tag:blogger.com,1999:blog-68048081503991621352024-02-20T14:51:24.684+02:00Marcel Nebeling's SchreibstubeM. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.comBlogger56125tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-75746812541352560512007-05-22T09:48:00.000+02:002007-05-22T09:50:56.095+02:00EIN PAAR STICHPUNKTE ZUM THEMA BÖSEWICHT<div style="text-align: justify; font-family: verdana;font-family:trebuchet ms;"> <span style="font-size:85%;"><br />Wir kennen sie, wir hassen sie, wir verabscheuen sie und dennoch, kaum eine Story kommt ohne sie aus. Die Bösewichter, der Schrecken unserer Helden, die dunkle Seite, die den Leser nicht nur schrecken muss, sondern weit mehr aus einem komplizierten Charakter bestehen sollte.<br /><br />Da fragt man sich, wie beschreibe ich einen Bösewicht, wie charakterisiere ich ihn glaubwürdig?<br /><br />Zunächst einmal, der Bösewicht ist ein Mensch wie Du und ich! Ein wirklich echter Bösewicht hat also einen vielschichtigen Charakter und wird gerade durch die Wesenszüge, die ihn so normal erscheinen lassen beängstigend. Dean Koontz baut also immer wieder kleine Szenen ein, die beim Leser folgende Gedanken auslösen und die auch das Ziel sein sollten:<br /><br />1) Mitleid: Weil er vielleicht sich nach etwas sehnt, was nur allzu menschlich ist (Liebe, einen ordentlichen Job, Freiheit und Ähnliches)<br /><br />2) Vertrautheit: Weil er Sachen mag, wie Du und ich. Beispielsweise vielleicht steht er auf Süßigkeiten! Der Bösling ist niemals nur eine mörderische Maschine, denn das macht ihm zum Objekt und da wird der Leser nie Angst um ihn haben. Ja, das ist richtig! Angst um den Bösling! Wenn man einmal drüber nachdenkt, hoffen wir nicht nur, dass der Böse stirbt, oder seine gerechte Strafe bekommt, sondern vielleicht ja doch zu sich selbst findet.<br /><br />Das sind eigentlich die zwei Hauptpunkte, die helfen den Leser hier und da auf seine Seite zu schlagen oder zumindest im Unreinen mit sich selbst zu sein, weil man den Bösen vielleicht auf einer Ebene (die einen aber erschreckt) verstehen kann.<br /><br />In Dean Koontz’ „Whispers“ ist der Bösling ein Mann, der als Kind wirklich Schlimmes erlebt hat. Immer wieder kommen Erinnerungen an die Kindheit durch und das macht ihn Bemitleidenswert. In Stephen Kings „Shining“ ist es erschreckend, das der böse Jack Torrance seinen Sohn und seine Familie wirklich liebt, sich aber durch seine eigenen Probleme nicht der bösen Macht des Hotels entziehen kann.<br /><br />Aber es gibt auch die anderen Böslinge, die einfach eine ganz andere Weltanschauung haben. In Dean Koontz' "One Door Away from Heaven" erfahren wir, dass der Vater von der behinderten Lilani ihren kleinen Bruder umgebracht hat. Hier gibt es dann eine Szene, wo der Vater nachts in das Zimmer des Mädchens kommt, die wach liegt und er ihr die Geschichte erzählt von dem Mädchen, das er gerade umgebracht hat. Er bringt seiner Tochter einen kleinen Pinguin mit (aus dem Regal des Opfers gestohlen) und erzählt ihr, dass er die junge Frau von ihrem Leid befreit hat. Er wirkt bedrückt und traurig, doch nicht etwa um ihren Tod, sondern, dass sie ihr Leben verschenkt hat.<br /><br />Ein weiterer Punkt sind die Fehler, die der Böse macht. Wenn der Bösling aus nachvollziehbaren Gründen seine eigenen Prinzipien vernachlässigt, wird er menschlich, denn wie oft machen wir das nicht auch? Zum Beispiel, wenn er aus seiner Sicht jemanden sanft umbringt, weil er ihm so den Tod erleichtern will. In einem anderen Dean Koontz Buch sitzt der Mörder neben seinem Opfer, während es stirbt und spielt ihre Beatlesplatten und weint. Er weiß, dass er sich so der Gefahr der Polizei aussetzt, aber aus seiner Sicht ist er ihr das schuldig.<br /><br />Ein weiterer Trick ist es, wenn die Szenen aus der Sicht des Bösen geschrieben werden, also im Prinzip die "Kamera" auf ihn gehalten ist, dass der Stil dann auch meinetwegen ruppiger ist. Oder wenn er ein sehr gefühlsbetonter Typ ist, der meinetwegen sich als christlicher Retter sieht, so wird dann der Stil hier auch viel ausschweifender.<br /><br />Bei einer Kurzgeschichte muss man aber diese Sachen in komprimierter Form bringen. Das bedeutet, eine oder zwei Schlüsselszenen einbauen, die den Bösling charakterisieren.<br /><br />Auch muss der Bösling wirklich richtig böse sein! Das heißt, dass er ohne Gnade seine "Mission" durchzieht. Beispiel sei hier mal, dass er zwar nett und freundlich, ja höflich zu seinem Opfer ist und dennoch, er wird es ohne Gnade umbringen. Was ich persönlich für einen Fehler halte, sind Böslinge, die richtig Spaß am Töten haben. So was gibt es auch, aber das sind eher die charakterlosen, sprich diejenigen, die meist zu eindimensionalen Charakteren verkommen. Was für uns Grauen ist, kann für sie das normalste der Welt sein.<br /><br />Eine Szene, die ich sehr überzeugend fand, auch aus einem Koontz - Roman, dass der Böse anhielt um einer Frau zu helfen, deren Wagen eine Panne hat. So nett und freundlich, wie er im strömenden Regen die Frau in sein Auto setzt (im Kofferraum eine Leiche) und ihren Wagen repariert und ihr eine sichere Fahrt wünscht. Er dann davon fährt. So was erschreckt mehr und charakterisiert mehr, als Beschreibungen. Also, sollte man versuchen durch eingängige Szenen den Charakter zu definieren.<br /><br />Eine weitere Art den Bösen sympathisch zu machen, ist wie "cool" er ist. Ich denke da an Jessy Blue, aus der TV-Serie Saber Rider oder an den Gegner von Blade. Diese Figuren funktionieren, weil sie wissen, die Welt ist grausam und sie leben im Prinzip damit und erwarten, dass ihre Opfer es endlich verstehen. Hier kann man den Bösen auch ein wenig als "Wahrheitsüberbringer" benutzen. Eine weitere Szene, die im Gedächtnis hängen blieb, war aus Speed: Dort war der Böse auch ziemlich cool. Erinnere mich an die Szene mit dem Fahrstuhl, mit dem "Quizfrage" - Dialog.<br /><br />Wie der Böse strukturiert ist, ist auch abhängig vom Genre, bzw. der Art des Verbrechens und dem Thema der Story. Ein obercooler Attentäter wird nicht funktionieren. Aber ein Attentäter, der eine Message rüber bringt, wird sehr wohl gerade dadurch erschrecken, weil er eine gewisse Wahrheit dem Leser offenbart. Wobei das eine sehr gefährliche Gradwanderung sein kann.<br /><br />Soviel zu den generellen Möglichkeiten den Bösling zu erschaffen und in den Köpfen der Leser wach zu halten.</span> </div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-70356928615805408642007-05-21T11:17:00.001+02:002007-05-21T11:19:18.724+02:00EINE WELT AUS GLAS (5/10)<center><b>5</b></center><br /><br /><div style="text-align: justify;font-family:verdana;"> <span style="font-size:85%;"><br /><br />Ihr Apartment wirkte so leer, so fremd. Sie stand in dem kleinen Wohnzimmer, um sie herum ihr kleiner Koffer und die Handtasche, achtlos zu Boden geworfen. Im Fenster die Pflanzen waren vertrocknet. Der Sommer hatte die Welt fest im Griff und die Sonne strahlte in all ihrem Glanz durch das Fenster. Sie war etwas mehr als zwei Wochen weggewesen, aber es schien ein ganzes Leben vergangen zu sein. Maria ließ sich in ihren Lesesessel fallen, eines der wenigen Erbstücke, das sie noch besaß. Auf dem kleinen Beistelltischchen lag der Roman, den sie am letzten Abend gelesen hatte, bevor sie ins Chaos stürzte am nächsten Tag.<br /><br /><br />Sie nahm das Buch in die Hand, blätterte ein paar Seiten weiter, las die Kapitelüberschriften, bis mit einem Mal eine Träne auf das Blatt fiel, sich ins Papier saugte. Sie schlug das Buch hart zu, hielt es fest und starrte zum Fenster hinaus. Wie lang wusste sie nicht, aber als es an der Tür klingelte, schien sie aus einer Art Schlaf zu erwachen. Im ersten Augenblick wusste sie nicht wo sie war. Zu sehr hatte das Krankenzimmer sie gefangen gehalten, als dass sie ihre wiedergewonne Freiheit empfinden konnte.<br /><br /><br />Wieder klingelte es. Es war eine Art Glockenspiel. Sie stürzte zur Tür.<br /><br />Er lächelte sie breit an. Sie versuchte es ebenfalls, aus Höflichkeit.<br /><br />"Schön das du wieder da bist.", sagte John. Sein Haar war eine einzige Katastrophe. Das weiße T-Shirt war mit allen denkbaren Farben beschmiert, so dass es schon fast wie ein Designerstück wirkte. Hinter dem Ohr hing vergessen eine Zigarette.<br /><br />"Kann ich reinkommen?", fragte er.<br /><br />Marie schaute zwischen Flur und ihm hin und her. Sie machte einen Schritt zur Seite und ließ ihn gewehren. Sie merkte, auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, dass sie gerührt war, dass er an der Tür klopfte und sie besuchte. Er war ihr Nachbar, aber sie hatte ihn nie so wahrgenommen. Jedenfalls nicht so wie jetzt.<br /><br />Es war das erste Mal, dass er in ihre Wohnung kam. Er schien voller Interesse die leeren, weißen Wände zu betrachten. Augenblicke später, als er im Wohnzimmer stand, bemerkte er: "Eigentlich recht schön, aber so leer."<br /><br />Sie stand hinter ihm, zuckte mit den Achseln. "Nein, ich hab doch viele Bücher."<br /><br />"Aber Bücher sprechen nicht. Und es ist leer und einsam hier. Glaub mir..."<br /><br />Es war ein unangenehmer Augenblick. Er betrachtete die Bücherwände, aber sie wusste, er starrte an die leeren Wände und versuchte es zu verstehen. Doch sie selbst wusste es ja nicht, wieso nirgends ein Foto hing und alles so sauber war.<br /><br />"Magst Du 'nen Kaffee oder Tee?" Sie stellte fest, sie wollte mit ihm reden. Ein Kaffee oder Tee war die beste Art ein Gespräch in Gang zu setzen.<br /><br />"Ok.", sagte er nur.<br /><br />Die Küche war gleich nebenan. Ein weicher Bogen beschrieb den Eingang zu Ofen und Schränken. Sie suchte schnell zwei Tassen aus dem oberen Schrank zusammen.<br /><br />"Tee oder Kaffee?"<br /><br />"Ich nehm' Tee." Schnell brühte sie ihn auf. "ährend der Automat dampfte stand sie im Eingang und beobachtete ihn, bis zu dem Augenblick, da er den Roman entdeckte, in dem ihre Träne gefangen war. Wie automatisch blätterte er genau zu der Seite mit dem regentropfenartigen Fleck. Er sah zu ihr herüber und für einen Augenblick schien selbst eine Träne an seiner Wimper zu hängen.<br /><br />Sie wandte sich ab, goss den Tee ein und trug auf einem Tablett die Tassen zum Beistelltisch. Er hatte sich in ihrem Lesesessel niedergelassen, hielt noch immer das Buch, den Finger zwischen den Seiten, wo sie ihre Träne verloren hatte.<br /><br />Sie setzte sich mit ihrer Tasse in der Hand auf das Sofa etwas weiter weg. Sie nahmen kurze Schlücke, sagten nichts und dennoch schien ein Gespräch stattzufinden.<br /><br />Wieso musst du weinen?<br /><br />Weil es nicht einfach ist.<br /><br />Was?<br /><br />Mein Leben und jeder Tag...<br /><br />Doch die lezten Worte hatte sie ausgesprochen: "Jeder Tag."<br /><br />"Was?", fragte er. Es war seltsam, irgendwie schien er mehr ein Freund zu sein, als sie geglaubt hatte. Eigentlich dachte sie, er habe nur seine Demos im Kopf, alles um Politik und Bush. Aber so war er nicht, das spürte sie. Er schien, wie auch sie, in einer ganz eigenen Welt zu leben und sein Bush-Hass hatte viel tiefere Wurzeln.<br /><br />"Ich meinte, es ist jeder Tag, der Tränen bringt."<br /><br />Er nickte, schien zu verstehen.<br /><br />"Nun ja, es gibt doch aber auch Sommertage wie den heutigen." Sie lächelte sanft, nahm einen Schluck und stellte fest: "Stimmt."<br /><br />"Es tut mir leid, dass du im Krankenhaus warst. Ich hätte dich gern besucht. Ging aber nicht. Außerdem weiß ich nicht... Ich meine ich bin nur dein Nachbar."<br /><br />"Schon ok. War besser so, wollte sowieso Niemanden sehen."<br /><br />"Und Richard? Hat er sich gemeldet?"<br /><br />Sie sah ihn verdutzt an.<br /><br />"Er war hier... Das ist auch der Grund warum ich hier bin."<br /><br />Sie sah ihn fragend an.<br /><br />"Na ja nicht nur deswegen... Wollte auch wissen wie es Dir geht und ob ich was helfen kann oder so..."<br /><br />Sie schüttelte den Kopf. "Nein. Es ist nun mal so."<br /><br />Er nahm einen weiteren Schluck, schien über sie nachzudenken, ihre Augen nach den Gründen der Träne in dem Roman abzusuchen.<br /><br />"Ich denke es ist besser wenn ich's Dir zeige."<br /><br />"Was?"<br /><br />Er lächelte und es war ein fremdes Gesicht dass ihr da entgegen blickte. Er wirkte wie ein kleiner Lausbub, nicht mehr der verägerte Intellektuelle, der Politikerhasser. Sie fand ihn richtig nett.<br /><br />"Kann ich eine rauchen?" Er griff nach der Zigarrette hinter dem Ohr.<br /><br />"Ich rauche doch auch..."<br /><br />"Achso und wo?" Er grinste. Seine Anspielung auf die übermäßige Sauberkeit war nicht zu ignorieren. "Will dir ja nicht hier alles vollstinken..." Er lachte herzlich.<br /><br />Als sie aufstand um den Aschenbecher aus dem Schrank zu holen, wurde ihr klar, es war schön nicht allein zu sein. Und wie sehr sie diese Augenblicke jetzt genoss. In der kleinen Vitrine mit ihrer Affenfigurensammlung stand der Aschenbecher, den ihr Sarah mal geschenkt hatte, als diese mit Rauchen aufhörte. Jeden Abend wusch sie ihn bis er glänzte und stellte ihn zurück. Sie und ihre vielen Gewohnheiten. Doch irgendwie schien das Leben zu zerbrechen und alles was blieb waren Erinnerungen.<br /><br />Sie stellte den Aschenbecher auf das Beistelltischchen. John fummelte aus der Jeans ein silbernes Zippo.<br /><br />"Maria... willst auch eine?" Er grinste verschmitzt, als er den Rauch wie ein böser Drachen heraus bließ.<br /><br />Er holte eine zerknitterte Packung Winston aus der Hosentasche, reichte sie ihr. Sie nahm mit einem Lächeln die Zigarette. Er gab ihr Feuer und dann saßen sie einfach da und rauchten.<br /><br />Sie genoss jeden Zug.<br /><br /><br /><span style="font-style: italic;">[Fortsetzung folgt...]</span><br /></span> </div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-47391794322901597152007-05-21T11:15:00.000+02:002007-05-21T11:16:29.749+02:00EINE WELT AUS GLAS (4/10)<center><b>4</b></center><br /><br /><div style="text-align: justify; font-family: verdana;"> <span style="font-size:85%;"><br /><br /><br />"Wissen Sie, wir Seelenklemptner sind auch Menschen. Ich hab in meinem Leben schon sehr viel erlebt und ich beginne deswegen bei einem ersten Treffen immer mit einer Geschichte. Mögen Sie Geschichten, lesen Sie?"<br /><br />Die Augen hinter der schwarzen Brille strahlten eine Sanftheit aus, die sie überraschte. Er wirkte eher wie ein Schriftsteller, zumindest wie sie sich einen vorstellte. Das war gut, denn innerlich rumorte es in ihr. Es waren keine Stimmen, aber ihr war schlecht und sie wusste, das etwas in ihr arbeitete, sich gegen dieses Treffen wehrte.<br /><br />"Ja, ich lese."<br /><br />"Was für Bücher?"<br /><br />Sie lächelte, das erste Mal seit dem Überfall. Zwei Wochen lagen zwischen dem Freitag als sie Rich kennen gelernt hatte und diesem Gespräch hier. Aber es schien ein Jahrhundert zu sein, denn soviel bedrängte sie, zerrte an ihren Nerven.<br /><br />"Ich hab als letztes Sputnik Sweethart gelesen."<br /><br />"Ah, kenne ich. Haruki Murakami. Nette Art wie er schreibt. Es geht um Liebe. Suchen Sie Liebe?"<br /><br />Maria sagte nichts.<br /><br />"Nun ja, ich wollte meine Geschichte erzählen, nicht? Es ist aber keine schöne Geschichte. Das Leben schreibt meist eher Tragödien, statt Hollywood-Happy Ends. Aber egal. Das brauch ich Ihnen ja nicht sagen."<br /><br />Sie versuchte zu lächeln, denn sie merkte, er wollte ihr die Geschichte wirklich erzählen. Nicht um sie zu heilen oder so. Einfach so, weil er gern erzählte.<br /><br />"Ich war damals Student. Große Hoffnungen und dann als der Vietnamkrieg kam, John Lennon mein Idol, entdeckte ich was diese Welt wirklich bedeutet. All dieser Hass, der Krieg, das Geld. Ich hatte mich mit Freunden getroffen, wir planten eine Demonstration. Kennen Sie den Song von Buffalo Springfield?"<br /><br />Sie schüttelte den Kopf. "Ich hör eher Klassik. Oder garnichts. Bin kein Musikfan."<br /><br />"Tja dann haben Sie wenigstens nicht wie ich das Problem, dass Sie nicht wissen, wo Sie die CDs und Platten unterbringen sollen." Er lachte, aber es war nicht gespielt. Sie erinnerte sich, konnte sich nicht dagegen wehren, wie ihre Mutter von einem Arzt angelacht wurde, damals. Sie hatte genau gewusst, dass er verzweifelt war. Wie erklärte man Jemanden, dass ihr Mann sich umgebracht hatte, mit Tabletten und Alkohol? Daddy war gegangen, zurück blieben die Scherben und das Blut und die Wunden."<br /><br />"Alles in Orndung, Frau Eldorso?"<br /><br />Sie nickte. "Erzählen Sie doch weiter..."<br /><br />Er rutschte etwas im Sessel hin und her. Von Draußen ströhmte warmes Sommersonnenlicht herein. Es war ein Raum voller Gemälde und Bücher. Die Krankenhausbibliothek. Er hatte ihr erklärt er hasste den kleinen Untersuchungsraum, war lieber hier. Anfangs hatte sie gedacht, das war nur eine Masche um ihr Vertrauen zu gewinnen. Doch mitlerweile verstand sie, dass es wirklich so war. Den Kittel hatte er ausgezogen und achtlos über die Lehne geworfen. Auf dem kleinen Beistelltisch stand für jeden eine Pepsi.<br /><br />Sie nahm ihre Dose, öffnete sie und trank drei kleine Schlücke. Ihre Mutter hatte ihr immer gesagt, Ladies saufen nicht wie Kühe, sondern nehmen zaghafte Schlücke wie Rehe. Die Erinnerung schmerzte, aber sie lächelte.<br /><br />Das brachte ihn dazu weiter zu erzählen. "Wir wollten genauso wie John Lennon gegen den Krieg demonstrieren. Ok, wir wussten nicht viel, nur ich dachte daran dass dort Menschen starben, während mir Professoren irgendwelchen Krimmskrams versuchten beizubringen. Es war alles so bedeutungslos. Und dort der Krieg... Ich wollte was tun. Eine Demonstration war ein Anfang."<br /><br />"Ja. Mein Freund... John. Er demonstriert oft." John war eigentlich nur ihr Nachbar. Der war gegen die Adminstration Bush und bei jeder Demo dabei. Einmal hatte sie ihm neue Stifte geschenkt, weil sie so allein war und einen Grund suchte, ihn zu besuchen. Er hatte ihr alles mögliche erzählt, über all die Lügen ihres Präsidenten. Aber das interessierte sie nicht. Es war die Einsamkeit, die sie zu ihm trieb.<br /><br />"Wir hatten Schilder gebastelt. Meins war nicht das Beste, aber ich fand's verdammt cool."<br /><br />"Cool?", grinste sie.<br /><br />"Nun, was sagt man denn heute? Es war eben ... " Er suchte nach einem anderen Wort. "Egal, es war cool, ok?"<br /><br />"Gut." Es fiel ihr leichter mit ihm zu reden. Er schien so wenig ein Arzt zu sein, wie sie eine Schauspielerin war.<br /><br />"Ich hatte sowas wie eine Bombe gezeichnet, die ein Peacezeichen zersplittert. Sah sicher eher aus wie die Malerei eines Kindes. Aber die Message... NO WAR!, das kam rüber. Als wir dann durch die Straßen zogen, ich mein Schild voller Stolz hochielt, kam mein Vater mit dem Wagen vorbei. Er hatte in der Nähe zu tun und als er an mir vorrüber fuhr, das Schild sah, bremmste er, schrie ich solle es wegschmeißen. Ich sei eine Schande. Er spuckte mir vor die Füße. Ich hasste ihn. Was verstand er denn davon?"<br /><br />Er machte eine Pause, öffnete seine Dose, nahm einen langen Schluck und Maria lachte. Es war ein herzhaftes Lachen, es brach aus ihr heraus, wie ein Rülpser. Dann hielt sie sich die Hand vor den Mund.<br /><br />"Nicht unbedingt die Reaktion die ich erwartet hätte. Lassen Sie mich teilhaben?"<br /><br />"Es ist nicht ihre Geschichte. Es ist..." Sie holte unbewusst tief Luft. Der Psychologe nahm noch mal einen Schluck, ließ ihr Zeit. "Meine Mutter sagte Frauen dürfen nicht Saufen wie Kühe..."<br /><br />Er grinste. "Achso..."<br /><br />"Ladies sollen kleine Schlücke nehmen. So war sie eben. All solches Zeug. Meist fand ich es blöd, aber vorhin dachte ich an den Spruch und nun.."<br /><br />"Sauf ich wie 'ne Kuh... oder'n Ochse!" Er lachte.<br /><br />"Genau..."<br /><br />Sie tranken still, immer wieder grinsend.<br /><br />"Ihr Vater... hat er sie geschlagen?"; fragte Maria.<br /><br />"Ja. An dem Abend, hat er mich so verprügelt, dass ich nicht mehr sitzen konnte. Am nächsten Tag nahm ich den ersten Bus. Weiß nicht mehr wo ich hinwollte, aber nicht mehr zu Hause mich schlagen lassen."<br /><br />Sie dachte darüber nach. "Mein Vater hat mich nicht geschlagen. Er hat sich vor uns kaputt gemacht und wir hatten Schuld. Er hat geschrien, Zeug zerschmissen, ist ausgerastet. Aber hat uns nie angefasst. Er war eigentlich ein guter Mann, wissen Sie. Er hat alles verloren. Die Firma war pleite, er auch. Die Aktien nichts mehr wert. Sein Leben ausgehaucht in wenigen Stunden, sozusagen. Meine Mutter sagte, es würde wieder werden. Aber das war nicht so. Er kam nie darüber weg."<br /><br />"Hmm. Maria... hassen Sie sich?"<br /><br />Sie sagte nichts.<br /><br />"Wenn das so ist... wissen Sie, jeder hasst sich hin und wieder. Das ist gesund, das gehört zum Leben. Aber es darf nicht soweit gehen, dass Sie sich umbringen wol-"<br /><br />Sie sprang auf, stieß dabei irgendwie an den Tisch. Die Dose rollte über die Tischplatte, Cola schäumte heraus.<br /><br />"Ich habe mich nicht umbringen wollen! Ich habe Angst! Mein Vater, ich habe ihn sterben sehen! Ich hab nichts dagegen gemacht. Der, der Spiegel... er hat sich mit dem Spiegel umgebracht, weil er sich hasste, dafür dass er alles verloren hat. Ich wusste nichts von Tabletten und der Wiskey, die Flasche..." Sie atmete hastig, ihr Herz klopfte ihr im Hals. "Hab sie erst später gesehen und selbst da nicht begriffen. Überdosis und Alkohol. Er hat sich umgebracht... wegen uns, weil er uns nicht ernähren konnte. Und sie sagen ich will mich umbringen?"<br /><br />Sie kreischte nun, ihre Stimme war wie ein Klavier, dass zerhackt wurde. "Ich will sterben, ich bin allein! Niemand ist für mich da. Aber ich bringe es nicht fertig." Sie weinte. "Es war ein verdammter Unfall..."<br /><br />Sie rannte aus der Bibliothek. Auf dem Gang umfing sie ein Hauch von Desinfektionspray und Schweiß. Sie rannte einfach den Flur entlang. Bis sie gegen die Tür des Fahrstuhls sich schmiss, als dieser nicht aufging. Sie lehnte an der Wand mit den Knöpfen um den Fahrstuhl zu rufen. Langsam sank sie zu Boden, saß dort und weinte.</span> </div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-74730743776684350672007-05-21T11:11:00.001+02:002007-05-21T11:12:16.635+02:00EINE WELT AUS GLAS (3/10)<center><b>3</b></center><br /><br /><br /><div style="text-align: justify; font-family: verdana;"><span style="font-size:85%;">Erst die Stimme der diensthabenen Schwester machte ihr bewusst, dass sie erwacht war. Das Fenster mit den unzählbaren Regentropfen und die Nacht dahinter mit der Skyline hielten Maria gefangen. Das Geschwirr um sie herum, der Krach vom Gang konnte sie nicht erreichen. Sie sahß die silbernen, matten Tropfen, wie sie an der Scheibe klebten. Es war wie ein silberner Vorhang und dahinter die Dunkelheit. Kein Gedanke konnte sie erreichen.<br /><br />"Unser Dornröschen ist erwacht!", wunderte die Schwester. Das war der Moment, als das Gefühl zurück in sie sank und die Schmerzen erwachten. Der Bauch schmerzte und mit der Qual kam die Erinnerung. Das Messer. Das Entsetzen.<br /><br />"Alles in Ordnung! Sie sind in Sicherheit, Frau Eldorso."<br /><br />Maria entdeckte den Fernseher. In den News wurde von einem Gewaltackt berichtet. Die Lautstärke war soweit runter gedreht, dass es mehr ein Flüstern war. Sie sah ihren Schalter, Blut an den Fenstern, viele Polizisten und Menschen.<br /><br />Die Krankenschwester drückte auf der Fernbedienung und das Bild verschwand. "Sie sind in Sicherheit.", wiederholte sie.<br /><br />Sie befestigte eine kleine Flasche mit einem Schlauch daran, den sie an das Dreiwegesystem anschloss. Ein Tropf. "Keine Sorge. Es geht ihnen ganz gut. Sie kommen wieder auf die Beine."<br /><br />Maria wollte etwas sagen. Sie wusste nicht was es war, aber ihre Stimme kratzte auch nur, so dass sie aufgab.<br /><br />"Versuchen sie zu schlafen."<br /><br />Sie schloss die Augen. Doch der Schlaf kam nicht, nur die Stille, als sie allein im Zimmer war.