Einsamkeit. Ich war gerade mal 18, ein Grünschnabel, und hatte den Einzugsbescheid bekommen. Das war zu der Zeit, da Elvis Presley in Las Vegas spielte und nicht mehr der Rocker war, den ich liebte..
Dennoch, wenn ich an das House of Love denke, höre ich seine Stimme vom Heartbreak Hotel singen. Ich hatte keine Freundin. Meine Eltern waren vor drei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, meine Tante interessierte sich nicht mehr für mich und Freunde hatte ich auch nicht. Einmal abgesehen von Musik und Büchern, gab es nichts in meinem Leben. Ich arbeitete an der Tankstelle, tat meine Pflicht und versuchte irgendwie mit dem Alltag zu Rande zu kommen.
Ich wollte mich nur verabschieden. Suchte nach einer Stimme, die sagte: „Auf Wiedersehen Richard.“ Jemand der mir das Gefühl gab, dass wenn ich dort im Busch draufging, man mich vermissen würde. Mit 18 hast du solch komische Gedanken, glaubst, dass die Damen dort wirklich lieben können und Mann, es ist nicht falsch! Denn dort war Liebe, als ich in ihren Armen lag. Ich kann es nicht anders sagen.
Ich wanderte durch den Regen die Straße entlang und sah nur überall die verschlossenen Türen. Meine paar Dollar in der Jeanstasche hielt ich umkrampft und dachte an das Lächeln der Frau. Eine Frau in meinen Träumen, sie kam immer wieder und irgendwie, glaube ich, suchte ich nach ihr. Wie es wohl der Mann mit der Gitarre tat.
Ich sah sie mit meinem geistigen Auge, ihre wohlgeformten Brüste, die Pfirsichhaut, wollte ihre Lippen auf den meinen spüren. Der Regen klatschte mir ins Gesicht und war kalt. Ich muss ausgesehen haben wir ein Landstreicher, als ich die Veranda hinauf stolperte und vor der Tür stand. Von drinnen hörte ich Musik. Ich glaube es war John Lennons Give Peace a Chance. Für einen Augenblick sah ich mich dort im Busch, glaubte das Donnern der Bomben zu hören, die Hubschrauber, die Hitze des Napalms; meinen Tot sah ich für einen Wimpernschlag, als mir der Atem stockte.
Dann ging die Tür auf. Ihr Haar war so golden wie Ahornblätter im Oktober. Ihre Augen mahagonifarben und ich versank in ihnen. Sie hatte irgendetwas gesagt, aber ich guckte einfach nur blöde. Sie kicherte, hielt sich die Hand vor den Mund und hielt mir die Tür auf. Wäre ich nicht ein Narr gewesen, dieser Einladung zu widerstehen?
Ich machte Anstalten die Schuhe auszuziehen, wollte den schönen Teppich nicht einsauen. Sie lachte, aber lachte mich nicht aus. Sie nahm mich an der Hand und wir gingen ins Haus. Die Tür stupste sie zu, und dann war Wärme in meinem Herz. Es war eine ganz andere Welt. Ich meine es war ganz anders, als man es sich vorstellen möchte. Es war keine dieser roten Buden, wo alles schillert, wo einfach alles nach Sex schreit. Das House of Love wirkte wie ein Zuhause auf mich. Ein Platz, wo man einfach Liebe spürt.
Auch wenn sie mit mir redete, verstand ich sie nicht. Sie hatte einen mexikanischen Einschlag, der Akzent war durchaus präsent in ihren Worten, jedoch konnte ich nur ihren Lippen folgen, ihre Stimme drang nicht zu mir durch. Ich wusste nicht mal ihren Namen und war mir nicht sicher, ob ich ihr meinen verraten hatte.
Das Haus war warm und kuschlig. Ich kann es nicht anders sagen. Ich roch den Hauch von Zigaretten, süßes Parfüm und hörte das Säuseln eines Plattenspielers. Es war eigentlich nichts Besonderes, doch an jenem Abend war es der Nabel der Welt für mich.
