Wir kennen sie, wir hassen sie, wir verabscheuen sie und dennoch, kaum eine Story kommt ohne sie aus. Die Bösewichter, der Schrecken unserer Helden, die dunkle Seite, die den Leser nicht nur schrecken muss, sondern weit mehr aus einem komplizierten Charakter bestehen sollte.
Da fragt man sich, wie beschreibe ich einen Bösewicht, wie charakterisiere ich ihn glaubwürdig?
Zunächst einmal, der Bösewicht ist ein Mensch wie Du und ich! Ein wirklich echter Bösewicht hat also einen vielschichtigen Charakter und wird gerade durch die Wesenszüge, die ihn so normal erscheinen lassen beängstigend. Dean Koontz baut also immer wieder kleine Szenen ein, die beim Leser folgende Gedanken auslösen und die auch das Ziel sein sollten:
1) Mitleid: Weil er vielleicht sich nach etwas sehnt, was nur allzu menschlich ist (Liebe, einen ordentlichen Job, Freiheit und Ähnliches)
2) Vertrautheit: Weil er Sachen mag, wie Du und ich. Beispielsweise vielleicht steht er auf Süßigkeiten! Der Bösling ist niemals nur eine mörderische Maschine, denn das macht ihm zum Objekt und da wird der Leser nie Angst um ihn haben. Ja, das ist richtig! Angst um den Bösling! Wenn man einmal drüber nachdenkt, hoffen wir nicht nur, dass der Böse stirbt, oder seine gerechte Strafe bekommt, sondern vielleicht ja doch zu sich selbst findet.
Das sind eigentlich die zwei Hauptpunkte, die helfen den Leser hier und da auf seine Seite zu schlagen oder zumindest im Unreinen mit sich selbst zu sein, weil man den Bösen vielleicht auf einer Ebene (die einen aber erschreckt) verstehen kann.
In Dean Koontz’ „Whispers“ ist der Bösling ein Mann, der als Kind wirklich Schlimmes erlebt hat. Immer wieder kommen Erinnerungen an die Kindheit durch und das macht ihn Bemitleidenswert. In Stephen Kings „Shining“ ist es erschreckend, das der böse Jack Torrance seinen Sohn und seine Familie wirklich liebt, sich aber durch seine eigenen Probleme nicht der bösen Macht des Hotels entziehen kann.
Aber es gibt auch die anderen Böslinge, die einfach eine ganz andere Weltanschauung haben. In Dean Koontz' "One Door Away from Heaven" erfahren wir, dass der Vater von der behinderten Lilani ihren kleinen Bruder umgebracht hat. Hier gibt es dann eine Szene, wo der Vater nachts in das Zimmer des Mädchens kommt, die wach liegt und er ihr die Geschichte erzählt von dem Mädchen, das er gerade umgebracht hat. Er bringt seiner Tochter einen kleinen Pinguin mit (aus dem Regal des Opfers gestohlen) und erzählt ihr, dass er die junge Frau von ihrem Leid befreit hat. Er wirkt bedrückt und traurig, doch nicht etwa um ihren Tod, sondern, dass sie ihr Leben verschenkt hat.
Ein weiterer Punkt sind die Fehler, die der Böse macht. Wenn der Bösling aus nachvollziehbaren Gründen seine eigenen Prinzipien vernachlässigt, wird er menschlich, denn wie oft machen wir das nicht auch? Zum Beispiel, wenn er aus seiner Sicht jemanden sanft umbringt, weil er ihm so den Tod erleichtern will. In einem anderen Dean Koontz Buch sitzt der Mörder neben seinem Opfer, während es stirbt und spielt ihre Beatlesplatten und weint. Er weiß, dass er sich so der Gefahr der Polizei aussetzt, aber aus seiner Sicht ist er ihr das schuldig.
Ein weiterer Trick ist es, wenn die Szenen aus der Sicht des Bösen geschrieben werden, also im Prinzip die "Kamera" auf ihn gehalten ist, dass der Stil dann auch meinetwegen ruppiger ist. Oder wenn er ein sehr gefühlsbetonter Typ ist, der meinetwegen sich als christlicher Retter sieht, so wird dann der Stil hier auch viel ausschweifender.
Bei einer Kurzgeschichte muss man aber diese Sachen in komprimierter Form bringen. Das bedeutet, eine oder zwei Schlüsselszenen einbauen, die den Bösling charakterisieren.
Auch muss der Bösling wirklich richtig böse sein! Das heißt, dass er ohne Gnade seine "Mission" durchzieht. Beispiel sei hier mal, dass er zwar nett und freundlich, ja höflich zu seinem Opfer ist und dennoch, er wird es ohne Gnade umbringen. Was ich persönlich für einen Fehler halte, sind Böslinge, die richtig Spaß am Töten haben. So was gibt es auch, aber das sind eher die charakterlosen, sprich diejenigen, die meist zu eindimensionalen Charakteren verkommen. Was für uns Grauen ist, kann für sie das normalste der Welt sein.
Eine Szene, die ich sehr überzeugend fand, auch aus einem Koontz - Roman, dass der Böse anhielt um einer Frau zu helfen, deren Wagen eine Panne hat. So nett und freundlich, wie er im strömenden Regen die Frau in sein Auto setzt (im Kofferraum eine Leiche) und ihren Wagen repariert und ihr eine sichere Fahrt wünscht. Er dann davon fährt. So was erschreckt mehr und charakterisiert mehr, als Beschreibungen. Also, sollte man versuchen durch eingängige Szenen den Charakter zu definieren.
Eine weitere Art den Bösen sympathisch zu machen, ist wie "cool" er ist. Ich denke da an Jessy Blue, aus der TV-Serie Saber Rider oder an den Gegner von Blade. Diese Figuren funktionieren, weil sie wissen, die Welt ist grausam und sie leben im Prinzip damit und erwarten, dass ihre Opfer es endlich verstehen. Hier kann man den Bösen auch ein wenig als "Wahrheitsüberbringer" benutzen. Eine weitere Szene, die im Gedächtnis hängen blieb, war aus Speed: Dort war der Böse auch ziemlich cool. Erinnere mich an die Szene mit dem Fahrstuhl, mit dem "Quizfrage" - Dialog.
Wie der Böse strukturiert ist, ist auch abhängig vom Genre, bzw. der Art des Verbrechens und dem Thema der Story. Ein obercooler Attentäter wird nicht funktionieren. Aber ein Attentäter, der eine Message rüber bringt, wird sehr wohl gerade dadurch erschrecken, weil er eine gewisse Wahrheit dem Leser offenbart. Wobei das eine sehr gefährliche Gradwanderung sein kann.
Soviel zu den generellen Möglichkeiten den Bösling zu erschaffen und in den Köpfen der Leser wach zu halten.