<br /><br /><br /></span> <center><span style="font-size:85%;"><b>- - -</b></span></center> <span style="font-size:85%;"><br /><br /><br />Die Nacht ging vorbei, der Regen verschwand und so blieben nur ihre Gedanken, die wieder zurückkehrten wie Geister, die mit dem Mitternachtsgong der Pendeluhr erwachten. Doch ihre Geister trugen keine weißen Bettlaken und entsprangen keinem Kindermärchen. In ihren Gedanken gab es Blut, Schreie, Tränen und vor allem Angst. Auch wenn sie es nicht träumte, so fürchtete sie sich doch, dass ihr Vater im Bad lag, in einer Blutlache. Sie wusste genau was passieren würde. Er würde nicht aufwachen. Die Ambulanz mit den Sanitätern würde kommen, sie weggezogen und dann war er fort. Sie blieb allein, denn sie wollte nicht mitfahren, sie wartete auf der Veranda bis ihre Mutter kam, mit Tränen in den Augen. Mutter machte ein Essen, ließ es in der Küche stehen, ließ sie allein und knallte die Schlafzimmertür zu, wo Maria sie die ganze Nacht weinen hörte.<br /><br />Plötzlich schüttelte sie jemand. Im nächsten Augenblick starrte sie in das Gesicht ihres Vaters, nur um nach und nach zu verschwinden. Stattdessen war es wohl der Stationsarzt. "Frau Eldorso. Sie stehen offenbar noch immer unter Schock. Wir würden sie gern einem Psychologen vorstellen."<br /><br />Sie schüttelte wehement den Kopf. Das Bett wackelte, so sehr wehrte sie sich.<br /><br />"Ok, ich verstehe. Aber wenn das so weiter geht." Er schüttelte den Kopf und seufzte. "Sie scheinen vor etwas zu fliehen. Und es ist nicht der Überfall. Sie sind schon eine Woche hier und eigentlich gibt es dafür keinen Grund. Alles ist bestens, die Wunde verheilt erwartungsgemäß."<br /><br />Sie nickte.<br /><br />"Wollen sie nicht darüber reden?" Er schien ein guter Mann zu sein. Aufrichtig. Sie glaubte ihm das, aber niemand konnte ihr helfen.<br /><br />Als er gegangen war, blieb die Schwester mit den Unterlangen in der Tür stehen.<br /><br />"Sie hatten heute einen Anruf. Ein gewisser Richard Masterson. Er hat sich nach ihnen erkundigt. Aber wir können ihm nichts sagen."<br /><br />Maria blinzelte. "Was?"<br /><br />"Richard Masterson. Ist das ein Bekannter? Ihr Freund?"<br /><br />"Nein. Aber ich kenne ihn."<br /><br />"Er hat seine Nummer durchgesagt. Ich hab sie ihnen aufgeschrieben und den Zettel in die Schublade des Nachtschränkchen gelegt." Sie verließ das Zimmer.<br /><br />Wieso hatte er angerufen? Hatte Sarah ihm was erzählt?<br /><br /><br /></span> <center><span style="font-size:85%;"><b>- - -</b></span></center> <span style="font-size:85%;"><br /><br /><br />Sie starrte hinauf in den Himmel, wo die Wolken den azurblauen Himmel wie große Schiffe überquerten. Als Kind hatte sie oft im Garten hinter dem Haus gelegen, die Wolken beobachtet wie andere Menschen Tiere beim Spaziergang am Wegesrand entdeckten und beobachteten. Manchmal glaubte sie, es gab noch eine Welt dort oben.<br /><br />"Er ist jeden Tag da. Fragt nach dir.", holte Sarah sie wieder zurück. Sie senkte den Kopf.<br /><br />"Aber keine Ahnung warum er dich nicht besucht. Er weiß ja dass du hier im Krankenhaus bist. Er hat sogar Blumen vorbei gebracht."<br /><br />"Hmm.", machte Maria. "Aber sie lassen mich nicht raus. Sie sagen es sei zu gefährlich. Denn angeblich habe ich mich gegen den Typen geschmissen."<br /><br />"War es so?", fragte Sarah nach einer Weile.<br /><br />"Ich weiß es nicht.", erklärte Maria. Das Ganze war nur noch ein dunkler Traum und die Nachrichten hatten es auch schon längst wieder vergessen. Das Leben in New York war schnelllebig.<br /><br />"Dann sprich halt mit diesem Seelenklemptner. Der Chef macht schon Anstalten, dass man dich ersetzen müsse...", platzte Sarah heraus. Ihre großen braunen augen sahen sie flehend an.<br /><br />Maria nickte.<br /><br />"Ich weiß es ist nicht leicht. Meine Tante hat auch mit so nem Plemplem-Arzt sprechen müssen. Weißt doch, mein Onkel war im Knast und sie hatte sich versucht das Leben zu nehmen. Schlimem Zeit. Aber die können einem helfen."<br /><br />"Woher willst du das wissen? Woher wollen die wissen, wie es ist ich zu sein?"<br /><br />Stille, die nur vom Zirpen der Vögel gestört wurde.<br /><br />"Ich weiß es nicht. Aber du musst was tun!"</span> </div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-71980877325679396402007-05-21T11:09:00.001+02:002007-05-21T11:14:01.816+02:00EINE WELT AUS GLAS (2/10)<center><b>2</b></center><br /><br /><div style="text-align: justify;"><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">Das zurückliegende Wochenende schwirrte noch in ihrem Kopf, als sie sich ertappte, wie sie immer wieder auf ihre Armbanduhr starrte, sogar den Sekundenzeiger beobachtete und sich so einsam fühlte wie nie zuvor. Die Idee mit dem heißen Bad hatte sie nicht weiter verfolgt. Stattdessen war sie beim Friseur gewesen. Die Frisöse hatte ihre Haarpracht bewundert, als sie mit dem Kamm durch das mahagonifarbene Haare gekämt hatte. Ihre Locken seien einfach unbeschreiblich. Das war ihr peinlich gewesen. Eigentlich die ganze Aktion, denn als sie abends im Bett lag, das Buch aufgeschlagen auf ihrer Brust liegend, hatte sie die Augen geschlossen und die Szene am Nachmittag mit ihm immer wieder durchlebt. Einzelheiten waren in den Gedanken wie Diamanten eines teuren Schmuckstücks wertvoll und zum verlieben. Wie er immer wieder durchs Haar gestrichen hatte. Die wachen Augen und das liebe Lächeln. Der sportliche Körper und dennoch keine Spur von Eitelheit. Irgendwie wünschte sie sich, sie könne nochmal jung sein. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">Wieder starrte sie auf ihre Uhr. Es war kurz nach sechs am Abend, keine Spur von ihm. Die Einsamkeit wurde unerträglich, als auch nach einer Stunde noch immer nicht sein Gesicht in der Menge zu finden war. Sie begann sich damit abzufinden, dass jener Freitag einfach nur mal ein anderer Tag gewesen war. Was bildete sie sich eigentlich ein? Dass er sich in sie verlieben würde und sie hier rauskam? </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">Das schien es zu sein und wie törecht es war. Sie war nun 36 seit drei Wochen und einsam und würde es auch bleiben. Sie hatte keinen besseren Job gefunden und konnte froh sein, dass sie nicht wie die Penner in an den Gleisen um ein wenig Geld bettelte. Ihre kurze Ehe war nur ein Bild voller Traurigkeit und Schmerz gewesen und die Liebe die sie verführt hatte eine Lüge. All das Geld, dass sie von ihren Eltern geerbt hatte, war fort. Eine Erinnerung aus einem besseren Leben, einem Leben voller Zukunft, das sie sich hatte nehmen lassen. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">Eine halbe Stunde später klickte sie sich durch die Fahrpläne, aber es half nichts. Auch wenn von der Uni noch genug Bahnen unterwegs waren, bis weit nach 23 Uhr, würde er nicht kommen. Er war glücklich gewesen und sie hatte einen kleinen Lichtblick davon genießen können. Mehr war es nicht. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">Sie zog das Buch aus der kleinen Ledertasche und begann wieder zu lesen. Montag war wie jeder andere Tag die Wochen davor: grau und einsam. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">Als sie nach 2 Uhr sich auf den Nachhauseweg machte und ihr Gesicht in einer Spiegelwand eines Modegeschäfts entdeckte, begann sie zu weinen. Es war das Gesicht ihrer Mutter, und die Tränen erinnerten sie an jene schreckliche Zeit, als ihr Vater unter dem Druck der fallenden Aktien und des dämmernden finanziellen Unglücks zu einem Verrückten geworden war. Es war die Zeit der Rezession und für Mutter und Kind bedeutete das Schläge, Wutausbrüche und einfach nur schwarze Tage voller Traurigkeit. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">Als die Firma ihn dann feuerte, und er dem Suff erlag, war es ihre Mutter die arbeiten ging. Sie putzte bei den Reichen, im Viertel mit den vielen Palmen und den großen Autos. Manchmal nahm sie Maria mit und sie hatte sogar mit den Kindern spielen dürfen. Das war besser gewesen. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">Ihr Gesicht mit den Tränen schien um Hilfe zu betteln. Sie hatte alles verloren und ihr Job war nichts für sie. Gab es keine Sonnenaufgänge mehr. Sie wandte sich ab und hastete heim. In ihrer kleinen Wohnung fiel sie ins Bett, weinte sich in den Schlaf. </span></span><br /><br /><br /> <center style="font-family:verdana;"><span style="font-size:85%;"><b>- - -</b></span></center><br /><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">Mittwoch morgen als sie Sarah von der Nachtschicht ablöste lächelte diese. "Ich hab heute Morgen einen richtig heißen Typen gesehen! Der hatte Muskeln. Ok, 'ne Blindschleiche, aber durchtrainiert war er." </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">Sarah hatte immer nur Männer im Kopf. Maria ging die Checkliste durch, wechselte die Videobänder für die Überwachungskameras aus und ließ das aufgeregte Geplapper ihrer Kollegin an sich vorbeiplätschern wie Regen. Bis zu dem Moment als die dann sagte: "Aber er hat nach einer Maria gefragt." </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">Sie hielt inne, krampfte die Hände zu Fäusten und zitterte. Es war seltsam was allein der Gedanke an ihn in ihr auslöste, denn sie kannte ihn doch garnicht. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">"Ich hab ihm gesagt, wir haben viele Marias. Aber er ließ sich nicht beirren. Das könne schon sein, meinte er. Er sagte er habe eine Maria Carina am Freitag abend kennen gelernt und wollte wissen wann sie... also du... wieder hier arbeitet." </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">"Und?", fragte Maria mit einem leichten Zittern in der Stimme. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">Sarah zuckte mit den Achseln. "Hab gesagt du seist heut da. Frühschicht. Aber..." </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">"Ja?" </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">"Erzähl mir alles, wenn der dich ausführen will, ok?" </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">"Wieso sollte er das?" Maria konnte es nicht verstehen. Aber Sarah kannte sich ja besser aus mit sowas. Sie hatte da Routine drinne und naja, auch wenn sie eine Tratsche war, sie war ein liebes Mädchen. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">"Hey, das wird er, glaub mir. Also viel Spass heute. Und nicht vergessen, du musst mir alles berichten!" </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">Maria nickte. "Gut." </span></span><br /><br /><br /> <center style="font-family:verdana;"><span style="font-size:85%;"><b>- - -</b></span></center><br /><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">Doch auch der Mittwoch schien von Einsamkeit und der alltäglichen Bedeutungslosigkeit eines langen Arbeitstages geprägt zu sein. Zum Mittag nahm sie lustlos ihr kleines Sandwich, den Yoghurt und die Flasche Mineralwasser und versuchte zu Essen. Jeder Bissen schien so fad, das Wasser abgestanden und der Yoghurt fruchtlos. Zum Schluss schmiss sie Brot und Yoghurt in den Abfall, nahm ihr Buch und las. Die Menschen strömten um den Schalter herum wie eine haltlose Welle. Manchmal dachte sie an das Gedicht aus der Schule, von dem Panther im Zoo. Eingesperrt, angestarrt und zum Tode verurteilt. Warum sie ausgerechnet diesen Job angenommen hatte, wusste sie nicht. Oder besser, sie hasste sich davor, dazu gedrängt worden zu sein. Das Leben war eine steinige Straße und hinter jeder Kurve wartete ein neuer Grund, warum man zu Boden geworfen wurde. Sie wollte nicht mehr fallen! </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">Ihre Schicht ging bis 15 Uhr, und als der Feierabend nur noch eine halbe Stunde entfernt war, herrschte plötzlich Aufregung. Die Menschen schrien. Sie stießen sich gegenseitig zu Boden. Dann das Pfeifen der Polizisten. Sie registrierte den Tumult um sie herum anfangs nicht. Bis jemand gegen die Scheibe des Schalters krachte. Der Körper zu Boden ging wie ein Sack Mehl und sie in das unrasierte, schweißüberströmte Gesicht eines jungen Kerls blickte. Dann erst sah sie das Messer. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">Er schrie irgendwas. Die Augen des Typen schwollen an, wütend schrie er was und drosch mit dem Griff des Messers an die Scheibe. Immer wieder. Es bildete sich schon ein leichter Riss. Ein Blick auf die Kameras zeigte dass noch mehr solcher Typen unterwegs waren. Auf dem linken Bildschirm konnte sie sehen, wie einer das Messer in den Rücken einer Frau rammte, diese strauchelte und zu Boden ging. Die Hölle hatte einen Riss geöffnet und der Wahnsinn war um sie herum. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">Der Typ am Schalter schrie noch immer. Ein alter Mann wurde von ihm zu Boden geworfen. Sie verstand plötzlich. Es war alles wie ein Traum, so langsam und unwirklich. Spanisch. Der Typ sprach zerhacktes Spanisch. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">"Open door", spuckte der, als ihm klar wurde, dass sie nicht verstand. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">Sie machte einen Schritt zurück, denn das Fenster hatte einen großen Riss und wenn er wieder auf die Idee kam darauf einzuschlagen, würde es splittern. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">"OPEN the fuck door!" Rage war ihm ins Gesicht geschrieben. Das Weiß in den Augen schien die Augen zu blinden Fenstern zu machen, wie bei einem Hund, der Tollwut hatte. In ihr explodierte eine Hitze, Schweiß drang aus ihren Poren und sie lebte mit einem Mal in zwei Welten. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">Sie blinzelte, sah dort ihren Vater im weißen Boxerhshirt, wie er mit der Faust gegen den Spiegel schlug. Dann war der Typ da, schrie sie an. Sie trat an die Tür, drückte einen Knopf für die Entriegelung. Ihr Vater schlug wieder gegen den Spiegel, Blut schmierte als er die Faust zurück zug, um abermals auszuholen. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">"NEIN!", schrie sie. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">Der Mann mit dem Messer schob sie gegen die Tür, die aufriss und ihr beinahe ins Gesicht schlug. Sie schrie wieder. Ihr Vater schmiss sich mit den Gesicht gegen den Spiegel, der zerbrach. Splitter ritzen in seine Haut, doch er schrie nicht. Bewusstlos ging er zu Boden, Neben ihm die letzte Flasche Wiskey, und sie sah sich, wie sie im Gang vor dem Bad stand, schrie und die Tränen im Gesicht. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family:verdana;">Das Messer zerriss ihre Bluse, als der Fremde vor ihr damit herum fuchtelete. Er schrie immer wieder, "Money! Fuck Money!" Sie deutete benommen auf die kleine Kasse im unteren Regal. Dann stieß er zu, sie ging zu Boden. Weinte und schloss die Augen. Ihr Vater lag neben ihr, Blut im Gesicht.</span><b style="font-family: verdana;"><a name="c"></a></b></span></div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-47556375835659769392007-05-21T11:05:00.000+02:002007-05-21T11:08:38.194+02:00EINE WELT AUS GLAS (1/10)<p><br /><br /></p><center><b>1</b></center><br /><br /><div style="text-align: justify; font-family: verdana;"><span style="font-size:85%;">Stein um Stein, ein Gebilde aus grauer Einsamkeit umgab sie in ihrem Glashaus. Die Menschen drängten am Schalter vorbei, dutzende, hunderte, tausende Gesichter. Jeden Tag, jeden Morgen und jede Nacht. Es war ein Fluß von unzähligen Augen und Stimmungen.<br /><br />Aber eigentlich sah sie all das nicht mehr. Maria Carina Eldorso sah niemanden; sie war blind, zumindest im Herzen. Der Altag hatte ihre Sinne abgestumft. Jeden Morgen, wenn der Wecker läutete stand sie auf, und dann, wenn sie hier in der Ubahnstation ihren Platz einnahm und auf die ersten Leute wartete, schien der Tag schon verloren. Es gab kein Sonnenlicht in den Schächten, nur das Grau der Wände, befangen von Schatten. Da war Einsamkeit und dennoch war sie nicht allein. Aber niemand sprach zu ihr, lächelte oder sah sie. Sie rannten alle nur vorbei. Bis an jenem Freitag abend.<br /><br />Sie hatte die Spätschicht an jenem Tag. Das kommende Wochenende bedeutete ihr nicht viel. Sie würde vielleicht ein heißes Bad nehmen, etwas lesen und dann auch schlafen gehen. So saß sie wieder am Schalter. Die Zeitschrift vor ihr schien sie nicht mehr zu faszinieren. Der Artikel über Arbeitslose war genauso langweilig, wie die Welt um sie herum. Als sie hier begonnen hatte, noch voller Freude und dem Gefühl ein Leben zu beginnen, hatte sie Lächeln können und in jedem Gesicht das vorbei zog wie ein Luftballon, die Sorgen auf den Stirnen interpretiert. Doch niemand sprach zu ihr. Sollte jemand eine Fahrkarte, Wochenkarte oder Monatskarte kaufen wollen, so entstanden nur kurze, kalte Gespräche. Manchmal kam sie sich vor wie ein Automat, ohne Herz und ohne Seele. Aber sie verdiente das Geld, dass sie brauchte um irgendwie in dieser Welt zu leben, sie konnte nicht einfach weggehen und alles vergessen.<br /><br />Sie schlig gerade das Heft zu, wollte sich eine kurze Raucherpause genehmigen, als der Fremde in der Mitte der Halle stand und lächelte. Es war wie ein Sonnenstrahl, der in ihr Gesicht schien und ihr die Augen öffnete. Sie sah auf, das Feuerzeug noch in der Hand, die Zigarette zwischen den Fingern und ... lächelte zurück.<br /><br />Es war ein junger, schlacksiger Kerl in einem weißen T-Shirt und einer ausgewaschenen Jeans. Um ihn herum ströhmte die Menge, getreiben vom Wunsch schnell nach Hause zu kommen, den Feiertag vor Augen. Doch er lächelte, fuhr sich mit der Hand durch das strohblonde Haar. Er stand ziemlich weit oben, zwischen der Treppe. Ein alter Mann rempelte ihn an, spie eins, zwei böse Sätze, schüttelte mit dem Kopf und begann den für ihn scheinbar beschwerlichen Abstieg, die Stufen hinunter.<br /><br />Aber das Lächeln schwand nicht. Wie auf ein Zeichen, als Maria schließlich ihre Zigarette ansteckte, sprang er zwischen den Menschen entlang die Treppen hinunter. Der Rucksack auf seiner Schulter hüpfte im wilden Rhytmus.<br /><br />"Hallo, einen wunderschönen guten Tag", sagte er als er den Schalter erreichte. Sie nahm einen kurzen Zug, die Zigarette zwischen die Finger und lächelte zaghaft. Er grinste breit, es schien ein guter Tag für ihn zu sein.<br /><br />"Was kann ich für Sie tun?" Ihre Stimme erschreckte sie. Sie war wie die einer Maschine und das entfachte ein schlechtes Gewissen in ihr. Sie versuchte es nochmal. "Womit kann ich denn helfen, junger Mann."<br /><br />Er grinste immernoch breit, fuhr sich wieder durchs Haar.<br /><br />"Mein Name is Richy, oder Richard. Aber nennen sie mich einfach Rich, wenn Sie mögen. Ich bin neu hier und naja alles ist super, aber dennoch fremd."<br /><br />Maria nickte.<br /><br />Er hielt ihr die Hand durch das kleine Loch in der Glaswand, wo man Geld und Tickets durchreichte. Sie drückte die Zigarette aus, wischte die Hand vorher an ihrer schwarzen Bundfaltenhose ab und reichte sie zaghaft. Das Lächeln in ihrem Gesicht wirkte so frisch, es war ein Gefühl, dass sie vermisste. All die Wochen und Jahre. Altagsstress und Langeweile ihre einzigen Begleiter. Sie genoss den Moment.<br /><br />"Sie sind ganz kalt." bemerkte er.<br /><br />"Naja eine alte Frau..."<br /><br />Er schüttelte den Kopf. "Nicht sowas sagen. Heute ist ein guter Tag, ..." Er machte eine fragende Geste.<br /><br />"Maria Carina.", sagte sie.<br /><br />"Darf ich mir den schönsten aussuchen?"<br /><br />Sie lächelte verlegen. Auch wenn noch immer das Grau der Wände sie hier gefangen hielt und all die Menschen weiterhin um sie herumströhmten, alles scheinbar unverändert war, konnte sie spüren, wie ihr Herz schlug und das war gut. Es war ein Leben das in ihr pulsierte, ein Hauch von Träumen und den Szenen aus den Romanen die sie las.<br /><br />"Ich hab ein Apartment. Zwei Straßen von hier. SuperLage, nicht?"<br /><br />"Ja. Woher sind Sie?"<br /><br />Er schüttelte den Kopf. Für den Augenblick fürchtete sie wieder böse Worte zu hören. Wie vor drei Tagen, als die Alte mit den Narben im Gesicht sie fast angespuckt hatte wegen der Preiserhöhungen.<br /><br />"Woher bist Du, Rich?", versuchte sie es nochmal. Er lächelte. Seine Zähne waren weiß, aber dennoch wirkte er nicht wie einer dieser gestylten Typen, die an der nächsten Straßenecke aufeinander einschlugen oder vor denen sie sich fürchtete, wenn sie durch die Viertel schlich auf dem Nachhauseweg, im bleichen, zerstreuten Licht der Laternen.<br /><br />"Ich komme aus Loudonville, aber gehe nun zur Uni."<br /><br />"Oh..." Studieren war eines ihrer Ziele gewesen, vor mehr als zehn Jahre, eine Zeit der Träume und nun war sie hier im Schacht, versteckt von der Welt da draußen. Was war aus ihr geworden? Eine Schaffenerin die zuviel rauchte, eine dicke Brille trug und in schlechten Magazinen langweilige Artikel las. Ein Leben ohne Profil und ohne Ziel.<br /><br />"Was studieren Sie?"<br /><br />"Sie meinen Rich... nicht sie." Sie lachte lauthals. Es war ein aufgeregtes Lachen, aber es tat so gut. Und was sie erschreckte, er sah es und es machte ihm nichts aus. Das verstand sie nicht, er kannte sie doch nicht.<br /><br />"Informatik. Computerfritze, sage ich immer."<br /><br />"Na das ist doch nicht schlecht. Gibt ja bald mehr Computer als Menschen." Sie wusste nicht ob das so war, aber es schien ihr so. Geldautomaten, GPRS-Navigation, Notebooks, alles nur noch Elektrik. Es hatte ein wenig gedauert bis sie hier zurecht kam. Aber das Programm war recht einfach zu bedienen und bisher hatte sie es nur einmal im Stich gelassen. Aber die Welt hatte sich geändert. Seit dem Anschlag, wurde alles vielmehr überwacht, kontrolliert und kälter. Sie hatte ein Telefon, das nicht mehr wie früher über die Leitungen verbunden war, sondern das war jetzt Voice over IP. Alles besser, aber sie verstand es nicht. All die Überwachungskameras. Anfangs hatte sie darauf gestarrt, aber mitlerweile sah sie diese kaum noch.<br /><br />"Ja, am Montag gehts los. Und wie soll ich sagen. Ich bin ein Controllfreak. Ich brauch die beste Verbindung und deswegen dachte ich, komme ich zu Ihnen."<br /><br />Sie lächelte. "Gibt's dafür nicht Google?"<br /><br />"Mag schon sein, aber dort lächelt niemand." Wie lange hatte schon niemand mehr versucht mit ihr zu flirten? Aber wenn er studierte oder es wollte, war er mindestens 13 Jahre jünger als sie.<br /><br />"Nun gut."<br /><br />Sie drehte den Monitor, damit sie ihm nicht den Rücken zuwenden musste. Schnell gab sie Abfahrtsstation und Ziel ein. Es dauerte weniger als 10 Sekunden und schon spuckte der Drucker die Route aus.<br /><br />Als sie ihm den Zettel reichte, hielt er kurz ihre Hand.<br /><br />Er studierte mit leicht zugekniffenen Augen das Blatt. Offenbar war er eigentlich Brillenträger und es überraschte sie mit einem wohligen Schauer, dass sie sich wünschte sie könnte sehen wie er mit Brille aussah.<br /><br />"Hmm, das scheint einfach zu sein. Danke, Maria."<br /><br />Für den Augenblick wusste sie nichts zu sagen. Und auch er schien unentschlossen, stand da und starrte sie nur an. Dann tippte er sich an den nicht vorhandenen Hut. "Auf wiedersehen."<br /><br />"Gern geschehen und viel Glück!"<br /><br />Er drehte sich, stieß mit einer kleinwüschisgen zusammen, die ihn mit mißbilligenden Blicken strafte und irgendwas schimpfte.<br /><br />Als er an der ersten Stufe war, wand er sich um und rief: "Sind sie Montag auch hier?"<br /><br />Sie hatte gerade eine neue Zigarette aus der Schachtel gefischt. Nickte. Dann wurde ihr klar, dass er es unter Umständen nicht sah. "Ja. Am Nachmittag."<br /><br />"Super!" Dann verschwand er am Ausgang.<b><a name="c"></a></b></span> </div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-33782056145159550482007-05-21T11:00:00.000+02:002007-05-21T11:02:16.328+02:00BIS DIE SONNE ERWACHT UND DAS LEBEN ERLISCHT (3/10)<div style="text-align: center;"><b style="font-style: italic;">Das Erwachen im Herzen der Nacht</b><br /></div><br /><br /><div style="text-align: justify;"><span style="font-size:85%;"><span style="font-family: verdana;">Grau auf grau, schwarz in schwarz und dazwischen das Leuchten der Hoffnung. Die Nacht fing mich ein zwischen den Betongiganten und irgendwo dort draußen war das kleine Mädchen. Ich lauschte, doch nur Stille, die vom Wind zerstoben wurde, war die Antwort. Wo war sie hin? </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Meine Augen fanden nur ein dunkles Bild der Einsamkeit. Die Straßen waren leer, der Wind fegte über den Asphalt und die Wände der Häuser boten eine grausige Leinwand für verzerrte Schatten und Dunkelheit. Das Leuchten der Laternen schien im Nichts der Finsternis zu versinken. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">„Hey! Wo bist du?“, rief ich. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Keine Antwort. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Wieder der Gedanke: Wieso hatte sie mich sehen können? Was bedeutete das? Ich hatte nicht den blassesten Schimmer, aber klar war, dass ich sie finden musste, bevor es jemand oder etwas anderes tat! </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Im Rücken den Kirchturm erleuchtet vom Mondglühen, vor mir nur die Schatten dieser Welt, in der ich mich nun befand. Seit damals, seit ich geküsst wurde, das Blut mich verwandelt hatte vom Jäger zum Gejagten, hasste ich sie! Was wusste ich von dieser Welt, die nun meine Heimat bildete? Hatte ich mich doch nicht einmal in der Anderen, in der des Lichts, zu Recht gefunden. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Bald, dachte ich, würden sie erwachen, würden die Straßen unsicher machen und irgendwo dort im metropolen Gewirr des Molochs befand sich ein kleines Mädchen, das dem Tod zum ersten Mal begegnet war. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Ich hastete los, zwischen den grauen Riesen entlang, im Schatten der Dächer. Der Mond tünchte alles in farblose Blässe, warf Schatten an den Wänden und machte mich rasend, ob seiner Gleichgültigkeit. Die Schritte waren ein dumpfes Geklapper zum Trommeln meines Herzens, das, von böser Magie verzaubert, noch immer schlug! </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Hin und wieder, zwischen Laternen, deren Licht kalt über meine Gestalt spülte, hielt ich inne, lauschte und sah mich hastig um. Die Zeit rann uns davon! Wenige Minuten später hörte ich schon den aufkommenden Wind und ich wusste, dies bedeutete, dass die Gräber sich öffneten auf den Friedhöfen, dass die Vampire erwachten. Die Zeit der Jagd begann! Es war ein seltsames Gefühl, doch wenn man zwischen ihnen weilt, einer von ihnen ist, spürst Du es! Den Jagdrausch, der durch die Lüfte schwebt, dich mit sich zieht und die Nacht in deinem Herzen blutig leuchten lässt. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Und so war es! Ich roch den Duft des Jagdfiebers, schweißig, blutig, dreckig und voller Kraft begann er mich zu umgarnen. Wie immer brachen mir die Muskeln aus, zuckten und es war wie ein Aufbegehren des Monstrums in mir, dass mich verschluckt hatte, von dessen Bann ich noch mit unheiligem Leben erfüllt wurde. Ich versuchte auch dieses Mal, wie schon so viele Monde zuvor, dagegen zu kämpfen. Kontrolle, Disziplin und Hoffnung – ein Mantra, das mich von dem schied, was gerade überall erwachte. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Tiefer und tiefer hetzte ich in den Rachen des Asphaltmonstrums. Die Gassen wandten sich Hügel hinauf und herab und noch immer kein Laut, kein Atem, keine Spur von dem kleinen Mädchen. Ich begann laut vor mich hinzu beten, wilde Worte, die in ein zusammenhangloses Gebrabbel verschmolzen. Dann geschah es wieder, ich begann fast zu schweben, die Geschwindigkeit meiner Bewegung wurde ungleich schneller als die Zeit und ich befand mich zwischen dem Jetzt, meiner menschlichen Vergangenheit und der Zukunft, die für mich nur Dunkelheit verhieß. Ich sprang, im Flug wirbelte ich vom Wind wie eine Feder gegen die Wand gedrückt, an ihr entlang. Es war ein Glücksgefühl und es beschämte mich zutiefst. Wie ein kleiner Junge begann ich herum zu tollen, die Suche nach dem Mädchen geriet ins Hintertreffen, die Jagd schob sich in die Mitte meines Seins und der Durst erwachte in mir! </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Es war ein Tanz der Unendlichkeit, verloren im Schicksal eines Geächteten, einem Gefangenen der Nacht, begann ich einen Flick-Flack zu tanzen. Die unendliche Kraft durchströmte mich und es waren diese Glücksmomente, die so falsch sie auch sein mochten, mich davon abhielten meinem ungerechten Leben ein Ende zu setzen. Ich lebte in der Nacht, ich zog nach ihren Winden und dennoch, gehörte ich nicht dazu! Ich wusste es einfach, ich war ein Vampir, der herrenlos im Wirrwarr des blutigen Pfades, zwischen der Erinnerung an ein Menschenleben und der Verdammnis meiner Gegenwart hin und her wandelte. Ich kannte die Dunkelheit und dennoch fürchtete ich sie. Ich war stark genug, einen Feldzug zu beginnen, mich zu opfern und dennoch hasste ich es. Ich verabscheute die Menschen, weil ich selbst einer gewesen war, zu menschlich, um den richtigen Weg zu gehen. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Einst war ich ein Mann der Worte gewesen. Jeden Tag ein Pensum, Worte die mir nichts bedeuteten und in der Zeitung kleine Lückenfüller darstellten. Während die Nacht mich umschlang, begann ich mich, mit schwerem Herzen an die Zeit vor diesem Leben zu erinnern. Bittere Gedanken, Erinnerungen an die Nächte in meiner Kammer, tief gebeugt über das Notizbuch, umgeben von Zeitungsauschnitten, die an Wänden klebten und vom Wind, der durch das Fenster heran zog, zitterten. Das Haar tief ins Gesicht fallend, die Nase nahe am Stift und das Entsetzen in den Gliedern, als ich mehr und mehr, einer Spur folgte, die im Wirrwarr des Alltags ich zu erkennen glaubte. Da waren Morde, die nicht aufgeklärt worden, Menschen die verschwanden. Nichts Besonderes, mochte man denken, in einer Millionenstadt wie New York, aber dennoch, irgendwie glaubte ich nicht an Schicksal und es musste eine Erklärung geben. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Doch all das ging viel tiefer. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Ich huschte weiter durch die Nacht, zwischen den Betongiganten die Gassen entlang. Doch die Suche war zur Hetzjagd geworden. Plötzlich rauschte in meinem Kopf ein Meer aus Gefühlen, ein Gebräu aus Fragmenten der Vergangenheit und Gedanken an die Zukunft. Was wollte ich? Was war ich? Wo kam ich her? Mein Herz donnerte zu den wilden Schritten. All die Fragen, sie waren tief in mir vergraben, obschon die Antworten mich jede Nacht umgaben und ich mich nicht traute ihnen ins Gesicht zu blicken. Zu sehen, was ich bin, zu verstehen, was ich wollte. Das kleine Mädchen, es ließ mich erwachen aus einem Schlaf der Machtlosigkeit. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Ich hielt inne. Wo war sie? </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Ich lauschte. Nirgendwo konnte ich ihren Atem spüren! Nichtsdestotrotz war die Nacht ein pullsierendens Etwas geworden. Das Erwachen schien in vollem Gange zu sein. Dort links von mir spürte ich einen Schatten, der die Wand eines Gebäudes hinauf wuselte. Lautlos und dennoch konnte ich diese Gier nach Blut spüren. Es traf mich wie ein Faustschlag, dass ich selbst Wände hinauf huschte, selbst jagte. Tage, Wochen, Monate? Wie lang ging all das schon? </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Ich rannte. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Der Wind wischte durch mein Gesicht, über die Narbe am Hals, kalt und gefühllos. Ich wollte wieder vergessen, schrie in die Nacht, heulte um Gnade, wollte dem wiederkehrenden Gedächtnis entfliehen. So viel war geschehen, so viel hatte sich geändert und ich hatte es einfach hingenommen! Ich war schon längst nicht mehr Jäger, sondern Gejagter, doch was blieb noch? </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Schließlich hielt ich wieder inne und dieses Mal hörte ich sie wimmern. Ich wusste, es konnte nur die kleine, verletzliche Seele sein, die von Leid und Trauer gefangen war. Ich flüsterte: “Keine Angst! Ich bin bei Dir!“ Für einen Augenblick verstummte sie. Aber die Trauer war zu groß. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Sie weinte. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">„Komm her…. Ich will … Dir nur helfen!“, flüsterte ich. Das Wimmern verklang und ich sah ihren Schatten im Licht der Laterne, die gegenüber von mir, die Gasse nur unzureichend erhellte und die Schatten bevorzugte. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Der Kraftrausch in mir nahm ein jehes Ende. Als der Schweiß mir über den Körper rann und das Hämmern zwischen den Augen begann, weinte ich. Ohne Tränen, still und verloren. Das kleine Mädchen kam ganz aus seinem Versteck, Schritt um Schritt näher und in ihren Augen sah ich zum ersten Mal in meinem Leben Verständnis. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Sie kam zu mir, nahm mich in den Arm, mich eine verlorene, jämmerliche Gestalt und dennoch, ich war dankbar. Zwischen Schmerzen und Trauer glomm ein kleines Flämmchen Hoffnung. Sie drückte mich fest an sich und ich spürte ihren heißen Atem an meinem Gesicht als sie flüsterte: „Weine nicht. Es ist noch nicht zu spät.“</span></span> <br /></div><br /><span style="font-style: italic;">[Fortsetzung folgt!!]</span>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-90452302985118818382007-05-21T10:58:00.000+02:002007-05-21T10:59:24.019+02:00BIS DIE SONNE ERWACHT UND DAS LEBEN ERLISCHT (2/10)<div style="text-align: center;"><span style="font-weight: bold; font-style: italic;">„Alles hat eine Bedeutung, selbst der Tod“</span><br /></div><br /><div style="text-align: justify; font-family: verdana;"><span style="font-size:85%;">Die Stufen waren zu groß für sie. Ich hob sie hoch und versuchte ihr ein Lächeln zu schenken, während das silberne Glühen des Mondes unsere Gesichter küsste. Der Wind umspielte uns, wisperte unverständliche Worte und mir wurde klar, dass ich diese Welt nicht verlieren wollte.<br /><br />Zwölf Stufen, meine Erinnerung täuschte mich nicht! Lang, lang war es her, so schien es, doch Zeit bedeutete nichts mehr für mich. Sie war mir fremd geworden. Die Kleine schmiegte sich an mich und es war ein seltsames Gefühl ihre Wärme zu spüren. Hatte sie denn keine Angst?<br /><br />Ich stockte. <br /><br />Wieso sah sie mich? Wieso dieses kleinen Mädchen, warum diese unverbrauchte Seele von Tausenden? Ich verstand nicht und Unsicherheit erfasste mein Herz. In ihren Augen war keine Antwort zu finden, sondern nur Fragen.<br /><br />„Deine Mutter...“, begann ich. In ihren Augen sah ich noch die Tränen trocknen, aber dort schimmerte auch das Verlangen darüber zu sprechen. Reden war etwas, in dem ich nie gut gewesen war. Ich erinnerte mich an die Kellnerin und daran wie ich nur gehofft hatte, sie möge mich allein lassen. Damals hatte ich nicht verstanden, wie wichtig es war, ein fremdes Leben kennen zu lernen. Zu jener Zeit zählte nur die Jagd.<br /><br />„Wo wolltet ihr hin?“, fragte ich und setzte sie ab. Wir hockten uns auf die vorletzte Stufe. Sie hatte die Arme um ihre angewinkelten Beine geschlossen, schien sich daran fest zu halten.<br /><br />„Einfach weg...“, erklärte sie. <br /><br />„Kein spezielles Ziel? Zur Oma, in den Urlaub, irgend so was?“, hakte ich nach. Innerlich erschrak ich vor mir selbst. Was hatte ich für eine Entschuldigung, in den Gefühlen eines Kindes zu wühlen, das wohl gerade den Tod seiner Mutter erlebt hatte.<br /><br />Wieder der Griff zur Zigarette. Alte Gewohnheiten, denen man sich nicht entziehen kann.<br /><br />Als ich langsam den Rauch heraus spie, meinte sie zaghaft:“ Und Du? Wo willst Du hin?“<br /><br />„Einfach weg...“, erwiderte ich wie von selbst.<br /><br />Sie sah die Stufen hinab und sagte nichts. Was wohl in ihren Kopf vor sich ging? Der Schauplatz des Unfalls war schon längst verschwunden. Man hatte die beiden Fahrzeuge wohl abgeschleppt. Wieso sollte man ein kleines Kind einfach vergessen? Kümmerte sich denn niemand um sie?<br /><br />„Bist du weggelaufen?“, mutmaßte ich.<br /><br />Nach einer Weile, in der nur der Wind durch die Nacht sich schob: Ein Nicken.<br /><br />„Wieso?“ <br /><br />Keine Antwort. <br /><br />Ich legte meinen Arm um ihren Hals und drückte sie an mich. Dann saßen wir einfach dort, vergessen und warteten bis der Andere was sagen würde.<br /><br />„Was ist der Sinn?“, fragte sie plötzlich.<br /><br />„Hmm?“ Ich verstand nicht. <br /><br />Ihr großen Augen, schwarze, große Monde, an den Rändern das Glitzern der Tränen, sagte sie: „Was ist der Sinn des Todes?“ <br /><br />Ich wusste nichts zu sagen. Ich wusste ja nicht einmal, wie ich ihr klar machen sollte, dass ich ihr nicht helfen konnte. <br /><br />„Bitte...“, flehte sie, als wieder nur Stille zwischen uns war.<br /><br />„Aber alles hat eine Bedeutung!“, schrie sie, sprang auf und stierte mich an. Der Wind begann wieder mit ihren Haaren zu spielen und von allen Seiten schien sich die Dunkelheit näher heran zu schleichen. Die Stadt war eingeschlafen.<br /><br />„Ich weiß es nicht....“, antwortete ich lustlos und warf den Zigarettenstummel im weiten Bogen weg. Ihre Augen blieben an mir haften, die Antwort sollte ich ihr nicht schuldig bleiben!<br /><br />„Aber Mutter meinte immer: Alles hat eine Bedeutung!“ Gute Frau, dachte ich, warum hast du deinem Kind nicht die Wahrheit gesagt?<br /><br />„Sogar der Tod“, setzte sie nach. <br /><br />In ihren Augen glommen Hoffnung und Trauer. Warum lügen wir uns immer vor, dass alles einen Sinn hat. In diesem Leben und in anderen, gibt es so viele kleine und große Dinge, die keinen Sinn machen! Macht es Sinn, einfach von heute auf morgen jemanden zu verlieren, der kämpfte, nicht für sich, sondern um Dir ein Lächeln zu schenken?<br /><br />„Ich kann es dir nicht sagen, Kleines! Ich habe zu viel gesehen, um zu verstehen, zu viel drüber nachgedacht um dir die Antwort zu geben, die du suchst.“<br /><br />Sie stampfte mit dem Fuß auf, warf ihren Kopf zurück und begann davon zu rennen.<br /><br />„So ein Mist!“, fluchte ich. Augenblicke später hatte sie die Dunkelheit verschluckt.<br /><br />Ich nahm zwei Stufen auf einmal, die Straße entlang. Überall gähnende Leere. Der Wind in meinem Nacken, wie eine kalte Hand. <br /><br />Wo war sie hin? <br /><br />„Hey!“, schrie ich. „Halt, bleib hier ... Kleines!“ <br /><br />Ich wusste nicht mal ihren Namen.<br /><br />Ich blickte nach links: Eine Wand aus Finsternis. Rechts: Nichts zu finden! Mist! Wohin? Entscheidungen, immer wieder in unserem verdammten Leben. Wenn es die falsche Richtung war, war sie wohl verloren. Was ahnte sie, welch Gestalten in dieser Nacht ihr Unwesen trieben? Sie sollte nicht wie ihre Mutter enden. Nicht jetzt, nicht heute!<br /><br />Ich stolperte die Straße hinunter, an den dunklen Fenstern der geisterhaften Gebäude vorbei, den Mond und die Kirche im Rücken. Schließlich hielt ich inne, lauschte: Nichts, doch dann... Da war etwas. Ein Schluchzen. </span> </div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-14759281071233029752007-05-21T10:47:00.000+02:002007-05-21T10:56:59.110+02:00BIS DIE SONNE ERWACHT UND DAS LEBEN ERLISCHT (1/10)<div style="text-align: center;"><span style="font-style: italic; font-weight: bold;font-family:times new roman;" ><span style="font-family:georgia;">Erinnerungen und das kleine Mädchen</span> </span><br /></div><br /><div style="text-align: justify;font-family:verdana;"><span style="font-size:85%;"><span style="font-size:85%;">Nacht, Schatten und Finsternis ist alles das ich kenne, seit Monaten, Jahren... seit unendlichen Tagen, die jedoch nicht mehr sind als Nächte der Suche und der Jagd, nachdem was man mir nahm, an jenem Tag. Erinnerungen sind mir geblieben, Fragmente eines gelebten Lebens, dass niemals dem gleichen würde, dass noch vor mir lag. Wenn ich die Augen schloss erwartete mich Finsternis und wie sehr dürstete es mich nach Sonnenlicht? Gab es dort draußen irgendjemanden, der wie ich verstand, was aus der Welt geworden war? Jemand der die Gefahr kannte, der versuchte sich ihr entgegen zu stellen?<br /><br />Meine Augen jedoch erkannten nur den täglichen Wahnsinn. Geschäftiges Treiben auf den Straßen. Da war ein Unfall... Keiner sah, wie das kleine Kind dort stand und weinte. Der Mann zu meiner rechten würde morgen wahrscheinlich an einem Herzschlag sterben und dennoch mochte das Niemanden dazu bringen, ihm ein nettes Wort zu sagen. Aber was fiel mir ein, über so etwas zu richten, hatte ich doch selbst all dies als Gefühlsduselei abgetan!<br /><br />Die Geschäfte schlossen bald, es war schon kurz vor Mitternacht und dennoch, niemand schien mich zu bemerken. Ich war wie ein Schatten der an den Leuten vorbei huschte, belanglos ohne Substanz und verloren.<br /><br />Wie sehr sehnte ich mich nach einem Lächeln! Nach etwas Liebe, nach Hoffnung in einer Welt die sich gegen mich verschworen hatte. Welch Narr war ich gewesen! Damals hatte ich diese Gefühle gehasst, schien mich nur für mein Notizbuch und meine grausigen Funde zu interessieren! Ich war der Betrogene, der sich selbst genommen hatte, was es Wert war zu leben! Ich hatte mich überschätzt, war in meine eigene Falle getappt!<br /><br />Blut, überall Blut, seit Tagen. Es war in meinen Gedanken, im Fernsehen, auf den Websites der großen Newsagenturen. Die Zeit lief ab, das war klar. Das Zeitalter des Menschen verrann wie Sand, der zwischen den Fingern sickert. Was sollte ich tun? Ich war nun einer von den Jägern und auch mich quälte dieser Durst, dieses Verlangen nach Blut...<br /><br />So wanderte ich also auch in jener Nacht die Straßen entlang, vorbei an dem kleinen Restaurant, an dem Bogenfenster, wo ich hinaus geblickt hatte. Der Kirchturm glomm im fahlen Licht des Mondes, die Straßen waren voller Gesichter, voller Menschen und dennoch niemand sah mich, nahm mich wahr. Ich war allein in einer Millionenstadt.<br /><br />Schließlich, als ich eine Zigarette aus meiner schwarzen Jackettasche fischte, sie anzündete und den ersten Zug nahm, erinnerte ich mich an eine Zeile in meinem Notizbuch. Es war ein Gedicht gewesen, zumindest glaube ich das. Ein Fragment: We will never die, until we touch the burning sun, we can never say, how it all begun. Time is short, Life is Death, when we reach for the burning sun…<br /><br />Mir kam wieder der Gedanke. Ich wollte nicht mehr sein, ich wollte scheiden von dieser Welt, in der man nichts mehr sieht. Ich hatte genug, meine Jagt war zu Ende, ohne Erfolg und es gab nichts, was mich hier hielt. Vielleicht noch ein paar Jahre, dann war eh alles zu Ende.<br /><br />Meine Augen verfingen sich an den Zeigern der goldenen Uhr am Kirchturm. Damals war es nicht mal fünf Uhr, als mein Leben dem Ende nahe gewesen war, als ich eine Chance hatte und sie vertat. Warum hatte ich nicht das getan warum ich gekommen war? Angst? Ja, wohl wahr.<br /><br />Mein Notizbuch ... Immer wieder dachte ich an die vielen Nächte in meinem kleinen Zimmer, das sanfte Ritzen des Füllfederhalters, als die Tinte über das Papier huschte, als Worte zu Sätzen sich verbanden und das Grauen auf Papier gebannt wurde.<br /><br />Ich nahm einen neuen Zug an der Zigarette, auch wenn sie nach nichts schmeckte, dass irgendwelche Erinnerungen in sich trug. Zeit war bedeutungslos geworden und dennoch, immer wieder starrte ich hinauf zum Kirchturm. Dort in der Kirche lag das Geheimnis begraben. Es war das Zentrum meiner Jagd gewesen, aber ich hatte einfach nicht den Mut gehabt! Dort drinnen mochte die göttliche Hölle des Wahnsinns sich an dem Vergessen der Menschen ergötzen. Bilder würde es dort geben! Bilder des Grauen, gezeichnet von blutigen Händen, begehrt von kreischenden Schreien. Macht die sich entfaltete und stärker wurde.<br /><br />Aber nun, was hielt mich davon ab, dort hinein zu gehen? Ich war jetzt einer von Ihnen. Vom Jäger zum Gejagten, wie klassisch. Ich grunzte ein müdes Lachen und warf den Zigarettenstummel weg. Wie lang ich dort sinnend verhielt, verloren in einer Welt, die nicht mehr lang existierte, weiß ich nicht, aber es war ruhig geworden. Hier und da noch jemand unterwegs. Egal, sie sahen mich nicht, sie sahen nur sich. Warum war es der Menschheit nicht erlaubt sich selbst zu sehen? War es ein dunkles Geheimnis, oder einfach nur Ignoranz von Tausenden, die sich selbst mehr verachteten, als das Verachtungswürdige?<br /><br />Ich wollte gerade einfach zur Kirche, die Treppen hinauf, hinein in den Wahnsinn, als eine zaghafte Stimme mich überraschte: „Ich .... hab ... mich ver- laufen“ Zwischen den Worten das Schluchzen und ich wusste, wenn ich mich zu ihr umwandte, wäre das kleine Mädchen verloren! Es war nicht recht, ihr zu nehmen, was noch vor ihr lag! Es war nicht der Sinn von Kindern, so früh von der Welt zu gehen, in der sie noch nicht mal ein Zehntel ihres Lebens verbracht hatten. Dennoch, ich drehte mich um.<br /><br />Dort stand sie. Die Augen groß, den Finger im Mund und Tränen im Gesicht. Es war das Mädchen von vorhin, ihre Mutter entweder tot oder auf dem Weg dorthin. Ich nickte einfach und sagte dann: „Lauf fort Kleines.“ Es war kein Befehl, es war mehr ein Flehen. Aber sie stand dort stockstill, nur die Tränen flossen.<br /><br />Ich strich ihr durchs Haar, langsam und im gleichen Augenblick donnerte das Glockenspiel der Kirche. Es war der grausige Gesang der Mitternachtsmelodie. Das kleine Mädchen umkrampfte mein Bein und ich spürte ihr Schütteln.<br /><br />„Ich will zu meiner Mutter!“, schrie sie, als das Glockenspiel verhallte und der Wind über den Asphalt strich, Blätter in die Luft wirbelte und Erinnerungen an jenen Tag herauf beschwor. Oktober, kalte Winde, heiße Suppe, Lächeln, eine Frau, die Kellnerin die versuchte nett zu sein und dann Blut! Das Blut an ihren Fingern. Im nächsten Augenblick krachte ihr Gesicht gegen das Fenster...<br /><br />„Nein!“, schrie ich und die Kleine sah auf zu mir.<br /><br />„Nein?“<br /><br />„Ich meine... Dort wo Deine Mutter ist, kannst Du nicht hin. Noch nicht...“, versuchte ich. Was wusste ich denn davon? Ich hatte ein paar Geschichten geschrieben, nichts Besonderes und das alles war vor der Entdeckung gewesen, dass in dieser Welt Vampire die Herrschaft übernahmen!<br /><br />Mehr Tränen, Trauer und Verlust, die dort in dem kleinen Kind sich austobten.<br /><br />„Warum?“ Sie wollte es verstehen und was konnte ich ihr sagen? Ich wusste es doch selbst nicht. Ich hatte nie jemanden geliebt, war einsam gewesen und dann als ich von dieser Welt in die der Finsternis gerissen wurde, hatte ich erst Recht keine Chance mehr, nur irgendwie Liebe zu finden.<br /><br />„Komm.“, meinte ich. Ihre kleine Hand verschwand in meiner geschundenen, wo die Glassplitter Narben hinterlassen hatten.<br /><br />Wir schritten die Stufen zur Kirche hinauf. Die Tore so mächtig und erhaben, deren Schatten sich über uns legte, waren verschlossen. Es gab dennoch keine andere Chance, ich wusste nicht, was ich wollte, ich wusste es nie und jetzt, da ich dieses kleine Mädchen an meiner Seite hatte, war mir klar, ein letzter Versuch gegen die dunkle Macht anzukämpfen, war alles das mir blieb.<br /><br /><br /></span><br /></span> </div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-31400262547537463662007-05-20T02:54:00.003+02:002007-05-20T02:55:55.132+02:00WOHIN DIE NACHT DICH FÜHRT (Folge 4/10)<div style="text-align: center;"><b style="font-style: italic;">Wenn die Nacht stirbt</b><span style="font-style: italic;"> </span><br /></div><br /><div style="text-align: justify; font-family: verdana;"><span style="font-size:85%;">„David..“ Mein Name, der mich aus der Dunkelheit zurück ins Land der Schmerzen zog. Immer wieder. Es gab kein Vergessen, kein Ruhen. Ich hatte mich entschieden und nun ging es immer weiter, ob ich wollte oder nicht. Mein Körper war geschunden, die Erinnerung ein Nebel, der mich ersticken ließ. Ich hatte genug Angst gekostet, ich wollte nicht mehr.<br /><br />Ich warf den Kopf hin und her. „Nein, nein, NEIN!“<br /><br />Doch der Fremde gab nicht auf. „David… Wir müssen weiter. Die Zeit, sie läuft uns davon. <i>Komm zurück!</i>“<br /><br />Ich wollte die Augen nicht öffnen, doch es geschah auch so. Zuerst sah ich die Kalkwand, das Blut war noch immer nicht zu leugnen. Ich war noch immer in diesem Haus, dem Haus der Wahrheit.