Im Unteren Geschoss gab es insgesamt fünf Türen und jede dieser Türen stand offen. Überall, leuchteten Kerzen und dazwischen die Stimmen der Frauen. Es war, als ob tausend Engel um mich schwirrten. Sie waren nicht die Huren, von denen mein Vater einmal zu mir gesprochen hatte, mich gewarnt hatte. Sie wissen schon, solche Vater-Sohn-Gespräche.
Mein Engel führte mich an den Zimmern vorbei und die Treppe hinauf. John Lennon wurde von einem sanften Kuschelsong abgelöst, dessen Interpret mir unbekannt war. Es war auch so belanglos, denn die Musik lullte mich ein, ließ mich fast über den Teppich schweben, ließ mich geliebt fühlen. Ich weiß, dass klingt so verdammt poetisch, so unwirklich, aber manchmal ist es einfach so. Hin und wieder sind die einfachsten Sachen so kompliziert, dass man sie nicht erklären kann, und ich tue mich schwer, Ihnen klar zu machen, was dort geschah.
Doch sie holte mich zurück aus dieser Welt, in dem sie fragte: „Was suchst Du Richard?“ Es war eine ganz normale Frage, und dennoch, ich konnte sie nicht beantworten. Tränen begannen mir die Wangen herab zu laufen, als ich mit den Achseln zuckte.
„Du hast drei Wünsche, mein Lieber“, hauchte sie mir entgegen. Meine Augen mochten wohl große Fragezeichen gewesen sein, denn sie umarmte mich, küsste meine Nasenspitze, und ich roch ihren Rosenduft. „Drei Wünsche möchte ich Dir erfüllen. Weil Du reinen Herzens bist.“
Ich verstand noch immer nicht. Was meinte sie mit reinem Herzen?
Wir hatten wohl ihr Zimmer erreicht. Ich wollte aus dem Fenster schauen, weil ich plötzlich den Regen nicht mehr hörte, doch sie hielt mich zurück. „Nicht!“, flüsterte sie. Ich schluckte, als sie mich auf das Bett drückte. Sie strich mir durchs Haar, so verführerisch.
Ich nickte langsam. Mein Atem ging in heißen, schnellen Stößen, ich hustete und sie kicherte wieder ihr Unschuldskichern. Ich holte das Geld aus meiner Hosentasche und es fiel zu Boden, weil meine Hände zu stark zitterten. Sie ließ es einfach liegen und setzte sich neben mich. Sie legte ihren Arm um mich und wir saßen ein paar süße Momente nur dort. Fast wie Schwester und Bruder, nicht wie Verliebter und Geliebte.
Schließlich erreichten mich ihre Worte. Es dämmerte mir, der Groschen war gefallen und ich noch erstaunter als zuvor.
Ich hatte wohl dann gesagt: „Drei Wünsche?“
Sie nickte.
„Egal, was?“
Sie nickte, vorsichtig, zaghaft, und in ihren Augen stand die Bitte, dass es war Gutes sein mochte, etwas, das mich glücklich machte, etwas, das mir in der Welt half, die dort draußen auf mich wartete. Mir wurde plötzlich klar, am nächsten Morgen würde nur die Straße runter, denn in unserem Nest gibt’s ja nicht viele Straßen, der Bus auf mich warten. Meine Habseligkeiten hatte ich gepackt, sie warteten in dem kleinen Zimmer, dass ich für mich hatte. Ich würde in den Bus steigen und einfach fortfahren, dorthin, wo Menschen starben, wo es keine Liebe gab. Es gab dort nur Blut, das nicht durch von Liebe entflammte Herzen pulsierte, sondern aus den Leibern blutete, wenn die Waffen sprachen. Schreie würde es geben. Nicht der Leidenschaft, sondern aus echtem Leid. Dem Tod würde ich begegnen, und es starb dort niemand aus Liebe für jemanden anderen, sondern aus Kalkül und Hass.
