Freitag, 18. Mai 2007

DAS LETZTE GESCHÖPF DER NACHT




Die Nacht fällt schwarz herab und ich bin allein. Irgendwo dort draußen und niemand sieht mich. Der Wind säuselt von vergangenen Stunden, von Erinnerungen. Doch ich kenne sie nicht. Ich bin irgendwo in dieser Welt, gehe die Straße entlang und sehe nur den Asphalt, der vor meinen Füßen niemals enden will.

Ich hab viel gesehen, doch nun ist alles vorbei. Ich sah die Kinder im Regen stehen, ihre Augen blind, ausgebrannt von unendlichem Leid. Ich sah die Väter in den Kneipen, saufen, Alkohol der die Sinne verwirrt. Ich bin durch die Nacht gelaufen, für immer und sehe nichts mehr. Ich möchte endlich schlafen, aber das geht nicht. Solange ich wandere, dreht sich die Uhr für diese eine Welt.

Meine Aufgabe war mir anfangs nicht klar. Ich kann mich nicht daran erinnern in einer Wiege geschlummert zu haben. Ich war einfach da. Ich kenne unendlich viele Wege durch dieses nun so karge Land und ich folge ihnen. Irgendwo hin, wo ich wieder gebraucht werde. So lange ich weiter schreite und in Bewegung bleibe, ist die Welt im Fluss mit der Zeit.

Du kannst mich nicht sehen! Du sollst es auch nicht. Gib auf, Menschenkind, ich bin nicht wie du! Ich sehe in der Dunkelheit, wo du nur Gefahren erahnen kannst. Ich weiß um die Verderbtheit, die man Menschheit taufte und dennoch bin ich machtlos.

Ich bin ein Engel, möchtest du das sagen?

Ich lächle, wenn es nur so wäre.

In dieser Nacht komme ich zu dir. Der Weg war lang und beschwerlich, die Zeit rinnt uns davon. Ich verliere meine Kraft mit jedem Schritt und Hoffnung ist alles was uns noch bleibt. Du bist dort in dieser Welt gefangen, niemand versteht dich, es scheint auch niemand will dich.

Es ist eine Scheune am Waldesrand. Ich weiß, es wird eng, er ist schon bei dir. Das Grauen ist bei dir! Aber ich schaffe es nicht. Ich fürchte dieses Mal stirbt die Zeit, wirst du Opfer sein und ich machtlos!

Mein Schritt wird schneller, als er dich gegen die Wand drückt, das Messer an deinem Hals. Weine nicht! Das macht ihn rasend! Er will die Angst in deinen Augen auskosten, er will dich quälen. Ich heule in die Nacht, wie ich es noch nie getan habe, doch Stille ist die einzige Antwort, die mich anschreit.

In der Scheune hat er sie alle dahin geschlachtet. Mörder, Killer, Teufel, Unmensch, wie auch immer man ihn bezeichnen mag. Er jagt weder in der Nacht, weder am Tag, weil einfach nur sich nimmt was er braucht. Für ihn ist das kein Spiel, hat es keinen Sinn, es ist einfach so. Menschen verstehen ihresgleichen nicht mehr, wenn der einstige Mensch zum Tier wird, ein Tier das es aber nicht gibt. Ein Untier, fern aller Natur.

Der erste Schnitt. Das Blut quellt schwarz hervor, die Schatten spielen über deine Haut und das bleiche Mondlicht drückt sich durch die Ritzen. Du schaust einfach starr zum Fenster, worauf er finster lacht.

Als ich dich schreien höre renne ich schneller, während der Kopf brennt, die Muskeln sich spannen, ein letztes Mal. Es hilft nicht, ich sehe die Scheune, so fern, ein schwarzer Schemen. Im Hintergrund der gnadenlose Wald. In den Zeitungen wird stehen, er habe viele schon dorthin verschleppt. Kinder Frauen, Männer, es gibt keine Bevorzugung. Für ihn sind alle einfach nur… Fleisch!

Als ich den Weg entlang hetze, der Kies unter mir knirscht, höre ich dich jammern. Ich kann nichts sagen und Niemand wird mich sehen, wird um mich wissen, aber das geht in Ordnung. Denn als ich durch die Tür tauche, sticht er wieder zu. Dieses Mal ist es das Herz, das er trifft!

Dann kommt die Macht in mir zum Vorschein. Das ist der Augenblick, wo der Mond mir seine Kraft verleit, mein ewiger Begleiter, kalt und leidenschaftslos. Meine Krallen im entsetzten Gesicht des Entsetzens. Der Peiniger wird zum Opfer. Es geht schnell, in drei knappen Atemzügen ist das Untier erlegt, während du auf den Holzboden sackst, zu dem Gerümpel und in deiner Blutlache um Atem ringst.

Ich bin dein Engel wenn du es willst. Ich rette dich. Ein letztes Mal küsse ich ein Menschenkind. Bringe dich zurück…

Als unsere Seelen sich verbinden und ich in süßer Trauer vergehe, ich die Liebe in dir spüre, weiß ich, es wird vielleicht doch noch mal einen Retter für diese Welt geben. So bleib tapfer Menschenkind.

Ich schließe die Augen und träume von einer anderen, einer besseren Welt.

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