<br /><br />„Wenn die Nach stirbt, wird auch Sally verloren sein.“, hauchte er mir ins Ohr. Es war, als ob tausend Volt durch mich zuckten. Die Augen schmerzten, die Ohren waren erfüllt von Schmerzensschreien, die Nase roch den Schweiß, das Blut…<br /><br />„Sally…“, stöhnte ich. Vor meinen Augen verschwamm die Welt und nach und nach wurde mir klar, ich war gefangen in einem Traum, bis ich erwachte. Ich spürte das Rütteln und als ich endlich wirklich die Augen aufriss, aus dem Nichts hinauf ins Jetzt tauchte, befand ich mich auf der Rückbank des Ford Mustangs. Dem Blutgeruch und der Angst wich der Lederduft. Das Schreien in meinen Ohren verklang, wurde vom sanften Gitarrensound aufgesogen. Ich atmete langsam. Als ich an mir herunter sah, das zerfetzte T-Shirt erblickte, ließ ich den Kopf nach hinten fallen und schrie.<br /><br />Auf dem Fahrersitz hatte sich der Fremde nach hinten gebeugt und lächelte. „Ich denke du bist wieder da.“ Sein Lächeln wirkte unsicher. Auch wenn ich nicht im Geringsten irgendetwas in mir spürte, die Leere mich fast auffraß, versuchte ich zu nicken.<br /><br />Der Motor röhrte los.<br /><br />In meinem Gehirn spukten die Geister der vergangenen Nacht. Die Welt war in Grautöne getaucht. Die Nacht begann zu verblassen. <br /><br />„Wie …“ Ich hustete. „Wie lange noch?“<br /><br />„Ich beeile mich!“, sagte er nur. Das Raunen des Motors wurde bulliger. Er gab ordentlich Gas.<br /><br />Ich stützte mich auf, versuchte aus dem Fenster zu blicken. Der Wind hatte die Wolken zerrissen, das Schwarz der Nacht ausgeblichen. Der Morgen würde bald die Welt in Rot tauchen. Ich setzte mich auf, fuhr verschlafen durch mein Haar. Die Schmerzen von der Brust, wo die Narben mich nicht vergessen ließen, dass die Erfahrung im haus Wirklichkeit gewesen war, machten das Atmen und denken zur Qual. Aber Sally brauchte mich.<br /><br />„Wohin fahren wir?“, fragte ich nach einer Weile. <br /><br />Er sagt nichts, konzentrierte sich nur auf die Straße, obwohl es da nicht viel gab, worauf man achten musste. Ein langes, graues Band, das durch die Welt schnitt. Die Welt war so einsam. Wir alle hatten uns voneinander entfernt, wir alle verloren einander. Ich spürte die Tränen auf meinen Wangen, aber ich hatte nicht den Mut, sie wegzuwischen. Vielleicht konnte ich so endlich verstehen, was ich tat.<br /><br />„Es gibt ein Hotel. Besser gesagt, es war eins. Dort werden wir sie finden. Dort hat alles angefangen.“ <br /><br />Ich verstand nicht. „Angefangen?“<br /><br />„Glaubst du denn, David, sie war schon immer einer von der dunklen Seite?“<br /><br />Ich musste darüber nachdenken. Ich wusste nicht, was ich überhaupt von Sally dachte. Ich hatte sie geliebt, das hatte nichts mit Denken zu tun, das war in mir, da konnte ich nicht wählen oder drüber entscheiden. Es geschah, so wie ich jetzt in diesem Auto saß, weil ich sie retten wollte. Es gab keine Wahl, alles passierte einfach.<br /><br />„Ich weiß nicht…“, sagte ich.<br /><br />So starrten wir hinaus auf den Highway. Die Welt erwachte aus der Dunkelheit. Ich konnte es spüren. In mir regte sich der Wunsch zu erwachen, aber war das nicht schon mein ganzes Leben lang so gewesen? War dies nicht der Grund, warum ich mich in Sally verleibt hatte, dort in der Nacht, als sie vor mir lag, die Scheinwerfer im Gesicht und ich in ihren Opalaugen versank?<br /><br />„Du weißt meinen Namen, aber ich-„<br /><br />„Dawn. Man nennt mich Dawn.“ Er suchte mich im Rückspiegel, lächelte und wieder war ich mir nicht sicher, was dieses Lächeln bedeutete. Mitleid? Freude? Angst, die sich als ein Lächeln verkleidete? Der Name schon allein mochte eine Lüge sein, vielleicht war das alles hier nur ein verrücktes Spiel?<br /><br />„Erzähl mir von Sally. Von deiner Schwester. Wieso ist sie das geworden…“ Ich suchte nach Worten, „So ein Biest?“ Für den Bruchteil einer Sekunde, sah ich sie wieder auf der Theke, die Definition aus Lust, Tod und Sünde.<br /><br />Er lachte. „Willst du das wirklich wissen?“<br />„Ja!“ Was sollte dieses Spiel? Ich beugte mich vor, und sah ihn fragend an.<br /><br />Er beschleunigte mehr und mehr. Er lächelte, er sagt nichts mehr. Die schwindende Nacht mochte ihn antreiben oder er war wütend auf mich. Es kümmerte mich nicht. „Ich will es wissen, verdammt noch mal. Ich will sie retten, aber ich verstehe gar nichts. Was war in diesem Haus? Warst Du das? Was geschieht mit mir, was wird aus uns?“ Wen meinte ich mit uns? Die Menschen, oder mich und Sally?<br /><br />Er schaltete höher. „Lass mich dir was zeigen, dann gibt’s auch Antworten.“<br /><br />Der Motor dröhnte, Kraft und Geschwindigkeit verbanden sich. Dawn drehte die Musik lauter. Ich erkannte es und musste lächeln. Highway to Hell, alte Zeiten, Freiheit. Aber irgendwie war mir nicht nach Raserei auf dem Highway zu Mute. Ich wollte Antworten, jetzt!<br /><br />„Verdammt!“, fluchte ich und schlug auf den Sitz. Immer wieder. Ich rastete richtig aus. Es änderte nichts. Wir donnerten den Highway entlang, flohen vor dem kommenden Morgen.<br /><br />Später kletterte ich nach vorn, auf den Beifahrersitz. Ich stierte hinaus. Es gab keine Worte zwischen uns. Ich wartete, gab ihm Zeit, sein Versprechen einzulösen.<br /><br />Schließlich wurde die Einöde unerträglich und ich schlief ein. Vielleicht hatte er darauf gewartet. Es war ein ruhiger Schlaf, Dunkelheit, Wärme und das Gefühl ich selbst zu sein, ließen mich diese Zeit genießen. Nach und nach wurde ich mir bewusst, dass es kein echter Schlaf war. Es war zu realistisch. Die Dunkelheit fast fassbar, als sei sie ein großes Leinentuch auf meinem Gesicht. Schwarz, wie aus einem Sarg. Ich spürte die Wärme dort, wo mein Herz schlug, Plötzlich umhüllte mich feiner Rosenduft. Es war nicht synthetisch wie ein Parfüm, es war so was wie Liebe, wie die reine Lebenslust.<br /><br />„Wenn die Nacht stirbt“, holte er mich aus dem seltsamen Schlaf zurück, „stirbt auch Sally.“<br /><br />Eine halbe Stunde später erreichten wir das Hotel. <br /></span> </div> <br /><br /><b><i>Fortsetzung folgt: HELL'S KITCHEN</i></b>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-36850482035181816632007-05-20T02:54:00.001+02:002007-05-20T02:54:52.096+02:00WOHIN DIE NACHT DICH FÜHRT (Folge 3/10)<div style="text-align: center;"><b style="font-style: italic;">Das Jetzt und das Nichts</b><span style="font-style: italic;"> </span><br /></div><br /><br /><div style="text-align: justify;"><span style="font-size:85%;"><span style="font-family: verdana;">Es war wie ein Traum, das Erwachen, tief im Herzen dieses Hauses. Die Wände, die meine Augen fanden, waren kahl und blutbeschmiert. Worte die ich nicht ausmachen konnte, die Buchstaben zu verzerrt, aber ich spürte die Wut, den Wahnsinn. Ich lauschte nach den Stimmen, nach jenem Klagelied, aber da war nichts, nur Stille, abgesehen von meinem eigenen Atem. Es war ein leeres Zimmer, nur das Bett, in dem ich lag. Keine Fenster. Auf dem Holznachttisch brannte eine Kerze, und dennoch konnte das wenige Licht nicht mehr für mich bedeuten, als ein kleiner Funken Hoffnung. Wer auch immer dieser Fremde war, dieses Haus, zu dem er mich geführt hatte, es machte mich krank, nahm mir die Sinne, schüchterte mich ein und ließ mich jeglichen Glauben verlieren, den ich noch irgendwo in mir besaß. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Doch um was trauerte ich da? Hatte ich nicht erst vor kurzem mit dem Leben abgeschlossen und nun war ich hier? Die Worte an den Wänden, das Leid dort auf weißen Kalk gespritzt, immer wieder zog es meine Blicke an. Ich konnte das Wort Hass ausmachen, oder war das nur eine Täuschung? Vielleicht bedeutete es auch „Sterben ist der letzte Wunsch. Hass ist der Anfang, mein Leben ist verloren, alles ist Jetzt und das Nichts folgt mir in meine Träume.“ Ich hatte diese Gedanken laut gekrächzt und mit einem Mal, sprang ich vom Bett. Ich war nackt, stand dort in dem Zimmer, die kalten Holzdielen unter meinen Füßen. Aber die Wut, geschürt von nahenden Erinnerungen machte mich wild. Ich lehnte an der Wand, starrte auf diese Blutgebildete und stotterte vor mich hin: „Zuerst hab’ ich sie geliebt. Dann jedoch, als ich entdeckte was sie war, habe ich sie gejagt. Ja ich wollte sie töten, wollte mit dem Revolver, den silbernen Kugeln sie von jener Gier nach Blut befreien.“ Ich rang nach Atmen, zu erschreckt von der Wahrheit. „Ich habe sie geliebt.“ </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Das war der Moment wo plötzlich sich alles zu drehen schien, als die Kerze verlosch, plötzlich Augen vor den Meinen waren. Etwas mit mir in dem Raum sich drehte, fauchte, nach mir griff, an meiner Haut riss, mich auf das Bett warf und ein tiefes Grauen mir durch die Glieder schoss. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Im Jetzt: Ich sah mich dort draußen im Auto sitzen und reden mit einem Fremden über die Frau die ich liebte. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Im Nichts: </span><i style="font-family: verdana;">Tausend Fragen und Lügen, die mein Leben nach dem Mord bestimmten. </i><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Wieder im Jetzt, das Monster über mir, der heiße Atem, der mir entgegen kam, roch nach Blut, Lust und Verderben. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">„Sie hat Dich geliebt, sie hat es wirklich!“ </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Der Fremde? War ich mit diesem Fremden hier im Zimmer, war dieses Ding der Kerl mit dem Ford Mustang. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Aus dem Nichts: </span><i style="font-family: verdana;">Zwei Schüsse, der Revolver in meinen Händen, als die Kugel Sally traf, ihr Blick mich ausmachte. Hatte ich vorher noch am Fenster ihrer Lust gefrönt, von ihrer Macht betäubt, von ihrer tödlichen Schönheit entsetzt, stand ich nun wenige Schritte von ihr entfernt, hatte auf sie geschossen. Doch nur das Tier in ihr erwachen lassen! </i><br /><br /><span style="font-family: verdana;">„Du hast sie nicht getötet! Du hast sie zu einer ruhelosen Seele gemacht!“ Dieses Mal war es kaum eine Stimme, sondern ein donnernder Wind. Ich spürte, etwas Entsetzliches war direkt vor mir. Wut brodelte mir entgegen, die Worte waren wie ein Peitschenhieb. Dann die Krallen an meinem Körper, bis Blut floss und ich wimmerte. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Im Jetzt brach ich auf dem Bett zusammen. Was auch immer hier mit mir geschah, ich war in ein unheiliges Ritual verwickelt. Ich wimmerte, während das Blut aus den Wunden quoll. Aber das Ding, es war fort. Die Fragen und der Schmerz blieben… </span></span> <br /></div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-59714012615279003492007-05-20T02:52:00.001+02:002007-05-20T02:53:27.349+02:00WOHIN DIE NACHT DICH FÜHRT (Folge 2/10)<div style="text-align: center;"><span style="font-style: italic; font-weight: bold;">Das Haus der Wahrheit </span><br /></div><br /><br /><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: verdana;font-size:85%;" >Irgendwann musste ich eingenickt sein, denn als ich die Augen öffnete war ich allein in dem roten Ford. Die Musik war ebenfalls verschwunden und da war nur das Säuseln des Windes von draußen, der flüsterte und seine wehleidige Melodie ertönen ließ. Draußen warf eine Laterne fahles Licht, ließ Schatten über die Motorhaube kriechen und ich konnte das Haus, vom Licht geblendet, nur schemenhaft ausmachen. Bis auf das Licht am oberen Fenster, schien es ein dunkles, schwarzes Gemäuer zu sein. Ich stieß die Tür auf und stieg aus. Der Wind war nun nicht mehr lau, sondern packte an meinen Haaren mit wütender Kraft. Die Nacht hatte sich in ein heulendes Schattenmeer verwandelt. Kiessteine tanzten auf dem Asphalt des Highways, irgendwo kratzte eine Bierdose oder etwas Ähnliches über den Beton. Ich wollte am liebsten einfach eine Zigarette anstecken, oder auf der Fahrerseite hinter das Lenkrad springen und davonrasen. Denn aus dem Haus hörte ich mit einem Mal diese Schreie. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;font-size:85%;" >Jedoch dieser Fremde, wo war er? Ich konnte nicht eher hier verschwinden, bis ich nicht wusste, was mit ihm geschah. Wenn er dort in diesem Haus schrie, dann war es an mir, ihm zu helfen. Er hatte mich vor dem Tod bewahrt und er war der Einzige, der mich verstand, der zu wissen schien, wie diese Welt sich verändert hatte, wie mein Leben anders geworden war mit jedem Tag, jeder Nacht. Er hatte mich nicht verurteilt, sondern verstanden. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;font-size:85%;" >Ein unsicherer Blick folgte dem nächsten. Ich versuchte ein klareres Bild dieses Hauses zu kriegen, aber es war ein düsteres Gebilde voller Schatten und wirkte alt, verrottet. Als die Laterne in meinem Rücken war und die Schatten mir vorauseilten, konnte ich nur eines sicher sagen. Dieses Haus war ein unheiliger Platz. Was dort drinnen passierte, wollte ich nicht wissen und dennoch, die Verantwortung, die ich nicht abschütteln konnte, ließ mich auf die Tür zuschreiten. Die Schreie verwoben sich mit dem Heulen des Windes. Ein Klagelied dieser verlorenen Welt. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;font-size:85%;" >Die Tür, ein schwarzer Rahmen, war verschlossen. Der blecherne Türknauf ließ sich nicht bewegen und so hämmerte ich gegen das Holz, aber es half nichts. Ich trat einige Schritte zurück und sah zum Fenster hinauf, wo noch immer Licht glomm. Die Stimmen und der Wind umtanzten mich und dann merkte ich, tief in mir regte sich die Erinnerung an Sally, an ihre weinroten Lippen, an die schwarzen Augen, diese Opale der Nacht und an ihre Stimme, die mich damals so faszinierte. In jener Nacht, als sie unter mir lag und wir einander Liebesworte zuflüsterten, hatte ich eine andere Welt erhofft. Nicht diese vom Wind geschundene Welt des Hasses der Menschen und jetzt, was war ich jetzt? Einer von ihnen, oder gehörte ich schon zu dieser anderen Seite der Welt, der dunklen, der blutigen, die den Menschen Angst einflößte? Was war aus mir geworden? </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;font-size:85%;" >In dieser einen Nacht war unser Mädchen entstanden, das war sicher. Doch es folgten noch viele andere Nächte, später, als ich entdeckte, Sally war nicht an meiner Seite, sie war dort draußen in der Finsternis, allein. Anfangs hatte ich es einfach geschehen lassen, nichts gesagt, nichts dabei gedacht. Ich wusste ja, die Anderem aus dem Dorf nannten sie eine Hexe, sagten Dinge hinter vorgehaltener Hand und warfen uns, wenn wir zusammen die Straße entlang gingen, hasserfüllte Blicke zu. Zuerst dachte ich, es war eben für diese Dörfler nicht zu verstehen, wie einer von ihnen solch eine Frau finden konnte. Aber da waren andere Sachen im Spiel. Ich wusste nicht zu sagen woher Sally kam, hatte sie ja nur durch Zufall kennen gelernt, als sie aus dem Hotel gestürmt war, des Nachts, mir fast vor den Wagen sprang. Ich konnte mich wieder genau erinnern, ihre wehendes Haar, die weit aufgerissenen Augen in meinen Scheinwerfern und das Kreischen, als die Bremsen über den Asphalt Gummi von den Rädern frästen. Ich sprang aus dem Wagen, sie war zu Boden gegangen, lag dort und weinte. Ich hatte nicht gewusst warum, aber ich fühlte in diesem Augenblick ihre Trauer und als ich sie in den Arm nahm, geschah es ganz einfach, dass ich sie auf die Stirn küsste und versuchte sie zu beruhigen. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;font-size:85%;" >Jetzt jedoch spürte ich keine Trauer, sondern Wut. Ich hasste mich! In all den Jahren hatte ich nicht verstanden, was aus mir geworden war, als Sally nicht bei mir war, als ich im Gefängnis nachts gegen die kahle Wand meine Trauer kreischte und versuchte zu verstehen, was einfach nicht zu verstehen ist. Mein Leben war zersprungen wie ein Spiegel und jedes Mal wenn ich einen neuen Splitter davon fand, war ich entsetzt, was aus mir geworden war. Damals, als ich sie in den Armen hielt, hatte ich nicht wissen können, dass sie mein Schicksal war. Nun aber konnte ich es nicht leugnen. Wir hatten einander gebraucht. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;font-size:85%;" >Doch die Klagelaute ließen die Erinnerungen in einem wilden Regen zerfließen und ich stellte mich dem Jetzt. Ich suchte nach einem zweiten Eingang. Die Schatten waren tief, das alte Haus war zu den Seiten von Brombersträuchern umrankt und erinnerte mich ein wenig an Psycho. Der Kies unter meinen Schuhen knirschte wie tausend Glasscherben. Wie viele Steine mochte es brauchen, bis ich dieses Fenster dort oben in Scherben geschossen hatte? </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;font-size:85%;" >Ich hielt inne, als mir klar wurde, nicht der Wind heulte, er griff nur nach meinen Haaren, wie ein wilder Geist, sondern aus dem Haus kamen weder Schreie noch Stimmen, es waren seltsame Lieder, Melodien, so verrückt, dass ich nicht fähig war, ihnen länger zu folgen. Und dann geschah es, die Tür schlug im Wind, gegen den Türrahmen, wie ein riesiger fauler Zahn, der nur noch dank der verfaulten Wurzel im Gebiss sitzt. Ein weißes Licht glühte mich an und ich konnte nicht anders, als auf die Tür zuzugehen, die Arme vor dem Gesicht. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;font-size:85%;" >In meinem Hirn stürmten plötzlich tausend Geigen ein wildes Intermezzo aus Schreien, Instrumente deren Klang das Leid der Geschundenen symbolisierte, deren Musik durch mich pulsierte. Dann befand ich mich ganz im Weiß. Ein unsichtbares Etwas, dass mich umgab, mich verschluckte und ich hoffte, dies war nicht schlimmer als der Leichenzug, dem ich entkommen war. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;font-size:85%;" >Meine Augen schmerzten, überall nur diese heißen Strahlen, diese unglaubliche Wärme, die durch meine Glieder strömte, meine Adern scheinbar zersprengte und die Wut, die wie ein heißes Eisen brannte. Ich sah Gesichter, Erinnerungen mochten es gewesen sein, Schreie auf unzähligen Mündern, Blut zwischen den Lippen, Augen leblos, kalt und verloren, sah mich dort stehen im Nichts, den Revolver, ein silbernes Glitzern in meinen Händen und dann Stille, für den Augenblick, da die Kugel, dessen Mündungsfeuer die Erinnerung durch mein Bewusstsein schleuderte und aus der Erinnerung ein fürchterliches Jetzt, ein Bild der ungeschminkten Wahrheit wurde, die ich all die Jahre verdrängt hatte. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;font-size:85%;" ><i>Ein Schattenzimmer, tausend Staubflocken auf dem Boden, die Barstühle auf den Tischen und dort hinten an der Theke liegt die Frau mit den schwarzen Opalaugen, auf ihren Lippen das Blut, rot, feucht und voller Kraft. Ihr Stöhnen, laut, heiß, voller Lust und von heißer Lebensenergie berauscht. Die Brüste hohe Kuppeln, die Nippel rote Knospen in der Nacht. Zu ihren Füßen der leblose Körper, ein Mensch im Nadelstreifenanzug, leblos, weggeworfen, geleert und entwürdigt. Ich sehe all dies durch das Fenster, während die Kälte zu meinem Herz vordringt, und in mir die Liebe erstarrt, das Entsetzen um meine Fassung kämpft und ich fast zusammenbreche. In jener Nacht hatte ich Sallys andere Seite entdeckt. Was mich jedoch erschreckte, war die Macht, die dort in ihr wie eine Blume ihre Schönheit so berauschend, in so grellen, roten Farben zeichnete und das Leben als den Akt aus Tod und Liebe definierte. In diesen Augenblicken, als meine ungläubigen Augen all das dort betrachteten, verlor ich meinen Bezug zur Welt, entdeckte das wirkliche, aufstrebende Reich der Dunkelheit. Eine Welt voller Schatten und Blut, voller Lust und Unvernunft, ohne Regeln und erfüllt von Hass und Gewalt. Doch was unterschied dies von unserer Welt?</i> </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;font-size:85%;" >Plötzlich war das Heulen von tausend Seelen um mich, als das Weiß mich wieder in der Dunkelheit zurückließ. Ich zitterte, Speichel tropfte aus meinem Mund. Ich lag auf den kalten Holzdielen in einem Haus, irgendwo am Highway, während in meinem Herz die Angst pochte und die Erinnerung mir den Atem in ein hustendes Röcheln zerschnitt. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;font-size:85%;" >Schweiß hing mir auf der Stirn und der Schmerz war ein dumpfes Pochen, in den Gliedern. Starb ich hier, jetzt wo ich die Wahrheit wieder entdeckt hatte? Ich verstand nichts und dennoch, tief in mir, gab es ein unheiliges Königreich der verdrängten Erinnerungen, wo nun in dem Schloss all die Tore aufbrachen und Erinnerungen wie unruhige Geister die Gänge entlang huschten. </span> <br /></div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-76867694891868871272007-05-20T02:50:00.000+02:002007-05-20T02:52:08.691+02:00WOHIN DIE NACHT DICH FÜHRT (Folge 1/10)<div style="text-align: center;"><span style="font-style: italic; font-weight: bold;">Eine letzte Chance </span><br /></div><br /><br /><div style="text-align: justify; font-family: verdana;"><span style="font-size:85%;">Hier bin ich, mitten in der Nacht, direkt im Herzen der Machtlosigkeit einer Welt, die nach und nach, mit jedem Atemzug, im Chaos versinkt. Hier wandere ich den Highway entlang. Meist sieht mich niemand, warum auch, ich bin nur ein Wanderer, ein Verlorener, genau wie alle, die diesen Weg gehen. Während am Horizont die Wolken gleich einem Wolfsrudel die Nacht hetzen, kommt der Scheinwerfer aus dem schwarzen Nichts der Mitternacht. Er schneidet durch die Einsamkeit, wie ein Säbel, der sich in den Hals eines Samurais bohrt, im Kampf fällt er und dann stirbt er. Heute mochte es passieren. Es war Zeit zu gehen und ich hatte eh nichts mehr was mich hier noch hielt. Ich wusste jede Nacht kamen diesen Leichenwagen; ein schwarzer Laster, die Scheinwerfer heiße Raubtieraugen, die ihre Opfer fixierten. Heute würde ich auf diesen Totenkarren steigen. Es war Zeit zu gehen, ich konnte es nicht mehr weiter hinauszögern.<br /><br />Der aufkommende Windstoß blies mir seinen kalten Atem ins Gesicht, biss in meine Augen und machte mir klar, wie nah der Winter war. Das Donnern des Motors erfüllte mich für einen Moment, als er neben mir der Lastzug zum Stehen kam. Im Führerhaus herrschte genauso Dunkelheit, wie unter dem Fahrzeug. Niemand würde eine Tür aufstoßen, keiner mochte mich willkommenheißen, denn es war ein Geisterzug und diese letzte Reise trat man nicht so freiwillig an, wie man eigentlich glaubte.<br /><br />Doch ich hatte mich entschieden. Ich ging an der Seite des Hängers entlang. Er war schwarz, eintönig und unauffällig. Ich hatte auf meiner Reise viele solche Leichenzüge gesichtet. Sie frequentierten die Highways mit tödlicher Regelmäßigkeit und es erschreckte mich anfangs, dass Niemand scheinbar davon Notiz nahm. Aber das war auch noch vor all dem Krieg gewesen, der des Nachts in dieser Welt tobte. Ich hatte nicht gewusst, wie es um dieses Reich stand, in dem wir täglich unserem sinnlosen Alltag folgen, wie tausend Schäfchen, die von einer Weide zur anderen getrieben werden. Aber als ich dann vor einigen Jahren Zeuge dieser Schattenwelt wurde, hatte sich alles geändert.<br /><br />Das dumpfe Brummen des Motors im Leerlauf wirkte weder bedrohlich, noch gewöhnlich. Irgendwie konnte ich das Blut riechen, zwischen all den Ritzen, auf dem Metal und unter den Rädern. Denn, so hatte ich selbst gesehen, diese Laster waren tödliche Maschinen, die mit Flüchtlingen kurzen Prozess machten, sie überrollten, Todesschreie aus ihnen herauspressten, wenn sie gegen den heißen Kühlergrill geschmettert wurden und unter den Rädern den Tod fanden. Das kam vor. Es war der Lauf der Dinge und es gab immer wieder Menschen, die sich nicht an die Regeln hielten. Wenn Deine Zeit kam, musstest Du gehen. Daran konnte niemand etwas ändern und die Welt, sie war nicht mehr unter dem Schutz von Engeln oder Göttern. Nicht, dass ich dies je geglaubt hätte, aber so musste es gewesen sein. Wer sonst hatte diese Laster all die Jahrzehnte von den Highways ferngehalten? Es musste so was wie eine weiße Bewegung geben, die die Menschen vor den schwarzen Jägern schützten. Jedenfalls hatte mir das einer bei einem Bier mal berichtet, irgendwo in Texas an einer Raststätte, während die Sonne zum Fenster herein brannte.