Ich schauderte, und sie spürte es. Sie küsste mich auf den Mund, und in diesem Augenblick wirbelte alles durch meinen Kopf. Da war Lust, pure Lust, ein Gefühl so überwältigend, wie der Schauder, dem ich eben ausgesetzt gewesen war. Und dann war da auch Angst. Furcht davor, dass es zu spät war, jemanden zu lieben. Das ich nicht fähig war zu lieben. Die Einsamkeit entflammte, Sehnsucht, die an meinen Nerven zerrte und mich weinen ließ. Ich weinte in den Armen eines Engels. Ich kann es nicht anders sagen. Ich weinte die ganze Nacht durch. Sie saß dort, und küsste mich immer wieder, umarmte mich, hielt mich, aber sagte nichts. Und am Morgen erwachte ich auf der Veranda. Ein Brief lag auf meiner Tasche, die neben dem Stuhl, in dem ich schlief, für mich bereit stand. Das House of Love war dunkel. Die Sonne ging auch gerade erst auf. Ich steckte den Brief ein und lief die Straße zur Bushaltestelle entlang. Und dachte immer wieder an die drei Wünsche, warum hatte ich sie nicht eingefordert?
Der Wahnsinn des Krieges ließ mich all das vergessen. Doch in den Nächten, ich glaube, da war ich bei ihr, bei meinem Engel. Ich hörte wieder den Regen, glaubte abermals die Veranda hinauf zu steigen. Jedoch war das Schild an der Tür: GESCHLOSSEN! Das war der Zeitpunkt, wo ich erwachte, wenn nicht gerade neben uns die Hölle brannte und wir unsere Ärsche retten mussten. Der Krieg war für mich die Zeit, in der ich zum Mann wurde und es war verdammt das Letzte, was ich werden wollte.
Ich denke, dieser Fremde, der Gitarrenslinger, der jeden Abend zur gleichen Zeit durch unser kleines Nest lief, zu diesem sonderbaren Haus, muss etwas Ähnliches erlebt haben. Ich meine, er war nicht so jung, wie ich damals war, als ich das erste Mal diesem Engel begegnete, aber er wirkte so, als ob er seine Wünsche noch nicht genannt hatte, genau wie ich. Woher ich das weiß? Man sah es in seinen Augen. So viele Fragen. Dieses Glänzen, und dann war da Trauer.
Aber bevor ich dazu komme, was aus ihm wurde, will ich noch erzählen, wie mein letzter Besuch im House of Love zustande kam. Denn ich denke, dann werden Sie verstehen, warum der Gitarrenspieler sich umbrachte. Zumindest sagt man, dass er Selbstmord beging. Unser Sheriff ist sich da sicher, und ich halte lieber meinen Mund.
Die Zeit ist ein ewiger Fluss, und wir schwimmen darin, entweder gewollt oder nicht. Der Krieg war etwas, das mich veränderte. Mit gerade mal 18 Jahren dort im Busch. Ich kann Ihnen sagen, das Grauen, dass einen dort verfolgt ist wie eine kalte Faust, die sich in den Magen stemmt, dir den Atem nimmt und wenn du dann des Nachts schreist, dann siehst du dich, mit der Waffe in der Hand, während die Schüsse erklingen und Körper zu Boden fallen. Ich habe das nie überwunden. So etwas kann man nicht schaffen.
Als der Krieg vorbei war, kam ich zurück in die Staaten. Ich verschwand in einem Zimmer, das eine alte Frau vermietete. Es war in L.A. und die Stadt war so groß, dass ich in ihr versank. Nachts kamen die Träume und ich schaffte es nicht, einfach wach zu bleiben. Ich versuchte es, besoff mich, doch es half nichts. Ich sah immer wieder die Gesichter, hörte ihr Schreien und heulte nachts, wenn der Schmerz durch mich brannte wie eine heiße Nadel. Ich glaubte das Siechen ihrer Körper zu riechen, und die Vergangenheit begann mich zu verschlingen.