<br /><br />Es war ein stählerner Container und als ich direkt vor den Türen stand, wirkten sie so riesig, wie zwei große Mäuler. Ich vernahm ein Zischen und die Türen entsicherten sich. Dann war es an mir, hinaufzuklettern und in den Container zu steigen. Ich sah mich um. Hinter mir die Dunkelheit, der Wind kam jetzt von Westen und vor mir, diese Türen. Was wollte ich wirklich und warum ließ ich all das geschehen? Hatte ich denn nichts verstanden? Wusste ich nicht, dass dies die letzten Minuten in meinem Leben waren?<br /><br />Erinnerungen kamen zurück. Da war das Lächeln meiner Frau, als ich ihr sagte dass ich sie liebte. Im nächsten Augenblick jedoch, der Revolver in meinen Händen, der Abzug kalt am Finger und dann der Schuss; diese Wut tief in meinem Bauch. Da waren Spielschulden, verpasste Gelegenheiten, verhasste Menschen, die mich dort in dem kleinen Dorf einfach allein gelassen hatten. Meine Tochter, die mich nicht sehen wollte, die Steuerfahndung, das FBI, ein Leben am Abgrund, einfach nur, weil nichts so war, wie ich es mir erträumt hatte. Mein zu Hause war der Highway. Einen Landstreicher nannte man mich dort, anderswo einen Verbrecher. Aber in dieser Welt, jeder tut was er kann, ist das Leben nicht einfach nur eine gerade Straße ins Nirgendwo, es gibt unendlich viele Verzweigungen, doch ich selbst hatte immer wieder nur Sackgassen gefunden, alles verloren und dennoch nichts gelernt.<br /><br />Und doch, der Wind in meinen Haaren hieß Freiheit, die Tür vor mir bedeutete Dunkelheit und das Ende. Eine Stimme in mir erwachte, nicht zum ersten Mal, aber jetzt viel deutlicher: Kämpf! Als der Revolver diese eine Kugel ausspuckte und den Typen erwischte, der sich an meiner Frau verging in dem kleinen Cafe, war ich da ein Mörder oder Befreier? Sie sagte, sie liebte mich und vor dem Richter hieß es, dies wäre die Tat eines eifersüchtigen Mannes, dessen Hass ihn nicht benebelt, sondern eben dazu befähigt hatte, einem Menschen das Leben zu nehmen, der seine Steuern zahlte, der in der Army gedient hatte und ein ehrlicher Amerikaner war. Ich war der Mörder, aber dass dieser Kerl Sally geschlagen hatte, daran war wohl auch ich schuld? Irgendwo vielleicht schon, gestand ich mir in diesem Moment ein, als die Bremslichter kurz flackerten. Ich hätte sie nach dem Streit nicht fortschicken sollen. Ach das Leben, es war ein einziges Chaos, als ob man die Seiten aus einem Buch riss und danach nur die Fetzen miteinander kombinierte. Nichts passte zusammen, alles wirkte zerschlissen, billig und war es nicht wert sich zu erinnern.<br /><br />Als ich hinaufstieg und in die Schwärze zwischen den Türen blickte hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir. <br /><br />„Moment…“ So stand ich zwischen den Türen, konnte mich nicht herum drehen und während der Wind erneut an meinen Kleidern riss, ich den Staub der Straße zwischen den Lippen zu schmecken glaubte, hörte ich, wie dieser Fremde mich zum ersten Mal in meinem Leben verstand.<br /><br />„Du hast Sally geliebt…“<br /><br />Ich nickte. <br /><br />„Aber Du wusstest nicht, was sie ist oder besser, was mit ihr ist.“ Ich konnte nur ahnen was er meinte und dennoch, was machte das jetzt noch für einen Unterschied?<br /><br />„Damals, habe ich ihr gesagt, es kann nicht Liebe sein. Nicht so schnell. Nicht nach einer Nacht. Ich ließ sie gehen und nun, sehe ich was aus Dir geworden ist, David. Ein Nichts. Ist das Ihre Schuld oder Deine?“<br /><br />Ich wusste nichts zu sagen. <br /><br />„Sally ist nicht wegen Dir gestorben. Sie ist geholt worden … Verstehst Du das?“ <br /><br />Die Erinnerung riss an meinem Herzen, ich schluckte und brachte ein verkrustetes „Nein.“ heraus. <br /><br />„Und jetzt willst Du einfach gehen? Warum?“ <br /><br />„Was hab ich noch?“, spuckte ich. Genau, was blieb mir noch. Meine Frau verloren, meine Tochter verschwunden, mein Sohn den Drogen erlegen, meine Welt unterjocht von Monstern, Wesen, die niemand sah. Die Welt war so voller Gefahren. Es waren nicht nur diese Lastzüge mit ihrer Leichenfracht, es war einfach das Sterben von Erinnerungen, Träumen, von Leben in dieser Welt. Ich verstand was er meinte. Sally war von dieser dunklen Seite, sie hatte ihr Leben für meins gegeben, damals und ich hatte es verschenkt.<br /><br />„Der Typ, den ich umbrachte, er hat sie geholt. Ich hatte keine Chance gehabt!“, schrie ich plötzlich und sprang hinab. Die Türen donnerten ins Schloss, der Motor des Trucks röhrte und dann wirbelte der Dreck um mich, als der Kies unter den Rädern hervorspritzte und Augenblicke später war ich nur noch allein mit dem Wind und diesem seltsamen Fremden.<br /><br />Er stand vor einem roten Ford Mustang. Er wirkte wie aus einem der alten Filme, aus der Zeit des Rock n Roll, als die Welt noch einfach war, zumindest glaubte ich das.<br /><br />„Gut.“, sagte er nur. Dann drehte er sich von mir weg und stieg zur Fahrerseite ein. Die Scheinwerfer blitzten auf, doch den Motor warf er nicht an. Er winkte mir zu, als ich mich nicht bewegte. Bedeutete mir einzusteigen. Was hatte ich zu verlieren? Er hatte mich doch eben gerade vor dem letzten Schritt ins Nichts bewahrt.<br /><br />Ich nahm neben ihm Platz. Das Leder roch angenehm und machte diese typischen Geräusche, als sich mein Körpergewicht auf dem Polster verlagerte. Im Radio spielte leise Musik, Gitarrensound, den ich zwar keiner Band zuordnen konnte, der aber ein Gefühl der Heimkehr herauf beschwor.<br /><br />„Woher kennst Du Sally?“, fragte ich. <br /><br />„Ich bin ihr Bruder.“, erklärte er. Dem auf den Fersen: “Es ist nicht Deine Schuld, dass es so kommen musste. Der einzige der Schuld hat bin ich und jetzt ist es an der Zeit einige Sachen wieder gerade zu biegen. Ich kann das nicht allein. Ich brauche Dich dazu. Du wirst nicht alles verstehen, aber es ist wichtig, dass Du mir glaubst, wenn ich sage, auch wenn Sally einer von denen war, die Blut an ihren Fingern haben, war sie kein Monster! Sie konnte nichts dafür.“<br /><br />Ich wusste nichts zu sagen. Er schien sich nicht sicher zu sein, ob das was er hier tat auch das Richtige war, aber dann drehte er ruckartig den Schlüssel, die Maschine röhrte und Augenblicke später rauschte die Nacht am Fenster vorbei. Der Highway ein graues Band im finsteren Nichts der Nacht, der Horizont leer und schwarzgebrannt. Zwischen uns Beiden nur der Klang der Musik. So ging es Meile für Meile, ohne erkennbares Ziel den Highway entlang. Ich war nicht mehr in der Lage zu sagen, ob nach Westen oder Osten.</span> </div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-53293991827650535022007-05-20T02:48:00.000+02:002007-05-20T02:49:33.499+02:00HOUSE OF LOVE<div style="text-align: justify; font-family: verdana;"><span style="font-size:85%;"><br />Der Wind spielte mit dem Wüstensand, fegte ihn über den Asphalt und zerrte an den langen Haaren des Fremden, der den leichten Hügel hinunter kam, den roten Feuerball der untergehenden Sonne im Nacken. Die Stiefel klackten laut.<br /><br />Er kam jeden Abend diese Straße herunter. Er war ein Wanderer, der immer wieder zurückkam. Es schien, dass er irgendetwas suchte, aber keiner wusste, was und wieso. Die Alten sahen ihm nach, mit einem belustigten Blick. Sie kannten das Schauspiel und liebten es. Über den Rücken hatte der Typ eine Gitarre geschlungen, und mochte man den Gerüchten glauben schenken, verstand er es sie zum klingen zu bringen.<br /><br />Ich erzähle Ihnen das nur, damit Sie verstehen, dass jeder wusste, was vor sich ging und dennoch keiner verstand, was es bedeutete. Ich kann nur sagen, auch ich saß mit Jones, Peter und Jack an dem Tisch und lächelte. Wir spielten Karten. Mit mehr als 60 Lenzen auf den Buckeln gibt’s nichts Spannenderes, glauben Sie mir. Nun gut, es gibt Sachen wie das Lächeln einer Frau, dass dir warm ums Herz wird, und ja, auch in diesem Falle, ging es um eine Frau. Geht es nicht immer um eine Frau, wenn Männer immer wieder kommen?<br /><br />Aber ich verliere den Faden. Ja, lächeln Sie ruhig, mit der Zeit kann man so vieles vergessen. Nun ja, da kam also unser Fremder auch an jenem Abend die Straße hinunter. Er lächelte nicht, sondern wirkte ernst und in sich versunken. Die Gitarre ruckte mit jedem Schritt. Er war kein großer Mensch, sondern eher der sportliche Typ, vielleicht ein bisschen zu durchschnittlich. Er gehörte nicht zu der Sorte Cowboys, die sich täglich Countrysongs um die Ohren blasen und zum Bier nicht nein sagen können. Er hatte Stil, und vielleicht war auch dies das Tragische an der ganzen Geschichte.<br /><br />Sein Ziel war jedem klar. Man nannte es das „House of Love“. Ja klar, was, glauben Sie, findet sich sonst in einem kleinen Nest am Highway, in der Abgeschiedenheit einer verträumten Stadt, wo der Hund seine Runden zieht und das Krähen des Hahnes so selbstverständlich ist wie das Zähneputzen? Ich meine, in unserem kleinen Ort, da geht alles seinen geregelten Gang. Selbst diese Tragödie mit dem jungen Mann, mit unserem Gitarrenhelden, hatte seine Routine. Womöglich ist es auch das, was einen das Altwerden so schmerzlich spüren lässt.<br /><br />An jenem Abend jedoch würde die Routine ein Ende finden. Aber als ich ihm zulächelte, meinen imaginären Hut zog und er die gleiche Pose mir gegenüber brachte, wusste keiner was davon, ahnte niemand, dass wir ihn das letzte Mal sahen.<br /><br />Ich muss dazu sagen, ich kenne das House of Love nur von zwei Besuchen, und Doris, meine verschiedene Frau - Gott hab’ sie selig - wusste davon nichts. Das House of Love, ein Platz den du nur als Mann aufsuchst und dennoch, und dennoch ganz anders ist als diese üblichen Hurenhäuser! Ich werde wohl nicht darum herum kommen, Ihnen von meinen Besuchen zu erzählen, damit Sie verstehen, was den Mann dorthin führte.<br /><br />Das erste Mal, dass ich die Veranda herauf kam und an die Tür klopfte, ist nun mehr als 40 Jahre her und dennoch verblasst diese Erinnerung nicht! In meinem Leben habe ich viel erlebt und vieles nicht verstanden, aber das Rätsel dieses Hauses gehört zu den Dingen, wo ich aufgab, verstehen zu wollen. Wissen Sie, es war nicht Liebe die mich dorthin zog. Es war die Einsamkeit. Ich war gerade mal 18, ein Grünschnabel, und hatte den Einzugsbescheid bekommen. Das war zu der Zeit, da Elvis Presley in Las Vegas spielte und nicht mehr der Rocker war, den ich liebte..<br /><br />Dennoch, wenn ich an das House of Love denke, höre ich seine Stimme vom Heartbreak Hotel singen. Ich hatte keine Freundin. Meine Eltern waren vor drei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, meine Tante interessierte sich nicht mehr für mich und Freunde hatte ich auch nicht. Einmal abgesehen von Musik und Büchern, gab es nichts in meinem Leben. Ich arbeitete an der Tankstelle, tat meine Pflicht und versuchte irgendwie mit dem Alltag zu Rande zu kommen.<br /><br />Ich wollte mich nur verabschieden. Suchte nach einer Stimme, die sagte: „Auf Wiedersehen Richard.“ Jemand der mir das Gefühl gab, dass wenn ich dort im Busch draufging, man mich vermissen würde. Mit 18 hast du solch komische Gedanken, glaubst, dass die Damen dort wirklich lieben können und Mann, es ist nicht falsch! Denn dort war Liebe, als ich in ihren Armen lag. Ich kann es nicht anders sagen.<br /><br />Ich wanderte durch den Regen die Straße entlang und sah nur überall die verschlossenen Türen. Meine paar Dollar in der Jeanstasche hielt ich umkrampft und dachte an das Lächeln der Frau. Eine Frau in meinen Träumen, sie kam immer wieder und irgendwie, glaube ich, suchte ich nach ihr. Wie es wohl der Mann mit der Gitarre tat.<br /><br />Ich sah sie mit meinem geistigen Auge, ihre wohlgeformten Brüste, die Pfirsichhaut, wollte ihre Lippen auf den meinen spüren. Der Regen klatschte mir ins Gesicht und war kalt. Ich muss ausgesehen haben wir ein Landstreicher, als ich die Veranda hinauf stolperte und vor der Tür stand. Von drinnen hörte ich Musik. Ich glaube es war John Lennons Give Peace a Chance. Für einen Augenblick sah ich mich dort im Busch, glaubte das Donnern der Bomben zu hören, die Hubschrauber, die Hitze des Napalms; meinen Tot sah ich für einen Wimpernschlag, als mir der Atem stockte.<br /><br />Dann ging die Tür auf. Ihr Haar war so golden wie Ahornblätter im Oktober. Ihre Augen mahagonifarben und ich versank in ihnen. Sie hatte irgendetwas gesagt, aber ich guckte einfach nur blöde. Sie kicherte, hielt sich die Hand vor den Mund und hielt mir die Tür auf. Wäre ich nicht ein Narr gewesen, dieser Einladung zu widerstehen?<br /><br />Ich machte Anstalten die Schuhe auszuziehen, wollte den schönen Teppich nicht einsauen. Sie lachte, aber lachte mich nicht aus. Sie nahm mich an der Hand und wir gingen ins Haus. Die Tür stupste sie zu, und dann war Wärme in meinem Herz. Es war eine ganz andere Welt. Ich meine es war ganz anders, als man es sich vorstellen möchte. Es war keine dieser roten Buden, wo alles schillert, wo einfach alles nach Sex schreit. Das House of Love wirkte wie ein Zuhause auf mich. Ein Platz, wo man einfach Liebe spürt.<br /><br />Auch wenn sie mit mir redete, verstand ich sie nicht. Sie hatte einen mexikanischen Einschlag, der Akzent war durchaus präsent in ihren Worten, jedoch konnte ich nur ihren Lippen folgen, ihre Stimme drang nicht zu mir durch. Ich wusste nicht mal ihren Namen und war mir nicht sicher, ob ich ihr meinen verraten hatte.<br /><br />Das Haus war warm und kuschlig. Ich kann es nicht anders sagen. Ich roch den Hauch von Zigaretten, süßes Parfüm und hörte das Säuseln eines Plattenspielers. Es war eigentlich nichts Besonderes, doch an jenem Abend war es der Nabel der Welt für mich.<br /><br />Im Unteren Geschoss gab es insgesamt fünf Türen und jede dieser Türen stand offen. Überall, leuchteten Kerzen und dazwischen die Stimmen der Frauen. Es war, als ob tausend Engel um mich schwirrten. Sie waren nicht die Huren, von denen mein Vater einmal zu mir gesprochen hatte, mich gewarnt hatte. Sie wissen schon, solche Vater-Sohn-Gespräche.<br /><br />Mein Engel führte mich an den Zimmern vorbei und die Treppe hinauf. John Lennon wurde von einem sanften Kuschelsong abgelöst, dessen Interpret mir unbekannt war. Es war auch so belanglos, denn die Musik lullte mich ein, ließ mich fast über den Teppich schweben, ließ mich geliebt fühlen. Ich weiß, dass klingt so verdammt poetisch, so unwirklich, aber manchmal ist es einfach so. Hin und wieder sind die einfachsten Sachen so kompliziert, dass man sie nicht erklären kann, und ich tue mich schwer, Ihnen klar zu machen, was dort geschah.<br /><br />Doch sie holte mich zurück aus dieser Welt, in dem sie fragte: „Was suchst Du Richard?“ Es war eine ganz normale Frage, und dennoch, ich konnte sie nicht beantworten. Tränen begannen mir die Wangen herab zu laufen, als ich mit den Achseln zuckte.<br /><br />„Du hast drei Wünsche, mein Lieber“, hauchte sie mir entgegen. Meine Augen mochten wohl große Fragezeichen gewesen sein, denn sie umarmte mich, küsste meine Nasenspitze, und ich roch ihren Rosenduft. „Drei Wünsche möchte ich Dir erfüllen. Weil Du reinen Herzens bist.“<br /><br />Ich verstand noch immer nicht. Was meinte sie mit reinem Herzen?<br /><br />Wir hatten wohl ihr Zimmer erreicht. Ich wollte aus dem Fenster schauen, weil ich plötzlich den Regen nicht mehr hörte, doch sie hielt mich zurück. „Nicht!“, flüsterte sie. Ich schluckte, als sie mich auf das Bett drückte. Sie strich mir durchs Haar, so verführerisch.<br /><br />Ich nickte langsam. Mein Atem ging in heißen, schnellen Stößen, ich hustete und sie kicherte wieder ihr Unschuldskichern. Ich holte das Geld aus meiner Hosentasche und es fiel zu Boden, weil meine Hände zu stark zitterten. Sie ließ es einfach liegen und setzte sich neben mich. Sie legte ihren Arm um mich und wir saßen ein paar süße Momente nur dort. Fast wie Schwester und Bruder, nicht wie Verliebter und Geliebte.<br /><br />Schließlich erreichten mich ihre Worte. Es dämmerte mir, der Groschen war gefallen und ich noch erstaunter als zuvor.<br /><br />Ich hatte wohl dann gesagt: „Drei Wünsche?“<br /><br />Sie nickte.<br /><br />„Egal, was?“<br /><br />Sie nickte, vorsichtig, zaghaft, und in ihren Augen stand die Bitte, dass es war Gutes sein mochte, etwas, das mich glücklich machte, etwas, das mir in der Welt half, die dort draußen auf mich wartete. Mir wurde plötzlich klar, am nächsten Morgen würde nur die Straße runter, denn in unserem Nest gibt’s ja nicht viele Straßen, der Bus auf mich warten. Meine Habseligkeiten hatte ich gepackt, sie warteten in dem kleinen Zimmer, dass ich für mich hatte. Ich würde in den Bus steigen und einfach fortfahren, dorthin, wo Menschen starben, wo es keine Liebe gab. Es gab dort nur Blut, das nicht durch von Liebe entflammte Herzen pulsierte, sondern aus den Leibern blutete, wenn die Waffen sprachen. Schreie würde es geben. Nicht der Leidenschaft, sondern aus echtem Leid. Dem Tod würde ich begegnen, und es starb dort niemand aus Liebe für jemanden anderen, sondern aus Kalkül und Hass.<br /><br />Ich schauderte, und sie spürte es. Sie küsste mich auf den Mund, und in diesem Augenblick wirbelte alles durch meinen Kopf. Da war Lust, pure Lust, ein Gefühl so überwältigend, wie der Schauder, dem ich eben ausgesetzt gewesen war. Und dann war da auch Angst. Furcht davor, dass es zu spät war, jemanden zu lieben. Das ich nicht fähig war zu lieben. Die Einsamkeit entflammte, Sehnsucht, die an meinen Nerven zerrte und mich weinen ließ. Ich weinte in den Armen eines Engels. Ich kann es nicht anders sagen. Ich weinte die ganze Nacht durch. Sie saß dort, und küsste mich immer wieder, umarmte mich, hielt mich, aber sagte nichts. Und am Morgen erwachte ich auf der Veranda. Ein Brief lag auf meiner Tasche, die neben dem Stuhl, in dem ich schlief, für mich bereit stand. Das House of Love war dunkel. Die Sonne ging auch gerade erst auf. Ich steckte den Brief ein und lief die Straße zur Bushaltestelle entlang. Und dachte immer wieder an die drei Wünsche, warum hatte ich sie nicht eingefordert?<br /><br />Der Wahnsinn des Krieges ließ mich all das vergessen. Doch in den Nächten, ich glaube, da war ich bei ihr, bei meinem Engel. Ich hörte wieder den Regen, glaubte abermals die Veranda hinauf zu steigen. Jedoch war das Schild an der Tür: GESCHLOSSEN! Das war der Zeitpunkt, wo ich erwachte, wenn nicht gerade neben uns die Hölle brannte und wir unsere Ärsche retten mussten. Der Krieg war für mich die Zeit, in der ich zum Mann wurde und es war verdammt das Letzte, was ich werden wollte.<br /><br />Ich denke, dieser Fremde, der Gitarrenslinger, der jeden Abend zur gleichen Zeit durch unser kleines Nest lief, zu diesem sonderbaren Haus, muss etwas Ähnliches erlebt haben. Ich meine, er war nicht so jung, wie ich damals war, als ich das erste Mal diesem Engel begegnete, aber er wirkte so, als ob er seine Wünsche noch nicht genannt hatte, genau wie ich. Woher ich das weiß? Man sah es in seinen Augen. So viele Fragen. Dieses Glänzen, und dann war da Trauer.<br /><br />Aber bevor ich dazu komme, was aus ihm wurde, will ich noch erzählen, wie mein letzter Besuch im House of Love zustande kam. Denn ich denke, dann werden Sie verstehen, warum der Gitarrenspieler sich umbrachte. Zumindest sagt man, dass er Selbstmord beging. Unser Sheriff ist sich da sicher, und ich halte lieber meinen Mund.<br /><br />Die Zeit ist ein ewiger Fluss, und wir schwimmen darin, entweder gewollt oder nicht. Der Krieg war etwas, das mich veränderte. Mit gerade mal 18 Jahren dort im Busch. Ich kann Ihnen sagen, das Grauen, dass einen dort verfolgt ist wie eine kalte Faust, die sich in den Magen stemmt, dir den Atem nimmt und wenn du dann des Nachts schreist, dann siehst du dich, mit der Waffe in der Hand, während die Schüsse erklingen und Körper zu Boden fallen. Ich habe das nie überwunden. So etwas kann man nicht schaffen.<br /><br />Als der Krieg vorbei war, kam ich zurück in die Staaten. Ich verschwand in einem Zimmer, das eine alte Frau vermietete. Es war in L.A. und die Stadt war so groß, dass ich in ihr versank. Nachts kamen die Träume und ich schaffte es nicht, einfach wach zu bleiben. Ich versuchte es, besoff mich, doch es half nichts. Ich sah immer wieder die Gesichter, hörte ihr Schreien und heulte nachts, wenn der Schmerz durch mich brannte wie eine heiße Nadel. Ich glaubte das Siechen ihrer Körper zu riechen, und die Vergangenheit begann mich zu verschlingen.<br /><br />Bis ich eines Abends einen Anruf bekam. Mr. Carlson, der Besitzer der Tankstelle war verstorben. Ich war einer der geladenen Gäste der Beerdigung. Ich sollte zurückkommen. Sollte sogar seine Tankstelle übernehmen. Ich weiß noch genau: Ich stand am Fenster, starrte auf die Straße hinaus, beobachtete die vielen Autos und dachte plötzlich an jene Nacht zurück, als meine Reise in den Schrecken begonnen hatte. Da fiel mir der Brief wieder ein. Ich hatte ihn damals einfach, ohne ihn zu öffnen, in eine kleine Tasche meiner Sporttasche gesteckt. So holte ich die Tasche hervor und durchsuchte sie, aber der Brief war fort.<br /><br />Doch die Dunkelheit, die vom Wahnsinn des Krieges hervorgerufen, wie eine schwarze Wolke mich umhüllte, hatte mir die Erinnerung genommen, wie oft ich den Brief gelesen hatte und schließlich fand ich ihn in meinem Portemanaie. Er war kaum noch leserlich. Aber als ich die Worte „drei Wünsche „ und „lebenslang“ entzifferte, verstand ich. Ich kannte den Text, es war fast wie ein Gebet. „Wo immer du auch hinreisen magst, mein Richard, ich wache über Dich. Drei Wünsche hast Du frei, lebenslang. Ich habe Dir meine Kraft geschenkt mit jenem Kuss. Du wirst nicht sterben! Sei stark! Denk an jene Nacht und vergiss den Regen. Ich warte auf Dich.“<br /><br />Es war schon irgendwie ein seltsamer Text. Dennoch, irgendwie hatte er mich durch die Hölle gerettet. Aber ich hatte Menschenleben genommen. Es hieß töte oder stirb! Ich weinte wieder. Schließlich schmiss ich das Whiskeyglas gegen die Wand und schrie.<br /><br />Am nächsten Morgen saß ich im Greyhound, den Brief in meiner Hemdentasche. Die Welt rutschte am Fenster vorbei, doch ich sah nur das elende Grün des Busches. Ich hörte weder die Menschen um mich, noch wurde ich müde.<br /><br />Der Greyhound hielt nicht in unserem kleinen Ort, so musste ich noch etwa 15 Meilen laufen. Ich wanderte durch die sterbende Nacht in den Morgen. Als ich die Häuser sah, ich jenen Hügel hinab kam, den der Fremde jeden Abend herab stiefelte, waren die heißen Tränen in meinem Gesicht eine Wohltat. Anstatt direkt zur Tankstelle zu gehen, wo man den Schlüssel für mich hinterlegt hatte und die mir auch vererbt wurde, lief ich zum House of Love.<br /><br />Die Veranda knarrte vertraut und ich glaubte wieder den Regen zu spüren. Es war so befreiend. Doch, gleich dem Traum, sah ich das Schild: GESCHLOSSEN. Oder glaubte es zu erkennen, denn die Tür war angelehnt und ich stolperte für Sekunden durch meinen Traum mit dem Schild im Fenster.<br /><br />Wieder säuselte Musik. Dieses Mal Led Zeppelin, In My Time of Dying. Die Türen, sie waren alle geschlossen. Nur hier und da leuchteten Kerzen. Es war kalt und ich begann mir zu wünschen nicht hierher gekommen zu sein. Unbewusst griff ich nach dem Brief und flüsterte dessen magische Worte.<br /><br />Das ist nun der Moment, wo ich mir nicht sicher bin, ob Sie mir glauben werden. Aber wenn nicht, dann ist das ok. Als ich 18 war, hatte ich die Engel entdeckt, dieses Mal war es die Dunkelheit, glauben Sie mir! Ich ging die Treppe hinauf und hoffte das Zimmer wieder zu finden, doch dort oben, da war nur eine gähnende Leere. Ich sah die Türen offen stehen und die Fenster, dort sah ich… ich sah weder Regen, noch Sonnenschein. Ich erblickte tausend Gesichter, es war das Haus des Hasses an jenem Morgen. Diese Fenster, die Wände, alles schien sich zu bewegen. Ich stolperte zurück, fiel fast die Treppe hinunter, als plötzlich das Flattern begann. Tausend Federn, schwarz wie Pech, die um mich stoben. Geflüster, meine Mutter, mein Vater, sterbende Stimmen!<br /><br />Ich schrie, als die Türen auf und zu schlugen: Ein wildes, hölzernes Trommeln. Schließlich sah ich meinen Engel. Er starb, dort in dem Haus, direkt vor mir. Ihre Augen brachen wie tausend Spiegel, ihre Stimme ein sterbender Hauch, wärhend das schwarze Haar weiß wurde, ihr Röcheln laut und nicht zu verdrängen. Die Lippen, jene volle Lippen, deren Küsse mir Kraft schenkten, verkümmerten zu schwarzen Strichen und ich verstand. Ich hatte die gute Seite verlassen. Doch hatte ich noch die drei Wünsche?<br /><br />Ich sah mich, dort an der Wand, im Gebüsch, als ich schoss. Ich sah mich, als ich das Messer in den Körper bohrte, ich sah all das Leid, in der Seelennot, in der ich ertrank. Dann stoppte alles, nur der Schrei des Engels, meines Engels, der durch mich sich bohrte, tief in mein Herz, ließ nicht nach. Wieder das Rauschen der Federn und mit einem Mal war ich umringt von Raben. Sie hackten nach mir. Ich verlor den Halt und fiel die Treppe hinab. Als ich aufblickte sah ich in die Augen einer schwarzen Gestallt. Es war eine Frau, in schwarzen Federn. Sie sagte: „Willkommen im House of Love!“ Sie half mir auf und küsste mich und in diesem Moment, starb etwas in mir. Ich verlor das Licht in meinem Herzen, und versank in der Dunkelheit. Es ist ein Fluch und niemand kann ihn zurücknehmen. Ich trage ihn noch immer und es ist recht so!<br /><br />Sie küsste mich, all der Hass floss durch meine Seele, sie nährte mich, sie strafte mich. Die tausend Federn ließen meine Haut beben, als Schauder über mich ebbten und der Ekel sich in mir regte. Dann war der Kuss vorbei.<br /><br />Liebe kann nicht existieren ohne Hass! Liebe ist sowohl Leben, als auch Tod. Ich stolperte heraus und brach auf der Straße zusammen. Mir wurde schwarz vor Augen und ich hörte noch immer den Schrei meines Engels.<br /><br />Doch ich fand einen Weg durch mein Leben, tat Buße für meine Morde.<br /><br />Der Mann, der jeden Abend die Straße herunter kam, hat wohl auch die Stufe zwischen dem Reich des Helden und dem Reich des Mörders überschritten. Doch er hatte geglaubt mit seiner Gitarre den Engel wiedererwecken zu können. Oh was gäbe ich nur darum, es zu können!<br /><br />Man fand ihn auf der Veranda, die Pulsadern aufgeschnitten. Der Wahnsinn hatte ihn erwischt, womöglich hatte er mehr Schuld als Unschuld in sich, und als die Rabenfrau ihn küsste, jene schwarze Todesfee, hatte er wohl die Pforte zum Reich der Dunkelheit und des Chaos durchschritten. Seine Flucht war der Tod.<br /><br />Aber die Gitarre, ich habe sie gestohlen. Ich habe noch drei Wünsche, wenn es stimmt, und heute Nacht weiß ich was ich mir wünsche. Das Talent zum Spielen. Die Kraft zum Wiedererwecken und einen letzen Kuss von meinem Engel.<br /></span> </div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-14951979833416972132007-05-20T02:43:00.000+02:002007-05-20T02:47:55.246+02:00DAS VERLORENE DRACHENLIED<div style="text-align: justify; font-family: verdana;"><span style="font-size:85%;"><br />Der Wind zog an seinen Kleidern, riss und zerrte, bis er beinahe das Gleichgewicht verlor, Gefahr lief sein Leben in den tiefen Schluchten zu verlieren, die unter ihm im Chaos aus Weiß und Grau leuchteten. Das Gesicht eine verhärtete Miene der Anstrengung, schaffte er es, sich gegen den Wind zu stemmen und die letzten Meter zum Gipfel empor zu steigen. Die Haare wehten ihm ins Gesicht, wurden von Schnee gezuckert, während die Kälte sich an seiner bloßen Haut labte.<br /><br />Er hatte es geschafft, der Berg war bezwungen. <br /><br />Das Eistal lag ihm zu Füßen und er wusste, er war bereit. So lange hatte er auf diesen Augenblick gewartet, hatte geplant und gehofft. In dieser Eiswüste würde er den Drachen finden, der ihm zum Jäger machte, der ihm Ruhm und Ehre bescherte und die Herzen der Frauen aufschloss. Alles war möglich, er musste nur durchhalten.<br /><br />Der Abstieg war beschwerlicher, als er geglaubt hatte. Das Schwert blitzte im gleißenden Licht der Sonne, die hier oben gnadenlos auf ihn herab brannte und dennoch nicht stark genug war, das Eis zu schmelzen, dieses Gebirge in einen See mit spitzen Inseln zu verwandeln. Er hetzte, wo es denn ging, sprang manchmal halsbrecherisch nahe am Abgrund. Das Herz in seiner Brust schlug voller Eifer und das Leben pulsierte in ihm, wie nie zuvor.<br /><br />Jarin war bereit Großes zu vollbringen. Er erinnerte sich noch genau daran, wie dieses Abenteuer begonnen hatte, wie er den Eid geschworen hatte, der ihm zum Jäger machte und er die Segnung des Königs erhalten hatte für sein Land den letzten Drachen zu erlegen. Anfangs verstand er nicht, warum es so wichtig war einen Drachen in den Eisregionen des Reiches zu jagen, wo das Land nur von Einsamkeit und Kälte regiert wurde. Doch nach und nach entbrannte die Abenteuerlust und er hatte nicht vor seinen Vater zu enttäuschen. In den Augen seines Alten hatte er große Freude lesen können, als er zum Königsjäger ernannt wurde.<br /><br />Es dauerte genau sieben weitere Tage bis er die Höhle erreichte. In den Stunden der Wanderung waren ihm Zweifel gekommen. Schnee und Eis waren das Einzige, was es hier gab. Zumindest, soweit er sehen konnte. Die eisige Einöde verschlang ihn, begann ihn mit ihren kalten Fängen zu zerdrücken. Am Abend bevor er die Höhle erreichte, hatte er zum ersten Mal etwas Anderes außer dem Heulen des Windes vernommen. Es war ein seltsames Singen gewesen. Dunkle Töne, jedoch so schön, dass er in seinem Lager, vermummt in Decken und Fällen, die nur spärlich ihm Wärme spendeten, mit geschlossenen Augen gelegen und gelauscht hatte. Erinnerungen suchten ihn heim, als er noch ein kleiner Junge gewesen war und seine Mutter die Flöte spielte. Jeden Abend und immer wieder eine neue Melodie.<br /><br />Doch all das war nun verschwunden, wie auch seine Mutter längst nicht mehr an seiner Seite war. Vor ihm ragte das Schwarze Loch der Höhle, eine gähnende Leere in der er versank. Seine Schritte hallten laut an den Wänden wieder, egal wie sehr er sich auch bemühte zu schleichen. Seine Augen durchschauten nur allmählich die Dunkelheit, denn der Schnee der letzten Tage hatte ihn an Helligkeit, geprägt vom herabfallenden Weiß der dahin ziehenden Wolken, gewöhnt.<br /><br />Laut Legenden und Erzählungen musste der Drache tief im Innersten dieser Höhlen sein einsames Leben führen. Jarin wusste nicht viel über Drachen, denn es gab sie nicht mehr, bis auf diesen letzten. Sein Vater hatte von Jagden berichtet. Das Interesse war in ihm erst entbrannt, als die Liebe für die Königstochter entflammt war. Es gab dutzende, ja hunderte, wenn nicht tausende anderer Junggesellen die sich in sie verliebten, doch Jarin glaubte, der Richtige zu sein. Deswegen hatte er sich auf das Training eingelassen, war den Lehren der Kriegsveteranen gefolgt, zu denen sein Vater zählte. Geschichten mochte noch so lebendig erzählt werden, dachte Jarin, aber es zu erleben ist wieder eine ganz andere Geschichte. Als er durch die schwarz-graue Höhle stapfte, dachte er an das Lächeln von Ayera, wie sie ihn beobachtet hatte, wenn er im Hof des Schlosses mit Chafar trainierte.<br />Er hatte sich tiefer und tiefer in die Höhle gewagt, war seinen Gedanken an Liebe und den Augen der Prinzessin verfallen, als wieder das seltsame Singen ihm entgegen scholl. Dieses Mal jedoch viel eindringlicher, lauter und vor allem näher!<br /><br />Der Prinz in Spe hielt inne. Es war unbestreitbar: Diese Klänge, diese Melodie, die ihm entgegen segelte, von den kahlen Wänden mit Echos verstärkt wurde, musste vom Drachen kommen, den er niederstrecken wollte.<br /><br />Ganz gegen jede Vorsichtsmaßnahme rief er: „Hallo! Hört Ihr mich?“ Seine Stimme war von Unsicherheit etwas geschwächt und er fühlte sich verlassen in dem Augenblick, da der Gesang verklang.<br /><br /><br /><br /></span><div style="text-align: center;"><span style="font-size:85%;"><span style="font-weight: bold;">***</span> </span><br /></div><span style="font-size:85%;"><br /><br />Im Schnee formte sich etwas Seltsames. Während die Flocken herab schwebten und im weißen Meer versanken, begannen sich Schneemassen aufzutürmen. Es war, als ob etwas unter der Schneedecke sich aufbäumte und die weißen Massen zerstäubten in einer Explosion, als das Ding sich erhob. Das Blau funkelte im Mondesschein und das Brüllen des Drachen erzürnte die Berge. Eine Lawine rutschte ins Tal, riss Bäume mit sich, um dann am Fuße des Gebirges in sich zusammen zu fallen.<br /><br />Dann herrschte wieder Stille, einmal abgesehen vom unnachgebiegen Zetern des Windes. <br /><br /><br /><br /></span><div style="text-align: center;"><span style="font-size:85%;"><span style="font-weight: bold;">***</span> </span><br /></div><span style="font-size:85%;"><br /><br />Der Donner hallte durch die Höhle, wie das Grauen durch seine Glieder stürmte. Hinter ihm krachten Steine aufeinander, Dreck wirbelte auf und Staub umtanzte ihn, als der Eingang der Höhle zusammen fiel. Ein Beben warf ihn nieder. Sein Schwert krampfte er am Heft, und mit wachsendem Entsetzen verfolgten seine Augen die sich ausbreitenden Risse im Boden.<br /><br />Dann Stille. <br /><br />Die Staubwolke verlor schnell an Substanz. Doch das Kratzen in seinem Hals, welches ihn husten und nach Luft schnappen ließ, quälte ihn noch ein paar unendliche Minuten lang. Sein rascher Atem und das Pochen des Herzens, dröhnten in seinen Ohren. Augenblicke später erhob er sich, klopfte den Dreck von seiner Lederrüstung. Schwere Rüstung taugte nichts im Eistal. Jedoch mochte dies nicht heißen, dass seine Lederrüstung weniger Schutz bot. Nephir, der Hofmagier, hatte seine Rüstung mit Schutzrunen und Symbolen verzaubert; Rüstung für einen Krieger, der großes vollbringen wird, wie er sagte.<br /><br />Das Schwert schob er wieder in die Scheide. Der Boden war zerfurcht und die Risse stellten ein wirres, filigranes Muster des vorangegangen Chaos dar. Nun ja, dachte er sich, mit jeder Herausforderung wirst du stärker und deine Legende größer. Er lächelte voll Freude.<br /><br />Dann ertönten diese so ihm nun fast vertrauten und geliebten Klänge erneut. <br /><br />Vorsichtig, die Augen auf den Boden geheftet, folgte er dem mystischen Lauten. Das Beben schien nur oberflächlich die Erde aufgerissen zu haben. Denn er konnte keine klaffenden Schlünde im Gestein und Geröll zu seinen Füßen finden. So lief er schneller, voll Verzücken den fremden Melodien nach. Die Gänge wanden sich tiefer und tiefer ins Gestein. Mit jedem Schritt, so wurde ihm klar, kam er seinem Schicksal näher. In den Nächten dieser Monate langen Reise, hatte er oft von diesem Tag geträumt. Niemals hatte er dieses Lied auch nur erahnt und plötzlich war er sich nicht sicher, ob er es schaffte das Schwert in den Leib des Ungetüms zu bohren, wenn solch eine Melodie, solch ein Zauber, von ihm ausging.<br /><br />Dem Pfad aus Geröll und Schutt folgten Steintreppen. Der Abstieg war beschwerlich, da die Stufen fast halb so groß waren, wie Jarin selbst. Das Springen machte ihn müde, doch die Melodie wurde immer zierlicher und dennoch mächtiger. Es war wie ein Fluss aus Noten, in dem er schwamm. Die letzte Stufe ließ ihn in seichtes Wasser springen. War es weiter oben noch kalt, so empfing ihn hier frühlingswarme Luft.<br /><br /><br /></span><div style="text-align: center;"><span style="font-size:85%;"><span style="font-weight: bold;">***</span> </span><br /></div><span style="font-size:85%;"><br /><br />Draußen vor der Höhle hauste das eisige Grauen. Das Biest schnaubte, die Nüstern hoch im Mond erhellten Firmament. Kein Brüllen, sondern ein hohes Zischen. Die Töne brachen die Eiszapfen von den Bäumen. Ein silbernes Klirren erfüllte die Nacht für Augenblicke, dann herrschte nur doch das kehlige Schnaufen des Monsters, vermischt mit dem Ächzen des Windes.<br /><br />Blau in grau, weiß in schwarz, das Ding verschmolz mit seiner Umgebung. Dennoch konnte es die anderen Tiere des Tals nicht täuschen. Der Tod wälzte nun durch das Tal. Der Drache war erwacht. Alles Leben versuchte zu fliehen. Mit jedem Schnaufen strich der Eisatem durch die Nacht, wie ein ruheloser Geist.<br /><br /><br /><br /></span><div style="text-align: center;"><span style="font-weight: bold;font-size:85%;" >*** </span><br /></div><span style="font-size:85%;"><br /><br /><br />Jarin watete durch das nun kniehohe Wasser. Der Eifer hatte ihn gepackt. Das Wasser spritzte, als er mit aller Kraft schneller voran zu kommen versuchte. Die Kühle und Feuchte war eine willkommene Erholung und verdrängte die Erinnerungen an Schnee, Eis, Kälte und auch Hunger. Voll Freude sprang er durch das klare Quellwasser. Das mystische Lied war nun allgegenwärtig, verschlang das Pochen seines Herzens.<br /><br />Schließlich erreichte er das Zentrum der Höhle. Der Wasserfall plätscherte unaufhaltsam und dennoch war er nicht laut genug die Melodie zu übertönen. Jarin wurde es kaum bewusst, dass ein seltsames Leuchten ihm entgegen schien. Die Wärme hier unten zauberte Schweißtropfen auf sein Gesicht, die sich mit den Wasserspritzern vermischten.<br /><br />Schließlich sah er den Drachen. Es war ein roter, es war ein kleiner und nichts hatte ihn gewarnt davor, mit welch einer Schönheit er erstrahlte.<br /><br />Jarin kniete vor dem roten Drachen, der kleiner war als er. Das unbekannte Wesen beäugte ihn mit sanften Augen, während aus seiner Kehle die Melodie ungebrochen zu den Wänden der Halle flog und wider scholl.<br /><br />Zuerst dachte er, es handele sich um ein Drachenjunges. Aber in seinen Augen spiegelte sich Erfahrung wieder. Auch die Schuppen waren, wenn auch rot und strahlend, so doch abgenutzt, abgewetzt und ließen das Alter nur erahnen. Das kleine Ding hockte auf den Läufen, den Kopf hoch gereckt und zauberte weiterhin Jarins Zauberlied.<br /><br />„Ihr?“, versuchte er. „Ich bin… Jarin… ich … will…“ <br /><br />Wie dumm seine Worte doch waren! Was wollte er? Dem kleinen Ding die Kehle zerschlitzen, die solch schöne Noten hervor brachte? <br /><br />Der rote Drache verstummte. Die Augen betrachteten den jungen Krieger voll Neugier. <br /><br /><br /><br /></span><div style="text-align: center;"><span style="font-weight: bold;font-size:85%;" >*** </span><br /><br /></div><span style="font-size:85%;"><br />Das Eistaal schlummerte in den Schatten der Nacht, als das Biest durch den Schnee sich wand. Die Augen, grelle Saphire, glitzerten voll Kraft, suchten nach Beute, sondierten die Gegend. Doch das Tal war leer gepflügt vom Entsetzen, welches das Ding versprühte. Der Schnee wimmerte unter der Last des Monsters.<br /><br />Die Höhle markierte den Aufstieg ins Graugebirge und die nördliche Grenze des Tals. Schnell begann das Ding mit der Gegend zu verschwimmen, sich mit der einsamen Textur des Winters zu kleiden. Das Schnaufen wurde zu einem dunklen Raunen und der Drache wand sich schneller und schneller seinem Ziel entgegen. Bäume knickten in ihren Wurzeln, wurden weg rasiert ohne Gnade. Das Biest war auf Jagd und die Nacht noch jung.<br /><br />Schließlich fand es, was es suchte. Grau in Grau, ein Schatten im glimmenden Weiß des Schnees, welches vom Mond erhellt wurde, gähnte der Eingang zu einer weiteren Höhle. Der Drachen röhrte voll Wut und Lust zur Mondkugel hinauf, nur um Augenblicke später sich in den Schlund zu bohren. Seine Schuppen rissen Stein und Dreck von den Wänden der Höhle. Der Atem des Ungetüms hallte wie Donner gegen die Wände im Inneren des Berges.<br /><br /><br /></span><div style="text-align: center;"><span style="font-size:85%;"><span style="font-weight: bold;">***</span> </span><br /></div><span style="font-size:85%;"><br /><br />Das Wasser plätscherte ununterbrochen, bahnte sich seinen Weg durch die Höhle, wo Jarin dem kleinen Wesen gegenüber hockte. Die Augen der Beiden suchten einander ab. Keiner war sicher, was geschehen würde. Jarin wusste nicht, wie er dem roten Drachen gegenübertreten sollte, was von ihm erwartet wurde. Nichts hatte ihn darauf vorbereiten können. All die viele Nächte, da er die zertrampelten Pfade durch das riesige Land gestiefelt war und in seinem Kopf den finalen Kampf erträumt hatte. Die Geschichten über Drachenjagden, all das war wertlos für ihn. Auch sein Schwert, dachte er. Etwas unbeholfen ließ er es in die Scheide sinken.<br /><br />Der rote Drache ging ihm gerade mal bis zum Gürtel. Die Nüstern schnaubten, witterten und versuchten den fremden Geruch des Menschen einzuordnen.<br /><br />Wie lange war er schon hier in dieser Höhle? <br /><br />Jarin machte vorsichtig ein paar Schritte und begann langsam das kleine Wesen zu umrunden. Er konnte nicht glauben, dass dies der Drache war, dem er den Gnadenstoß verpassen sollte. All die Geschichten, Sagen und Legenden waren erstunken und erlogen! Doch warum schickte der König ihn in dieses Eisöde?<br /><br />Der kleine Drache machte ein paar unbeholfene Gehversuche, schnaubte und begann zu springen wie ein Hase. Jarin folgte ihm unaufgefordert tiefer in die Halle hinein. Große steinerne Säulen trugen das Gewölbe. Die Wärme ging eindeutig von dem kleinen Wesen aus, denn an den Felswänden tropfe Wasser und weiter oben konnte er sogar Eiskristalle ausmachen.<br /><br />Egal was kommen mochte, Jarin beschloss dem Kleinen einfach zu folgen. Ihn zu verstehen, war das mindeste, was von ihm erwartet wurde! So stapfte das ungleiche Paar tiefer und tiefer in das Gewölbe.<br /><br /><br /><br /></span><div style="text-align: center;"><span style="font-size:85%;"><span style="font-weight: bold;">***</span> </span><br /></div><span style="font-size:85%;"><br /><br />Das Monster donnerte wie ein wild gewordener Rammbock durch die engen Gänge. Die Schuppen schmirgelten Stein und der Lärm toste durch den Berg. Die Nüstern des Viechs plusterten sich auf und zogen sich zusammen. Die saphirfarbenen Augen blitzten wild in der Dunkelheit.<br /><br />Tiefer und tiefer ging es, hinab ins Innere des Bergmassives. Die Krallen wetzten über Stein, Geröll und Dreck. Fledermäuse stoben von den Wänden, aus dem Schlaf gerissen und wurden augenblicklich durch die Wucht des Ungetüms gegen die Wände gedrückt. Das Schreien war ein mörderisches Gezeter; die Musik des Todes in den höchsten Tönen.<br /><br />Plötzlich hielt der Blaue inne. Der massive Kopf riss einen Brocken aus der Wand, als er hin und her schlug, wie der Schwanz hinten Dreck nach links und rechts peitschte.<br />Er roch es… Augenblicklich erfasste den Blauen eine sagenhafte Wut und schneller als zu vor bahnte er sich mit roher Gewalt den Weg hinab.<br /><br /><br /></span><div style="text-align: center;"><span style="font-size:85%;"><span style="font-weight: bold;">***</span> </span><br /></div><span style="font-size:85%;"><br /><br />Die Beiden, Drache und junger Krieger, verstanden sich von Anfang an. Vielleicht lag es an der Melodie, die Jarin verzaubert hatte, bestimmt aber, weil der unerfahrene Krieger verstand, das Frieden und Liebe in dem kleinen Ding ruhten.<br /><br />Der Kleine Rote führte ihn in eine Art Schatzkammer, was Jarin erinnerte, das Sagen doch nicht so trügerisch waren, wie er mit dem Anblick des Kleinen gedacht hatte. Diamanten, Saphire, Rubine, Opale und andere glitzernde Steine funkelten im Licht, das von den Schuppen des Drachen pulsierte. Der Kleine schnappte nach einem der Steine, einem roten Rubin und spuckte ihn zu Jarin, der im ersten Augenblick inne hielt und den Schatz voll verzücken bestaunte.<br /><br />Als Jarin den Rubin aus dem Dreck fischte und ihn betrachte, hörte er das donnernde Grollen. Der Rote begann aufgeregt hin und her zu springen. Seine kleinen Schwingen wirbelten voll Panik die wenige Luft durcheinander.<br /><br />„Schhhh!“, machte Jarin zu seinem kleinen Gefährten. <br /><br />Der rote Drache verharrte. Die großen silbernen Augen an den jungen Krieger geheftet, schien auch er zu lauschen. <br /><br />Es klang, als ob eine riesige Herde Bullen durch die Dunkelheit stürmte, oder Legionen von Dämonen. Fasst glaubte Jarin sie sehen zu können. Das Geschwader der Hölle, gesegnet von Blutopfern und Unheil der dunkelsten Materie, bereit Verderben und Angst in die Glieder jener zu bringen, die ihnen gegenüber standen. Das Unheil bohrte sich durch das Gestein, fraß sich tiefer und tiefer, näher und näher… Viel zu nahe…<br /><br />Jarin zog sein Schwert, umkrampfte das vergoldete Heft mit beiden Händen. Seine Augen suchten in den Schatten, die vom pulsierenden Licht des Drachen, eine magische Aura, rot und lieblich, die Steilwände und Steindecke entlang gescheucht wurden.<br /><br />Das Brüllen erschütterte Mark und Bein. Jeglichen Zweifel verstreut, baute sich Jarin vor dem kleinen Wesen auf. Es war so seltsam, dachte er. Vorhin hatte er noch Zweifel gehegt, ob sein Schwert dem kleinen Wesen die lieblichen Klänge für immer entreißen sollte. Vielleicht jedoch, war der Drache, den er suchte schon unterwegs und das rote Geschöpf nicht das, für was er es hielt. Dem jungen Krieger schossen in diesen wilden Augenblicken, da das Unheil durch die Ferne preschte, jeglicher Vorstellung ausgesetzt, so viele Gedanken durch den Kopf. Stimmen rangen um seine Aufmerksamkeit, doch nichts konnte ihn davor warnen, was ihn erwartete.<br /><br />„Sing!“, schrie er plötzlich, da das Donnern und Grollen ohrenbetäubend von den Wänden schmetterte. Seine Stimme wirkte so kleinlaut, so verloren. Die Muskeln in seinen Armen spannten sich, bis sie schmerzten. Was immer kommen mochte, er wollte es aufhalten. Doch die Glieder schienen dem Willen nicht zu gehorchen. Angst und Schrecken trieben ihr Unwesen mit dem jungen Krieger.<br /><br />„Sing!“, brüllte er gegen die trommelte Gewalt, die sich durch das Innere des Berges bohrte, bereit alles zu zerstampfen, was ihr in den Weg kam.<br /><br />Jarin begann seiner Verzweiflung zu verfallen und wie wild zu rufen, zu flehen. <br /><br />„Sing! Mein Kleiner! Das Lied, jenes schöne Lied!“, versuchte er dem verschreckten Drachen zu seinem Zauber zu bewegen. <br /><br />Das tiefe Grunzen rollte wie dunkler Donner durch das Gewölbe, die Bestie nur noch wenige Meter entfernt. <br /><br />„Sing dein Lied!“ Jarin hatte sich umgewandt; kniete vor dem Drachen. <br /><br />Die Kleine machte nur große Augen und hatte die Flügel geknickt. Das Pulsieren seiner Aura wurde langsamer, verschreckter. <br /><br />Schließlich musste Jarin dem Grauen gegenüberstehen. Und es war nur Recht so, dachte er, als die ersten blauen Schuppen mit den großen Krallen sich aus einem der Gänge zwangen. Das Gewölbe erzitterte. Eis brach von der Decke, zerspritzte zu seinen Füßen und dann sah er den blauen Drachen, das Monster, dessen er sich fürchtete und für das sein Schwert bestimmt war.<br /><br /><br /></span><div style="text-align: center;"><span style="font-size:85%;"><span style="font-weight: bold;">***</span> </span><br /></div><span style="font-size:85%;"><br /><br />Der Augenblick der Konfrontation war zeitlos. In diesen Momenten, als sein Hals wie zugeschnürt ihm die wenige Luft in der Höhle verwehrte, begann Jarin zu verstehen, was es hieß ein Krieger zu sein. All die Fechtübungen wirkten so bedeutungslos, die vielen Reden und Übungen, die Schmerzen und Peinigungen, die er erduldet hatte, verschwammen zu einer blassen Erinnerung. In diesen Atemzügen, glaubte er sein Schicksal gefunden zu haben und es verhieß nichts Gutes für ihn!<br /><br />Das Monster war so formlos, wie es schien. Die großen Schuppen, die die Massen des Körpers zu einer eisigen Rüstung verzierten, waren scharf und voll Dreck. Die Schwingen nach hinten gebogen, riesige Dinger, die gegen die Felswände rieben. Das Maul, die Zähne ein Stahlgebiss wie aus Titan, glitzerte und funkelte. Der Eisdrache war der Inbegriff von Monstrosität und ungebändigter Kraft. Die Nüstern wölbten sich, als der Eisstaub hinaus rieselte. Mit jedem Atemzug wurde es kälter.<br /><br />Das Brüllen erschütterte den Boden, mit all seiner Gewalt und dennoch hielt Jarin stand. Er blickte hinauf zu dem Ding. Der keilförmige Kopf, mit den blitzenden Halbmonden, die saphirgrün leuchteten, rutschte nach links und rechts, damit die Augen ihn jeweils einmal einfangen konnten.