Bis ich eines Abends einen Anruf bekam. Mr. Carlson, der Besitzer der Tankstelle war verstorben. Ich war einer der geladenen Gäste der Beerdigung. Ich sollte zurückkommen. Sollte sogar seine Tankstelle übernehmen. Ich weiß noch genau: Ich stand am Fenster, starrte auf die Straße hinaus, beobachtete die vielen Autos und dachte plötzlich an jene Nacht zurück, als meine Reise in den Schrecken begonnen hatte. Da fiel mir der Brief wieder ein. Ich hatte ihn damals einfach, ohne ihn zu öffnen, in eine kleine Tasche meiner Sporttasche gesteckt. So holte ich die Tasche hervor und durchsuchte sie, aber der Brief war fort.
Doch die Dunkelheit, die vom Wahnsinn des Krieges hervorgerufen, wie eine schwarze Wolke mich umhüllte, hatte mir die Erinnerung genommen, wie oft ich den Brief gelesen hatte und schließlich fand ich ihn in meinem Portemanaie. Er war kaum noch leserlich. Aber als ich die Worte „drei Wünsche „ und „lebenslang“ entzifferte, verstand ich. Ich kannte den Text, es war fast wie ein Gebet. „Wo immer du auch hinreisen magst, mein Richard, ich wache über Dich. Drei Wünsche hast Du frei, lebenslang. Ich habe Dir meine Kraft geschenkt mit jenem Kuss. Du wirst nicht sterben! Sei stark! Denk an jene Nacht und vergiss den Regen. Ich warte auf Dich.“
Es war schon irgendwie ein seltsamer Text. Dennoch, irgendwie hatte er mich durch die Hölle gerettet. Aber ich hatte Menschenleben genommen. Es hieß töte oder stirb! Ich weinte wieder. Schließlich schmiss ich das Whiskeyglas gegen die Wand und schrie.
Am nächsten Morgen saß ich im Greyhound, den Brief in meiner Hemdentasche. Die Welt rutschte am Fenster vorbei, doch ich sah nur das elende Grün des Busches. Ich hörte weder die Menschen um mich, noch wurde ich müde.
Der Greyhound hielt nicht in unserem kleinen Ort, so musste ich noch etwa 15 Meilen laufen. Ich wanderte durch die sterbende Nacht in den Morgen. Als ich die Häuser sah, ich jenen Hügel hinab kam, den der Fremde jeden Abend herab stiefelte, waren die heißen Tränen in meinem Gesicht eine Wohltat. Anstatt direkt zur Tankstelle zu gehen, wo man den Schlüssel für mich hinterlegt hatte und die mir auch vererbt wurde, lief ich zum House of Love.
Die Veranda knarrte vertraut und ich glaubte wieder den Regen zu spüren. Es war so befreiend. Doch, gleich dem Traum, sah ich das Schild: GESCHLOSSEN. Oder glaubte es zu erkennen, denn die Tür war angelehnt und ich stolperte für Sekunden durch meinen Traum mit dem Schild im Fenster.
Wieder säuselte Musik. Dieses Mal Led Zeppelin, In My Time of Dying. Die Türen, sie waren alle geschlossen. Nur hier und da leuchteten Kerzen. Es war kalt und ich begann mir zu wünschen nicht hierher gekommen zu sein. Unbewusst griff ich nach dem Brief und flüsterte dessen magische Worte.