<br /><br />Jarin wagte einen Blick über die Schulter. Der keine Rote zitterte voller Entsetzen. Die Augen rollten ohnmächtig nach links und rechts, die Flügel regungslos.<br /><br />Jarin zog das Schwert zurück und lief. Seine Waffe zischte durch die Luft, während er mit aller Gewalt auf den blauen Riesen zustürmte. Die Schuppen empfingen ihn mit Eiseskälte. Die Stahlklinge klirrte über die Eisrüstung des Ungetüms. Die Vibration schoss die Arme hinauf und Jarin taumelte zu Boden.<br /><br />Das Monster schob sich langsam vorwärts. Jarin kroch durch den Dreck, versuchte sich aufzustemmen, doch die Kraft verließ ihn wieder.<br /><br />Schließlich lag er zu Füßen des kleinen roten Drachens. Ein Häufchen Elend, kraftlos und dennoch unverwundet. <br /><br />Der Kopf des Monsters kam hernieder, krachte auf den Boden, der sofort mit der Erschütterung zu splittern begann. Es krachte, als ginge eine riesige Lawine nieder und der Boden spaltete sich. Unter Jarin klafften rote Schlünde und feuerwarme Dämpfe zogen hinauf.<br /><br />Der kleine Drache sprang vor, in dem Augenblick, da die Krallen des Blauen in den Dreck stauchten, genau vor dem jungen Krieger. Wie ein roter Ball sprang er zwischen den Beinen und dem Massen aus Eispanzer und Tatzen hindurch. Der Kopf des Monsters schnellte hoch, gegen die Decke, was Dreck, Steine und Eis hinab regnen ließ. Jarin rappelte sich auf und sah gerade noch, wie der rote Drachen einen riesigen Feuerskegel gegen die Schuppenmassen des Ungetüms feuerte.<br /><br />Die Edelsteine klirrten aneinander, als sie zwischen den Rissen hindurch rieselten, sich den Weg verstopften und dann verstand Jarin, mit einem Mal. Sie waren der Schlüssel, sie waren das Instrument, von ihnen hatte der kleine die Melodien gelernt. Denn, als die Steine aneinander rieben erklangen die Jarin nun so vertrauten mystischen Klänge.<br /><br />Doch der Kampf tobte. Aus dem Augenwinkel erkannte er die Gefahr und schlug das Schwert nach links, wo der Kopf des Monsters gerade nach dem kleinen schwenkte. Das Schwert zog einen tiefblauen Ritz entlang der Schnauze. Nur dort, so schien es, war das Monstrum verwundbar!<br /><br />Doch die Steine durften nicht verloren gehen. Wahrscheinlich hatte der kleine Rote sie all die Jahrhunderte bewacht, den Schutzzauber, den sie dem geübten Musiker sicherten. Und so kam es, dass das verlorene Drachenlied wieder gefunden wurde. Jarin erinnerte sich in diesem Augenblick nur ganz wehmütig an die Erzählungen von Nephir, dem Magier, der seine Lederrüstung mit einem Schutzzauber verfeinert hatte.<br /><br />Der kleine Rote sprang nach rechts. Die Schnauze des blauen Riesen rammte gegen Fels, was erneut den Boden erschütterte. Jarin hechtete über eine kleine Schlucht, wo die Steinmassen hinab ins Lavameer fielen. Er begann wahllos die Edelsteine zu nehmen und in die Taschen zu stopfen.<br /><br />Ihre Blicke trafen sich eine Sekunde, als Jarin beobachtete, wie der Kleine erneut eine Feuersäule hervor spukte, die dem Monstrum wildes Geschrei entlockte. Doch auch der rote Drache war nicht außer Gefahr, als einer der Riesenflügel den Kleinen erwischte, als dieser hinaufflatterte. Der Kleine würde gegen die Felswand gedonnert, wie zuvor die Fledermäuse.<br /><br />„SING!!“ schrie Jarin. <br /><br />Die Steine in seinen Händen begannen zu glühen, als der erste Ton der verzauberten Melodie des verlorenen Drachenliedes ertönte. Das kehlige Röhren des Monstrums zerschnitt den Gesang des Roten, der zu Boden fiel, um sogleich mit wildem Flügelschlag für Sekunden in der Luft zu schweben und dann sanft, direkt unter den Massen des Monstrums, das sich erhoben hatte, auf dem sicheren Boden landete. Es sang aus Leibeskräften. Die pulsierende Aura erstrahlte so rot wie noch nie. Jarin erinnerte sich an jene Nacht, da Nephir ihn zur Seite genommen hatte. „Das verlorene Drachenlied“, hatte er gesagt, „ist der größte Schatz!“ Jarin hatte ihn fragend angesehen.<br /><br />„Wir wissen, dass Drachen niemals sterben werden und nur mit diesem Lied, kann man sie für immer im Zaum halten. Zumindest die garstigen!“ Jarin lächelte bei der Erinnerung. Nephir hatte jenes selige Kichern nicht verhehlen können. „Doch gib acht, denn ich denke, es ist längst verschollen. Suche Deinen Drachen tapferer Krieger…“ Jarin hatte kaum bemerkt, das Nephir ihm versuchte das Geheimnis seiner Reise anzuvertrauen<br /><br />Das Monstrum wälzte sich nach links und rechts. Schuppen rissen Felsbrocken heraus. Doch mit jeder neuen Note, begannen die Schuppen auszufallen. Es klimperte, als fielen tausende Taler herab und schließlich brach das Ungetüm zusammen.<br /><br />Der rote Drache verstummte und nur noch Jarin stieß in einem ihm plötzlich vertrauten Rhythmus die Steine aneinander. Es war die Melodie, die er erträumt hatte, die ihn leitete. Es war das Lied der Liebe, des Kampfes und der Freude. Der kleine rote Drache sprang zu ihm und ließ sich neben dem erschöpften Krieger nieder. Die Melodie hallte noch lange in dieser Nacht.<br /></span> </div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-11303288294543897842007-05-20T02:25:00.000+02:002007-05-20T02:42:18.302+02:00RED DEVIL<div style="text-align: justify; font-family: verdana;"><span style="font-size:85%;"><br /><br />Schneeflocken tanzten sanft durch die Nacht, als die Scheinwerfer über den Asphalt huschten und das Brummen des Motors durch die Dunkelheit entlang der Landstraße hallte. Im Inneren des Wagens schimmerte der matte grüne Glanz der Armaturen und die Musik plärrte laut. Es waren Songs der 50er und 60er, Diamanten aus einer Zeit, in der Wagen wie dieser die Blicke aller auf sich zogen. Der feuerrote Ford Mustang war ein Vehikel, das jedem einen Blick abverlangte und Bernard Vandermeer träumte vor sich hin, während der Meilenzähler sich langsam drehte.<br /><br />Hin und wieder sang er mit, und mit jeder Meile, die er durch die Nacht huschte, verstrickte er sich mehr in seinen Träumen. So ging es jedes Mal und diese Nacht würde nicht anders sein als viele zuvor, da der rote Mustang, Bernards Red Devil, auf der Jagd gewesen war.<br />Bernard Vandermeer hatte sich schon längst in dem Traum seines Mustangs verloren, jagte quer durch die Staaten, nach etwas, das es nicht geben konnte. Sein Leben hatte sich gewandelt. Von einem Tag auf den anderen war er in den Wagen gesprungen und geflohen.<br /><br />Nicht mehr als ein halbes Jahr war es her, daß er an jenem Sommertag so viele Enttäuschungen hatte erleben müssen. Es war ein schöner lauer Sommermorgen gewesen, da er den Brief seiner Frau neben sich im Bett gefunden hatte. Die Zeilen voll messerscharfer Worte, die ihn verklagten, verhöhnten und einen nichtsnutzigen Ehemann schimpften, hatten Migräne und Bauchschmerzen heraufbeschworen. Seine Ehe, wie überhaupt sein ganzes Leben, war schon davor eine Farce gewesen, doch jener Sommermorgen war die Spitze des Berges, den er tollwütig erklomm, um sich dann hinabzustürzen, in ein Leben fern aller Vorstellungen.<br />Mandy, seine Ehefrau, ein nettes Ding, das drei Straßen weiter sich mit ihrem Lover vergnügte, wie Bernard durchaus bekannt war, hatte ihn verlassen. Die Beschuldigungen waren nur Lügen! Denn wie sonst kam es, daß er ein Haus besaß und regelmäßig Geld nach Hause brachte, das sie für teure Sachen ausgab? Oh, sicher, er war nicht jemand, der sich auf Sparen verstand und seine feuerrote Liebe, der Ford Mustang, kostete sicherlich auch eine Portion Bares. Aber dieser Wagen verließ ihn auch nicht oder schrieb bescheuerte Briefe!<br /><br />So oder so ähnlich waren seine Gedankengänge gewesen, als er dort im Bett gelegen hatte, mit dem vermaledeiten Brief in der Hand. Wut war über ihn gerollt, wie der Mustang über den Asphalt, und er hatte plötzlich laut gelacht.<br /><br />»Du blöde Schlampe... « Lachen und Wut gingen einher und dann hatte ihn wieder einer dieser Aussetzer ereilt.<br /><br />Diese Erinnerungen jagten ihn jede Nacht und auch so in dieser schneeweißen Winternacht, da er sich irgendwo auf einem verlassenen Highway in Idaho befand. Er erinnerte sich jedes Mal von neuem an diesen Tag und nur der Geruch der Lederpolster von Sitz und Innenverkleidung, konnten ihn davor bewahren, mit halsbrecherischer Geschwindigkeit einfach gegen einen Baum zu donnern.<br /><br />Jener Sommermorgen brachte noch mehr Überraschungen als einen Brief von einer Ehefrau, die er nicht mehr verstand. Er war dann, nachdem er aus dem Nichts des Aussetzers wieder in einen Zustand der Trauer verfiel, aus dem Bett gestiegen. Der Wecker auf seinem Nachttisch, ein Modell eines Ford Mustangs (Teil einer Sammlung) ließ ihn die Augenbrauen hochziehen: Wieder einmal war es kurz nach neun und er mehr als dreißig Minuten zu spät.<br /><br />»Scheiß drauf... Dann kauft heute eben jemand seinen Wagen woanders.«<br /><br />Das Geschäft, sein Stolz und Hobby, war jedoch nicht nur in seiner Hand. Sein Partner, Vernon Palmer, war ein Fuchs und er machte ihm die Hölle heiß. Schon seit Wochen, denn die Firma selbst befand sich am finanziellen Abgrund. Schuld, natürlich, wie immer, war er, denn angeblich gab er zu viel aus; für Ersatzteile und Tuning, das überhaupt nicht gebraucht wurde.<br /><br />Er stand dort in seinem Schlafzimmer, den Pyjama zerknittert, unrasiert und die Haare hingen ihm in die Augen, als er die Kinder hörte. Das Gellen ihrer Stimmen war hell, voller Freude und paßte in einen Sommermorgen wie ein Lächeln. Doch bei Bernard vollbrachten die Kinderstimmen nur Magenkrämpfe. Sofort sprang er an das Fenster, riß die Jalousie zur Seite, das Fenster auf und schrie: »Wenn ich einen von euch Pissern an meinem Wagen erwische, werdet ihr euch wünschen, eure Mutter hätte euch nie geboren!«<br /><br />Wie oft schon hatten sie ihre Spielzeugtraktoren in die Einfahrt gestellt? Wie viele Male waren die blöden Kinderpfoten auf dem roten Lack zu finden gewesen, kurz nachdem er seinen Red Devil glänzend poliert hatte?<br /><br />Bernard drehte das Radio lauter, als Jerry Lee Lewis Great Balls of Fire schmetterte und die Wut in seinem Bauch wandelte sich in ein Gefühl von Kraft und Schnelligkeit, als er das Gaspedal durchdrückte. Der blutrote Mustang beschleunigte, die Reifen griffen sicher auf der verschneiten Straße.<br /><br />Das war etwas Besonderes. Sein Red Devil ließ sich nicht stoppen, niemals! Der Wagen war ein Schatz, eine Bestie, die nur er zu dressieren wußte.<br /><br />Der Sommermorgen spukte weiter in seinem Kopf herum, während die Musik ihn durch die Nacht begleitete. Nachdem er die Kinder in Schrecken versetzt hatte, war er in die Küche gewandert, nur um dort zu sehen, daß Mandy noch eine Überraschung für ihn vorbereitet hatte. Auf dem Fußboden hatte sie mit Kirschmarmelade, klebrig und rot, in fetten, haßerfüllten Buchstaben eine Botschaft für ihn hinterlassen: »Zur Hölle mit dir und deinem Scheisskarn!«<br /><br />Erst als er die paar Schritte zum Kühlschrank gemacht hatte und die rote Frühstückskonfitüre an seinen Füßen klebte, hatte er es gesehen. Wie war er aus der Haut gefahren! Er hatte geschrieen, getobt und dennoch hatte er der Botschaft nicht entfliehen können.<br /><br />Unter der Dusche war es wieder soweit gewesen, daß Wut und der aufbegehrende Magen ihn in einen seiner Aussetzer schickten. Während das Wasser ihn vollspritzte, den Körper mit wohligen, heißen Schauern beschenkte, spielte sich in seinem Kopf wieder dieses dunkle Etwas ab, daß er nicht begreifen konnte, jedoch schon seit Kindesbeinen kannte. Es hatte etwas mit Rot und Autos zu tun und es war ein Platz, wo er jemand war, den alle fürchteten. Die Zeit, die er dort verbrachte, war eine Zeit der Regeneration, in der sich seine Batterien aufluden, die von Angst, Wut und Trauer jedes Mal bis auf den letzten Funken leergefahren waren.<br /><br />Jedoch jetzt, da er durch die graue Winternacht in seinem Red Devil dahinglitt, entlang den grauen Adern des Asphalts, der sich Meile für Meile durch Amerika zog, waren diese Aussetzer anders. Jedes Mal, wenn es geschah, war es ein Gefühl des Glücks, nicht der Leere, und es machte süchtig. Oh ja, ganz gewiß! Wenn die Räder über den Asphalt surrten, der Motor voll Kraft und Ungezügeltheit knarrte, geschah etwas mit ihm.<br /><br />Dennoch, in dieser Nacht suchten ihn die Erinnerungen heim wie dunkle Geister. An jenem Sommermorgen war sein Leben in tausend Scherben zerbrochen, mit jedem Schritt, den er machte. Als er sich halbwegs wieder unter Kontrolle gehabt hatte und aus der Dusche gestiegen war, hatte er nicht gewußt, daß sein Leben an diesem Tag eine Wendung nehmen würde. Vom Gejagten zum Jäger, vom Eingeschüchterten zum Herrscher. Die Klamotten hatte er sich einfach so übergeworfen und seine Augen schienen die leergefegten Schränke, wo einstmals die Kleider seiner Frau und ihre Habseligkeiten gewesen waren, nicht zu sehen.<br /><br />Der Postmann kam in dem kleinen Ort in Kalifornien immer pünktlich und als Bernard aus dem Haus stürzte, besorgt um seinen Red Devil, der womöglich nicht mehr dort in der Einfahrt wartete oder einem Attentat seiner Frau zum Opfer gefallen sein mochte, war er fast über den Berg aus Briefen gestolpert. So, als hätte er Fußball spielen wollen, hatte er die Post weggeschossen. Die Briefe, mehr als ein Dutzend, verteilten sich auf dem Rasen.<br /><br />»Verdammt!« Als er sie nach und nach einsammelte und entdeckte, daß sie allesamt an ihn adressiert waren, braute sich wieder ein neuer Sturm aus Wut und Angst in ihm zusammen. Da war ein Brief von der Bank, zwecks der Hypothek des Hauses, dann Strom, Rechnungen – kurz: Ein finanzielles Pulverfaß, das er in seinen Händen hielt, bereit alles, was er geschaffen hatte, in einer verheerenden Explosion hochzujagen.<br /><br />Er zerriß die Briefe instinktiv. Jedes Mal, wenn das Papier zerschnipselt vor seinen Füßen lag, fühlte er sich etwas besser. Mochten sie ihm das Haus nehmen! Er brauchte es nicht! Mandy war ein Haus so wichtig gewesen, ihm dafür die Garage. Doch seinen Red Devil störte ein wenig Regen nicht und Kaliforniens Winter verhießen wohl kaum Schnee! So war dies keine Sorge, die ihn plagen konnte.<br /><br />Jedoch, als er den letzten Brief in der Hand hielt: Ein Pfändungsbescheid.<br /><br />»Diese blöde Schnalle... alles hat sie geplant«, schrie er in den Morgen hinein.<br /><br />Dort, in der Einfahrt, wartete sein Red Devil und niemand würde ihn kriegen! Kein Beamter einer Pfändungsbehörde! Niemand! So war er in den Wagen gesprungen, hatte Briefe und Haus verlassen.<br /><br />Da jedoch jeder Mensch durch den Alltag in eine halbe Maschine verwandelt wird, fuhr Bernard, ohne sich dessen bewußt zu sein, quer durch das kleine Kaff nach Süden hinaus, wo 'Palmer & Vandermeers – Motorservice', den Kunden Tor und Tür öffnete, auf daß ein paar der alten Klunker eine neue Garage fanden.<br /><br />Das kleine Nest erwachte früh an jenem Sommermorgen und so hatten alle mit angesehen, wie der seltsame Kerl in dem feuerroten Ford auf den Parkplatz gerauscht kam. Bernard war, während der Red Devil mit exakter Stadtgeschwindigkeit über die Straßen rollte, wieder dort gewesen, wo Dunkelheit ihn erfrischte und nach dem erneuten Aussetzer fühlte er sich entschlossen genug, in das kleine Büro hineinzustapfen, dort Palmer zu packen und gegen die Wand zu schmeißen.<br /><br />Wie hatte Palmer geheult und geschrieen, als die Faustschläge ihn im Gesicht trafen!<br /><br />»Du dreckige Sau! Du betrügst mich wie meine Schlampe... «<br /><br />Wieder hatte er zugeschlagen, auch als Palmer zeterte, daß er doch gar nicht wüßte, wovon er spreche. Doch Bernard fiel nicht auf dieses Unschuldsspiel rein, nicht dieses Mal! Er hatte ihm erklärt, daß es nichts bringen würde, wenn er ihn an die Behörden verpfiff.<br /><br />»Ich habe dich nicht verpfiffen! Wie kommst... «<br /><br />Dann war es geschehen. Lügen, Lügen und nochmals Lügen. Jeden Tag hatten sie ihn betrogen, hatte er, der dumme Bernard, alles geschluckt! Aber nicht an diesem Sommertag! Er hatte ausgeholt und irgendwie war es dann passiert.<br /><br />»Er war selbst dran Schuld!«, brüllte Bernard in seinem Mustang, als er auf dem Interstate Highway kurz hinter Boise die nächste Ausfahrt nahm.<br /><br />Palmers Augen waren erstarrt, als Vandermeer ihn so fest geschlagen hatte, daß dieser zur Seite und in die große Glasvitrine stürzte. Selbst im Tod hatte er ihm noch zugesetzt, denn draußen hatten die wenigen Kunden an dem großen Fenster gestanden, durch das die Sommersonne ins Büro schien. Dann war es zu spät gewesen. Mit wehenden Haaren war er davongerannt, vorbei an der Sekretärin.<br /><br />Die blöde Schnepfe rief ihm nach, er solle stehenbleiben.<br /><br />Sein Red Devil hatte dort im Sommerlicht auf ihn gewartet, wie ein Fels in der Brandung. Als das Geschrei nach Polizei und Arzt quer über den Parkplatz heulte, wo die Sonne sich in den vielen Windschutzscheiben der Autos spiegelte, war er in den feuerroten Mustang gestiegen. In dem Augenblick, da er die Tür zuschlug und der Lederduft ihn umgab, hatte er die Kraft gespürt, die ihn nun seit etwa einem Jahr ruhelos quer durch die Staaten, auf der Flucht vor Polizei und FBI, ziehen ließ. Irgendwie hatte sein feuerroter Mustang ihm mit einem Schutzzauber belegt, wie sonst war es zu erklären, daß niemand ihn fand, keiner ihn stoppte?<br /><br />Von Zeit zu Zeit hatte er auf den Rasthöfen in einem der Diners im Fernsehen seine Story in den Nachrichten verfolgt und gesehen, inwieweit die Ermittlungen in mehr als zwanzig Mordfällen quer durch die Staaten vorangingen. Manchmal hatte er sein Gesicht auf den Steckbriefen erkannt, doch auch er veränderte sich mit jeder Meile, wie sein Mustang. Nach jedem Opfer, das sie zur Strecke brachten, hatte der Mustang sich gewandelt, das wurde Vandermeer klar.<br /><br />Erst die Nacht zuvor, als er wegen einer neuen Tankfüllung an einem Truckstop gehalten hatte und dort im Schein der Neondampflampen stand, während der teure Sprit hineingurgelte, war es ihm aufgefallen. Jenes Rot schien jedes Mal seine Schattierungen zu variieren. Genauso merkwürdig war, daß die Reifen auch in dieser verschneiten Nacht keinen Millimeter rutschten und er mit mehr als 60 Meilen die Stunde über die schneeweiße Landstraße donnerte.<br /><br />An die Opfer, von denen in den Nachrichten traurige Geschichten berichtet wurden, konnte er sich nur neblig erinnern. Es war ein wenig, als hätte er sie auf seiner Reise schon mal irgendwo gesehen, aber mehr kam ihm nicht in den Sinn. Wenn er in den Berichten ihre Namen und Fotos sah, blickte er auf, von seinem Essen, meist Burger oder anderes Fastfood, weil er glaubte, den Namen schon mal gehört zu haben. Aber das war auch schon alles.<br /><br />In jener Nacht jedoch, da er alleine durch das Schneetreiben jagte in seinem Ford und die Musik ihn träumen ließ, war das alles vergessen. Sein Gesicht im Rückspiegel ließ ihn nicht zusammenschrecken und Fragen peinigten ihn dieses Mal auch nicht. Auch wenn es genug gab. Beispielsweise das Geld, das jedes Mal von neuem in dem kleinen Handschuhfach in der roten Geldbörse sich finden ließ. Oder, daß ein Radio keine Nachrichten brachte, nur immer seine alten Kassetten spielte.<br /><br />Welche Kassetten? Er hatte doch nie Kassetten gemocht. Die einzige Musik, der er in der Werkstatt lauschte, während er schraubte und werkelte, war von dem alten Plattenspieler gekommen!<br /><br />Trotzdem, die schwerwiegendste Frage mochte er sich nicht stellen. Wie lange hatte er diesen Wagen schon? Wann war er damit nach Hause gekommen? Wenn Erinnerungen ihn jagten, so waren es die, die von der Gemeinheit der anderen ihm gegenüber hervorgerufen wurden. Der Red Devil war nur eine feste Konstante in seinem Leben, etwas das irgendwie schon immer dagewesen war.<br /><br />Jedoch, als aus der weißen, verschneiten Winternacht ein Wintermorgen wurde und die ersten Sonnenstrahlen sich über das Land streckten, stotterte der feuerrote Mustang zum ersten Mal. Es geschah ganz nebenbei, daß die Bremsen versagten und Bernard plötzlich mit 75 Meilen über den Asphalt rollte. Der Motor plötzlich wieder ein wütendes Grollen und Bernard glaubte zu wissen, was vor sich ging.<br /><br />»Wir finden jemanden!«<br /><br />Jedes Mal, da der Wagen begann zu bocken, spürte er plötzlich den Schmerz der Fragen, die durch seinen Kopf schossen und ihn jagten. Hatte dieses Feuerrot nicht von Beginn an ihn in seinem Bann gehalten? War nicht das Rot ein Meer aus Blut, das den Lack dieses Monsters bildete? Und vor allem, woher hatte er die Karre?<br /><br />Bernard keuchte, als der Mustang ein weiteres Mal ruckte und dann wieder Gas gab. Das war auch so etwas... Wie konnte der Wagen beschleunigen, wenn er bremste? Es geschah abermals, als der rote Feuerball der Januarsonne den grauen Asphalt in ein dunkles Rotbraun tauchte und Bernard konnte sich nicht der Macht des Mustangs entziehen.<br /><br />Die Reifen rauschten durch den meterdicken Schnee wie eine Walze, schnell und tödlich. So war es immer. Die Macht ließ den Motor röhren, während der Meilenzähler immer schneller surrte und dann konnte Vandermeer wieder fühlen, wie er in der schwarzen Zone versank, die andere ihm als Aussetzer so oft beschrieben hatten.<br /><br />Es war nicht schwarz, nein, eher ein dreckiges Braun, das vor seinen Augenlidern dahinrauschte, während der Mustang, unaufhaltsam schnurgerade die Landstraße entlang hetzte. Das Summen des Motors schwoll zu einer Melodie voller Wut und Angst heran. Der Geruch des Leders lockte und spielte mit ihm, bis er dort im Wagen plötzlich die Augen verdrehte, sich schüttelte und dann eins wurde mit der Bestie, die schon viel mehr als zwanzig Leben auf dem Gewissen hatte und seit Jahren durch die Welt geisterte. Vor ihm hatten schon andere an diesem Lenkrad gelitten, deren Energie sich in tödliches Benzin verwandelte, wenn sie mit voller Geschwindigkeit über die Straßen rauschten.<br /><br />Der Red Devil war ein metallener Blutsauger, der sich seine Opfer suchte. Vor Vandermeer hatte jemand anders die Straßen unsicher gemacht und es war nicht wichtig, wer den Schlüssel ins Zündschloß schob. Es war wichtig, was er für ihn fühlte.<br /><br />Vandermeer jedoch verstand nun, als der Mustang über eine Anhöhe setzte und stetig weiter beschleunigte, daß er dem Wagen verfallen war. Denn, als die Räder einen Augenblick in der Luft schwirrten und das rote Monster sich im Sprung befand, er in den Rückspiegel blickte, da sah er auf dem Rücksitz die vielen Zeitungsberichte, die er monatelang gesammelt hatte.<br /><br />Die Stoßdämpfer gaben ein quietschendes Geräusch von sich. Dann, als Metall über den Asphalt schabte wie ein Schrei, erwachte Bernard zum ersten Mal aus dem dämonischen Bann. Denn als die Zeitungsberichte vorbei flogen, erkannte er das Gesicht seiner Frau Mandy. Die Schlagzeile lautete:<br /><br />Frau erliegt ihren Verletzungen nach Autounfall mit Fahrerflucht.<br /><br />»Nein!«, schrie er.<br /><br />Doch der Mustang donnerte weiter, unaufhaltsam. Der Zeitungsausschnitt lag auf dem Beifahrersitz und Vandermeer las voll Schrecken. Er spuckte die Worte laut heraus, und das Grauen kratzte an seinem Verstand.<br /><br />Mandy Vandermeer, die Frau des Inhabers von 'Palmers & Vandermeers Motorservice', ist in der Nacht zum Dienstag, dem 7.Juli auf ihrem Nachhauseweg von der Bar 'Blue Notes' Opfer eines Unfalls mit Todesfolge geworden. Augenzeugen berichteten, daß ein weinroter Ford Mustang älteren Baujahres...<br /><br />Die Tränen rannen heiß über Bernards Wangen und seine Stimme war voll Entsetzen, doch er las weiter.<br /><br />...sie vom Fußgängerweg geschleudert habe, als sie an einer Ampel wartete. Der Fahrer des Fahrzeuges beging Fahrerflucht – Ermittlungen wurden eingeleitet.<br /><br />»Das ist niemals so gewesen!«, schrie er wieder.<br /><br />An den Scheiben zogen Fichten und Tannen vorbei, als der Mustang eine Doppelkurve nahm, die durch ein Waldstück führte. Die Reifen schmirgelten über den schneeverwehten Asphalt und Bernard wurde kotzübel. An jenem Dienstagmorgen, da hatte der Red Devil in der Einfahrt gestanden. Jedoch, er glaubte zu wissen, daß er den Wagen in der Garage des Motorservices am Montagabend noch auf die Hebebühne gefahren hatte. Denn er hatte den Auspuff gegen ein Sportmodell auswechseln wollen...