Das ist nun der Moment, wo ich mir nicht sicher bin, ob Sie mir glauben werden. Aber wenn nicht, dann ist das ok. Als ich 18 war, hatte ich die Engel entdeckt, dieses Mal war es die Dunkelheit, glauben Sie mir! Ich ging die Treppe hinauf und hoffte das Zimmer wieder zu finden, doch dort oben, da war nur eine gähnende Leere. Ich sah die Türen offen stehen und die Fenster, dort sah ich… ich sah weder Regen, noch Sonnenschein. Ich erblickte tausend Gesichter, es war das Haus des Hasses an jenem Morgen. Diese Fenster, die Wände, alles schien sich zu bewegen. Ich stolperte zurück, fiel fast die Treppe hinunter, als plötzlich das Flattern begann. Tausend Federn, schwarz wie Pech, die um mich stoben. Geflüster, meine Mutter, mein Vater, sterbende Stimmen!
Ich schrie, als die Türen auf und zu schlugen: Ein wildes, hölzernes Trommeln. Schließlich sah ich meinen Engel. Er starb, dort in dem Haus, direkt vor mir. Ihre Augen brachen wie tausend Spiegel, ihre Stimme ein sterbender Hauch, wärhend das schwarze Haar weiß wurde, ihr Röcheln laut und nicht zu verdrängen. Die Lippen, jene volle Lippen, deren Küsse mir Kraft schenkten, verkümmerten zu schwarzen Strichen und ich verstand. Ich hatte die gute Seite verlassen. Doch hatte ich noch die drei Wünsche?
Ich sah mich, dort an der Wand, im Gebüsch, als ich schoss. Ich sah mich, als ich das Messer in den Körper bohrte, ich sah all das Leid, in der Seelennot, in der ich ertrank. Dann stoppte alles, nur der Schrei des Engels, meines Engels, der durch mich sich bohrte, tief in mein Herz, ließ nicht nach. Wieder das Rauschen der Federn und mit einem Mal war ich umringt von Raben. Sie hackten nach mir. Ich verlor den Halt und fiel die Treppe hinab. Als ich aufblickte sah ich in die Augen einer schwarzen Gestallt. Es war eine Frau, in schwarzen Federn. Sie sagte: „Willkommen im House of Love!“ Sie half mir auf und küsste mich und in diesem Moment, starb etwas in mir. Ich verlor das Licht in meinem Herzen, und versank in der Dunkelheit. Es ist ein Fluch und niemand kann ihn zurücknehmen. Ich trage ihn noch immer und es ist recht so!
Sie küsste mich, all der Hass floss durch meine Seele, sie nährte mich, sie strafte mich. Die tausend Federn ließen meine Haut beben, als Schauder über mich ebbten und der Ekel sich in mir regte. Dann war der Kuss vorbei.
Liebe kann nicht existieren ohne Hass! Liebe ist sowohl Leben, als auch Tod. Ich stolperte heraus und brach auf der Straße zusammen. Mir wurde schwarz vor Augen und ich hörte noch immer den Schrei meines Engels.
Doch ich fand einen Weg durch mein Leben, tat Buße für meine Morde.
Der Mann, der jeden Abend die Straße herunter kam, hat wohl auch die Stufe zwischen dem Reich des Helden und dem Reich des Mörders überschritten. Doch er hatte geglaubt mit seiner Gitarre den Engel wiedererwecken zu können. Oh was gäbe ich nur darum, es zu können!
Man fand ihn auf der Veranda, die Pulsadern aufgeschnitten. Der Wahnsinn hatte ihn erwischt, womöglich hatte er mehr Schuld als Unschuld in sich, und als die Rabenfrau ihn küsste, jene schwarze Todesfee, hatte er wohl die Pforte zum Reich der Dunkelheit und des Chaos durchschritten. Seine Flucht war der Tod.
Aber die Gitarre, ich habe sie gestohlen. Ich habe noch drei Wünsche, wenn es stimmt, und heute Nacht weiß ich was ich mir wünsche. Das Talent zum Spielen. Die Kraft zum Wiedererwecken und einen letzen Kuss von meinem Engel.
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