<br /><br />Augenblicklich erschien vor seinen Augen jene Szene an der Tankstelle, als er im Schein der Neondampflampe den Lack verwundert betrachtet hatte. War er da nicht weinrot gewesen?<br />Es konnte nicht sein!<br /><br />Mit einem Mal fiel Bernard aus diesem inneren schwarzen Loch des Grauens, das er immer als Beruhigung empfunden hatte. Diese Aussetzer, waren sie nicht doch ein Beweis dafür, daß er sich nicht erinnerte, wo er überall mit seinem Mustang gewesen war?<br /><br />Niemals, der Red Devil war auf seiner Seite!<br /><br />Plötzlich wollte Vandermeer einfach nur dieses Gefährt stoppen! Die Bremsen versagten.<br />Das Radio spielte verrückt. Stimmen brüllten ihn an: »Versager! Nichtsnutz!«<br /><br />Doch Vandermeer hatte den Bann gebrochen. Die Tränen rannen über seine Wangen, als er den Kopf gegen das Lenkrad schmetterte und heulte.<br /><br />»Du hast mir alles genommen!«, schrie er. Der Mustang beantwortete dies nur mit einem Quietschen der Bremsen.<br /><br />Der Wagen schleuderte, spritzte Schnee in alle Himmelsrichtungen und kam schließlich, quer auf der breiten Landstraße, die rechts und links von Nadelwald flankiert wurde, zum Stehen.<br />Sofort versuchte Bernard die Tür aufzustoßen, doch nichts half.<br /><br />Er blickte wild um sich. Er trommelte auf das Leder seines Sitzes, schrie, heulte und immer wieder sah er das Gesicht seiner Frau, voll Liebe und nicht erfüllt von Haß oder Hohn. Er war diesem Dämon verfallen und nun zahlte er seinen Blutzoll...<br /><br />Bernard rupfte den Sicherheitsgürtel aus der Halterung, so sehr sprang er auf dem Sitz auf und ab. Die Trauer zerriß ihn Stück um Stück, während der Motor des Red Devils nur gluckste, abwartend und wohlgefällig.<br /><br />Für jeden der Fahrer kam die Zeit des Abschieds und Vandermeers brach gerade an. Jedoch bedeutete Abschied auch den Tod. Ein weiteres Opfer, dessen Blut die Reifen zieren würde. Der Wagen surrte und schnurrte im Leerlauf. Die Scheiben beschlugen.<br /><br />Die Scheibenwischer rutschten plötzlich wild auf und ab. Das Licht der Scheinwerfer blitzte im Stakkato in den Morgen, als der Lichtschalter unaufhörlich zwischen Standlicht und Fernlicht hin und her klickte. Bernard spuckte und heulte immer wieder den Namen seiner Frau. Hatte er doch alles verloren, und war nun aus dem Schlaf des Ahnungslosen erwacht.<br /><br />Schließlich zersplitterte die Fensterscheibe der Fahrertür unter den trommelnden Fäusten Vandermeers. Er hievte sich heraus und spürte nicht, wie sich die verbleibenden Splitter im Rahmen der Autortür ins Fleisch gruben und Blut hervorbrachten.<br /><br />Er klatschte in den Schnee wie ein Sack Mehl. Ein paar Sekunden sah er unter das Chassis der Teufelsmaschine und dann schrie er. Dort klebten die Überreste von Fleisch an den heißen Rohren des Auspuffs. Bernard rappelte sich auf, nach Atem ringend, im Bann des totalen Entsetzens. Der Wald und die vom Schnee verkrustete Straße waren stille Beobachter, als er in den frühen Wintermorgen seine Qual hinausheulte. Er stolperte ein paar Schritte zurück, bis er den Halt verlor und in den Graben stürzte. Dort im Schnee, der eisig in sein Gesicht biß, konnte er hören wie der Motor plötzlich erstarb. Dann war nur noch das leise Ticken des Motors zu hören, als er abkühlte.<br /><br />Der Red Devil schien auf ihn zu warten, mit ihm zu spielen.<br /><br />Bernard kroch aus dem Graben und betrachtete voller Haß dieses metallene Monster, wie es quer auf der Straße stand. Als er einen Schritt an den Ford heran machen wollte, erklang ein anderes Geräusch.<br /><br />Er blickte in die Richtung, aus der er das stetig anschwellende Donnern zu hören glaubte. Er verstand erst nicht, was es war. Doch dann brachen die Scheinwerfer hinter der Kurve hervor und überfluteten ihn.<br /><br />Der Motor des Mustangs heulte plötzlich auf.<br /><br />Er hörte, wie die Schaltung knackte, als das Ding versuchte, so schnell wie möglich in einen höheren Gang zu schalten. Die Reifen spuckten Schnee nach vorn, doch sie gruben sich nur tiefer in ihn hinein.<br /><br />Bernard lächelte breit. Er begriff schlagartig, was geschah.<br /><br />In dem Augenblick, da der Lastzug nur noch wenige Schritte von ihm und dem Mustang entfernt war und das Heulen der Hörner in den angebrochenen Morgen gellte, sprang Vandermeer in den Graben. Wieder biß der Schnee in sein Gesicht und er schnaubte und lachte wild, als der Truck gegen den Mustang donnerte und das Ding mehrere Meter die Straße entlang schob, bis es schließlich, zur Seite wegkippte in einen Graben.<br /><br />Stille herrschte Augenblicke lang, als es vorüber war.<br /><br />Bernard rappelte sich abermals auf und kroch hinauf auf die Straße. Als er in die Richtung blickte, wo der Truck irgendwie zum Stehen gekommen war, explodierte der Tank des Mustangs und eine blutrote Feuersäule loderte empor.<br /><br />Der Trucker fand ihn auf der Straße, wo er zusammengebrochen in den Himmel hinaufstarrte.<br /><br />»Alles in Ordnung, Mann?«, fragte der besorgt.<br /><br />»Ja – Sie haben mir das Leben gerettet!«, antwortete Bernard.<br /><br />Der Lastwagenfahrer verstand nichts, doch er fragte nicht weiter.</span></div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-84911385765750944252007-05-20T02:24:00.001+02:002007-05-20T02:24:40.748+02:00VATERLIEBE<div style="text-align: justify;"><span style="font-family: verdana;font-size:85%;" >Nur eine kleine Leselampe erhellte das Zimmer mit dem Bett und dem kleinen Jungen auf dem Stuhl, der dort saß und aus einem dicken Buch laut vorlas. Die Augen des kleinen - nicht mehr als neun Jahre mochte er sein – waren vertieft in die Worte und seine Stimme, wenn auch traurig, so doch klar und jung. Im Bett unter dem Laken lag ein Mann, regungslos und dem Tode so nah.<br /><br />Licht erhellte das Krankenzimmer nur spärlich und die Schatten in den Ecken schürten keine Angst bei dem Jungen. Er las und las, laut und voller Eifer und dennoch, nichts half – der Mann im Bett regte sich nicht.<br /><br />Schließlich, als die Stimme des Jungen zu zittern begann und die Tränen ihm in den Augen standen, schlug er das Buch von Wut gepackt mit einem dumpfen Knall zu und schmiss es auf den Boden. Dort lag es einige Augenblicke, die Seiten zerknickt. Der Titel des Buches war „Die Bibel“.<br /><br />Das Schluchzen durchzuckte den kleinen wie Schüttelfrost und er wimmerte, verloren und vergessen in diesem kleinen Zimmer mit der scheinbar toten Gestalt im Bett. Was war es für eine Welt, in der die Worte der Bibel keinen Sinn mehr machten und das Leben selbst nur noch Trauer mit sich brachte? Wenn auch erst neun, so fühlte sich der Kleine betrogen. Vater und Mutter hatten ihm gesagt das Leben sei schön und nun?<br /><br />Die Tür wurde aufgestoßen und eine Krankenschwester kam herein. Ihr Blick richtete sich sofort auf den Kleinen, der noch immer weinte. Beinahe trat sie auf die gebundene Ausgabe der Bibel. Sie nahm das Buch und kam auf ihn zu. Ihr Lächeln war nicht voll Freude, sondern verzogen von Mitleid und Trauer. Ihre Augen jedoch sprachen von Liebe, wie der kleine Junge sie einst in den Augen seiner Mutter hatte finden können.<br /><br />„Warum macht Gott, dass wir sterben?“ schrie er plötzlich.<br /><br />Sie strich durch sein Haar. „Nicht, Ben. Schhh...“ Sie nahm ihn in die Arme und die heißen Tränen sanken in den weißen Stoff ihres Schwesternkittels.<br /><br />Auch in ihren Augen standen plötzlich Tränen.<br /><br />So blieben sie dort in dem kleinen Zimmer am Ende des Ganges der Unfallstation und es erschien so endlos, so sinnlos. Warum musste ein Kind allein das Leben erfahren, dass einen in Trauer und Angst erstickte?<br /><br />Sie alle hatten den Mann dort im Krankenbett gekannt. Er war berühmt gewesen und im Fernsehen hatten seine einstmals klaren Augen die Menschen verzückt. Das Leben hatte dem armen Mann böse mitgespielt. Nur der Junge war ihm geblieben, nachdem die Ehefrau einen sinnlosen Tot gefunden hatte, in dieser Stadt, die für jeden in der nächsten Gasse den Tot bereit hielt, wie es schien. Man hatte sie aufgefunden irgendwo in der Bronx, das Gesicht zerkratzt, die Adern geschlitzt und missbraucht. Gnade hatte sie erst ereilt, als sie in dem Krankenwagen ihren letzten Atemzug gemacht hatte.<br /><br />Die Schlagzeilen hatten Hunderte Zeitungen überall im Lande geziert und die Menschen verschreckt und in Trauer gestürzt. Doch das Leben selbst war rätselhaft und verworren. Es nimmt was es gibt und das Schicksal eines jeden war es damit umzugehen. Aber dieser kleine Junge hatte schon soviel Leid erfahren...<br /><br />Doch dann hörten sie die Stimme, gebrochen und voller Schmerz. Es war die Stimme des Mannes, zerrieben von der Qual des Atmens, doch er sprach noch lauter.<br /><br />„Mein Ben!“<br /><br />Der kleine Junge glaubte nicht was er hörte und zaghaft drehte er sich um, zum Bett, wo der Mann starr an die Decke blickte. Doch die Lippen bewegten sich. Ben sprang an das Bett und suchte in den starren Augen nach der Liebe des Vaters. Wenn die Augen nur erloschene Fackeln waren, so doch erklang in der Stimme des Mannes die Liebe zu seinem Sohn.<br /><br />„Weine nicht!“ sagte er, die Worte hervor quetschend.<br /><br />„Es wird nicht lange dauern, dann ist es vorbei.“ erklärte er.<br /><br />Die Schwester stand noch immer mit der Bibel in der Hand am Fuße des Bettes und biss sich auf die Lippen. Ihre Tränen fanden nichts, das sie aufhielt und leckten so über ihre Wangen.<br /><br />„Glaub weiter an das Wort, das du liest und schreibst, mein Ben! Erzähl den Menschen nicht, es sei falsch an die Liebe zu glauben“ sprach der Mann, den sie als Pfarrer Brownstone kannten. Der Mann, der es geschafft hatte ihnen den Glauben wieder zu bringen, an den Frieden in einer Welt, für die es scheinbar nur noch wenig Hoffnung gab. Er war nicht nur Pfarrer, sondern Diplomat und hatte die Botschaft des Friedens in vielen Staaten dieser Erde gepredigt.<br /><br />Doch Hass regierte noch immer, und so war es gekommen, dass ein Wahnsinniger ihn angefahren hatte. Der Wagen war schwarz wie der Tod selbst gewesen, hatten Augenzeugen voll Furcht und Trauer zu Protokoll gegeben. Als Brownstone an der Straße gestanden hatte und der Wagen aus dem nichts um die Kurve gesprungen war, hatten seine Augen nicht gezwinkert. Sein Schrei hatte den Sonnenmorgen zerbrochen in einen Tag voll Leid und Trauer.<br /><br />Ben küsste seinen Vater das letzte Mal, als dieser hauchte: „Sei stark und kämpfe für deinen Glauben mein Sohn. Niemand wird deinen Glauben nehmen. Pass auf dich auf...“ Dann war nur noch Stille, nur unterbrochen vom Weinen des Kleinen und der Schwester.<br /><br />Als sie Ben mit aus dem Zimmer nahm, sagte er: „Ich will wie Vater sein.“ </span> <br /></div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-85245558000081935902007-05-20T02:22:00.000+02:002007-05-20T02:23:25.555+02:00TODESGÖTTIN<span style="font-size:85%;"><br /></span><div style="text-align: justify;"><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family: verdana;">Regen klatschte gegen das Fenster und ich konnte mich nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal hinaus gesehen hatte. Vor mir auf dem Tisch lagen die Zigaretten, Streichhölzer, mein Ausweis, mein Leben wenn man so wollte. Wohin ich unterwegs war verkniff ich mir mich zu erinnern. Es hatte sich alles so schnell verändert. Mein Leben war in einen Strudel geraten und das nur weil ich eine Anhalterin hatte ein Stück mitnehmen wollen. Nun war ich gesucht in fünf Staaten und ich wollte nicht wissen, wieviel Kopfgeld sie ausgesetzt hatten. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family: verdana;">Natürlich trug der verdammte Regen nur noch mehr zu meiner miesen Stimmung bei. Am liebsten hätte ich die Pistole genommen sie mir an den Kopf gehalten und endlich Schluss gemacht, jedoch fehlte mir die Kugel dafür. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family: verdana;">Ich nahm einen weiteren Schluck von der pisswarmen Cola und grunzte. Mein Leben eine Farce, meine Träume ein Nebel aus Angst. Und dann sah ich die Frau dort draußen stehen, sie war es wieder. Ich hatte nicht geträumt, ich war nicht bescheuert, es war keine Einbildung, kein Geist. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family: verdana;">Ich kniete am Fenster, das leicht beschlug, als ich ihre zierliche Gestalt wieder erkannte. Fast konnte ich mich an ihre letzten Worte erinnern, als mir der kalte Finger der Angst die Wirbelsäule hinabstrich. </span></span><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family: verdana;">Ich kratzte schnell meine wenigen Habseeligkeiten zusammen, fischte ein paar Scheine aus meiner Jeanshose und warf sie auf den Tisch. Dann hastete ich zum Ausgang. Meine Augen noch immer hinaus gerichtet, wo die Frau nun sich nach vorn an das Fenster eines blauen Camaro beugte. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family: verdana;">Ich war schon in der Tür, ja schon draußen, als ich den Deputy hinter mir hörte. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family: verdana;">"Mister?" </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family: verdana;">Ich wusste es war der Deputy, es war so sicher wie das Armen in der Kirche. Ich erinnerte mich nun blitzartig an seine stechenden Augen, die zwei Tische weiter vorn, die er gesessen hatte. Sollte die seltsame Frau wieder mein Verhängnis werden? </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family: verdana;">Ich tat einfach so, als hörte ihn nicht und ging forschen Schrittes schnurstracks auf die Frau zu. Sie schien mit dem Kerl im Camaro zu reden, aber ich hörte nur ihre Stimme. Die Erinnerungen benebelten mich so sehr, dass ich den Deputy nicht hörte, der rief: "Stehen bleiben!" </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family: verdana;">Als ich schon bei dem Wagen war, ihr die Hand auf die Schulter legte, hörte ich den Deputy: "Verdammt! Bleiben sie stehen ...." </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family: verdana;">Mir wurde augenblicklich klar, er richtete eine Waffe auf mich. Die Frau, sie drehte sich, sah mich von oben bis unten an und dann sah ich etwas, das ich nicht sehen wollte - sie lächelte. Es war ein Lächeln, das einen den Magen herum drehte. Es war das Lächeln, das wohl der Kerl im Gefängnis aufsetzte, wenn er den Strom durch den elektrischen Stuhl schießen lässt. Es war das kalte Lächeln des Hasses, der Lust und des Verderbens. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family: verdana;">Im gleichen Augenblick, da ich was sagen wollte, war es auch schon geschehen ... der Schuss traf mich sauber und direkt in der rechten Schulter. Der Schmerz war schlimm, jedoch kurz. </span></span><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family: verdana;">Der Tod war ein warmes Bett voll schwarzer Seide, jedoch was mich dort erwartete ließ jeden Gedanken an die Hölle nur umso wahrer werden. Sie lag dort, in ihren Augen das Fegefeuer und ihre Finger waren so kalt ... </span></span> <br /></div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-36776262990340215052007-05-20T02:17:00.001+02:002007-05-20T02:17:40.323+02:00DER MANN DES SCHMERZES<div style="text-align: justify; font-family: verdana;"><span style="font-size:85%;"><br /><br />Das kleine Glockenspiel bimmelte wild, als die Tür aufgestoßen wurde. Sofort rauschte der Wind des sterbenden Herbsttages herein, heulte und schob die Kälte gegen die Wände. Jenkins, der Apotheker schaute auf und sah den Mann in der Tür stehen. Eine Gestalt, die lange Schatten im dahinschwindenden Tageslicht warf, leicht nach vorn gebeugt, so als ob sie etwas auf dem Fußboden suche.<br /><br />„Guten Abend, der Herr.“, begrüßte Jenkins den Fremden und kam hinter der Theke vor, wo das große Glas mit den Kaubonbons für die Kinder wartete. Sein weißer Kittel verfärbte sich grau, als der Wind die Bäume durchschüttelte, die sich an den Straßen in den Himmel erhoben und deren Schatten zum großen Fenster mit der Auslage hinein in die Apotheke glitten.<br /><br />Dann rutschte die Tür ins Schloss mit einem Lauten Rums und der Mann blickte auf. Das Spiel der Schatten jedoch verbarg sein Gesicht in Dunkelheit und Jenkins dachte kurz, dass der anbrechende Herbstabend, nichts schönes für ihn bereit hielt.<br /><br />Wie um diesen Gedanken abzuwerfen, schüttelte der Apotheker den Kopf und kam noch ein paar Schritte näher. Der Mann hatte sich nicht bewegt, einmal abgesehen vom Auf und Ab der Brust, wo das Herz schnell dahin rasselte.<br /><br />„Was kann ich für sie tun?“, fragte Jenkins.<br /><br />Endlich bewegte sich der Mann wieder. Er kam ein paar Schritte näher, so dass sein Gesicht sich dem sterbenden Tageslicht offenbarte. Jenkins holte tief Luft, als er sah, das es in eine Maske des Schmerzes verzogen war. Die Stirn war gefurcht. Der Hut, der nur schräg auf dem Haupte saß, konnte die wenigen Haare nicht verbergen und die Haut war bleich wie der Asphalt der Straße, direkt vor der Apotheke, wo gelegentlich Fahrzeuge im fahlen Licht der Dämmerung vorbei glitten, wie Schiffe auf ferner See.<br /><br />„Kopfschmerzen!“ <br /><br />Jenkins schien erst nicht zu verstehen, obwohl Apotheker und vor allem, einer, dem die Leute sich anvertrauen und der geschätzt war für Kompetenz und Kundenfreundlichkeit in dieser kleinen Stadt. Als der Mann ein weitres Mal das Wort hervor brachte und seine Lippen auf und zu schnappten, weil er kaum Luft holen konnte, verstand er.<br /><br />„Oooh – natürlich. Wollen Sie ein Aspirin kaufen?“<br /><br />Jenkins drehte dem Fremden den Rücken zu, machte zwei, drei Schritte, bis er an dem Regel war, wo die Medikamente in ihren bunten Verpackungen um Käufer buhlten. Er fischte die Brille aus seiner Kitteltasche. Nun furchte sich seine Stirn, als er die Verpackung aufrupfte und den Beipackzettel heraus holte. Das alles war Teil seiner Arbeit, die er gewissenhaft jeden Tag vollbrachte und auf die er auch Stolz war. Er hatte es sich zur Regel gemacht, den Patienten auf alle Risiken hinzuweisen. Dazu gehörte, dass er immer vorher noch einmal den Beipackzettel konsultierte und da machte ein simples Schmerzmittel auch keine Ausnahme.<br />Jedoch als er den Rücken dem Fremden hatte zugewandt und nun kurz den Beipackzettel überflog, konnte er sich nicht auf das Kleingedruckte konzentrieren, denn das Atemgerassel wurde mehr und mehr zu einem Schnaufen und dann wieder die Stimme, die immer nur „Kopfschmerzen“ rief, fast wie eine Warnung.<br />Er blickte über die Schulter und mit leichtem Entsetzen betrachtete er den Mann, der sich mit beiden Händen den Kopf hielt.<br /><br />„Kopfschmerzen“, rief er wieder.<br /><br />„Sie wollten vielleicht lieber einen Arzt aufsuchen.“ schlug Jenkins vor. <br /><br />Er ließ die Aspirinpackung in die Kitteltasche fallen, die vorher seine Brille beherbergt hatte und wandte sich dem Mann vollends zu. Er kam näher, ganz nahe und blickte wieder in das Gesicht aus Schmerz und Pein. Jenkins versuchte den Mann zu der kleinen Sitzecke zu geleiten, wo die alten Damen immer saßen und meist Freitags einander sich über ihre Krankengeschichten unterrichteten.<br />Doch der Mann schubste ihn nach ein paar Schritten weg, schrie Laut seine Qual heraus.<br /><br /><i>„Kopfschmerzen!“</i>, jaulte er.<br /><br />„Ja ich verstehe schon, aber setzen Sie sich doch erst einmal. Dann kann ich Ihnen auch helfen. Entspannung brauchen Sie, Entspannung.“<br /><br />Jenkins redete auf den Fremden ein, voller Sorge und auch etwas verängstigt von der Qual, die in den Augen geschrieben war und sich in Schmerzensschreien artikulierte.<br /><br />Der Mann zitterte plötzlich und Jenkins hatte seine Mühe ihn zu stützen und zur Couch zu ziehen. Dort ließ der Mann sich auf das Leder fallen und die Augen, sie flatterten kurz, bis die Lieder sich schlossen.<br /><br />„Besser?“, fragte Jenkins, als der Atem des Mannes regelmäßiger wurde und die Schreie ausblieben.<br />„Mhh... Hmm“ machte der Fremde und schüttelte den Kopf, was jedoch wieder die Schmerzen erwachen ließ. Augenblicke später jaulte er.<br /><br />„Einen kurzen Moment doch, bitte! Ich hohle ein Glas Wasser, dann nehmen Sie mal zwei von den Aspirin.“ <br /><br />Jenkins fummelte die Verpackung wieder aus der Tasche und entnahm zwei Tabletten, die er auf den kleinen Beistelltisch legte. Er warf einen besorgten Blick auf den Mann, der den Kopf auf die Brust gelegt hatte.<br /><br />Der Hut war verschwunden! <br /><br />Blitzartig badete Jenkins Rücken in wabernden Schauern aus Angst, als ihm klar wurde, das der Mann dort auf der Couch ihm zum verwechseln ähnlich sah, nur eben ... älter..<br /><br />„Das kann nicht sein“, flüsterte er und um der zunehmenden Gänsehaut Paroli zu bieten, wiederholte er es noch mal.<br /><br />„Das ist nicht möglich...“ <br /><br />Aber viel half es nicht.<br /><br />Die Apotheke füllte sich mehr und mehr mit Schatten, als die Dämmerung sich langsam der hereinbrechenden Nacht beugte. Jenkins sprang schnell zum Lichtschalter, konnte er die Anwesenheit des Mannes und der dunklen Schatten in der Apotheke doch nicht mehr ertragen.<br /><br />„Also, ich bin gleich wieder da!“, versicherte er. Seine Stimme, jedoch, war unsicher. Hatten eben noch die Sorgen seine Gedanken geprägt, so zogen die Gichtfinger der Angst jetzt ihre Fäden. Er schüttelte den Kopf, es war bloßer Zufall, dass der Mann , der dort lag und offenbar eingenickt war, ihm so glich...<br /><br />Jenkins stolperte fast, als er auf den Hut trat, der zu Boden gefallen war. Seine rechte Hand jedoch fand Halt an der großen Dattelpalme, die einzige Pflanze hier, die der Apotheke ein südliches Ambiente verlieh und die er von seiner Mutter bekommen hatte, vor langer Zeit.<br /><br />Er bückte sich, nahm den Hut und als er ihn in der Hand hatte, glaubte er plötzlich Stimmen zu hören. Nur einen Augenblick, so geisterhaft und schrill, dass er fast von Schmerz erleuchtet, schrie.<br />Dann war es vorbei und er schmiss den Hut zu dem Fremden auf die Couch.<br /><br />Der Kühlschrank im hinteren Teil der Apotheke war voll mit kleinen Mineralwasserflaschen und als Jenkins die Tür aufzog und nach einer griff, wirkte die Kälte angenehm. Sie schien ihn zu befreien von dem beklemmenden Gefühl, das ihn ergriffen hatte. Die schwarzen Haare mit den wenigen grauen Strähnen hingen ihm ins Gesicht und am Haaransatz hatte sich etwas Schweiß angesammelt. Er schraubte die Flasche auf, die erlösend zischte.<br /><br />Zwei, drei Schlücke entließen ihn aus dem Ungemach der Angst in ein wohliges, zufriedenes Gefühl. Einen Moment lang hegte er den Gedanken einfach zur Hintertür zu entschwinden und seinen seltsamen Gast zu vergessen. Doch das war nicht sein Stil und auch wenn das alles so seltsam wirkte, der Mann hatte Schmerzen und er war dafür da, um ihn zu helfen.<br /><br />Jenkins seufzte, stellte die angefangene Flasche zurück in den Kühlschrank und nahm eine frische heraus. Das kleine Kabuff hier hatte einige Annehmlichkeiten, wie einen Toaster, einen kleinen Ofen, zwei Stühle, den Kühlschrank und einen Tisch. Die Mittagspause verbrachte er meist hier und las in der New York Times, oder grübelte auf der Rätselseite. Er holte noch ein sauberes Glas aus dem kleinen Schränkchen über dem Kühlschrank, dann drehte er sich um, bereit wieder nach vorn zu gehen.<br /><br />Der Vorhang, der das kleine Stübchen vom Verkaufsraum mit der Theke trennte, entließ ihn wieder zu seinem Patienten. Das wenige Licht jedoch hatte die Schatten nicht ganz vertreiben können.<br />Jenkins kam hinter der Theke vor mit der kleinen Flasche in der Hand. Seine Augen wieder voll Sorge, denn der Atem das Mannes hob die Brust nun wieder schneller und ohne jeden Rhythmus. Der Kopf wippte dabei, von der Brust gehoben, auf und ab, wie ein ertrinkender, der vergeblich versucht den Wellen zu entkommen.<br />Jenkins setzte sich zu dem Mann, stellte die Mineralwasserflasche und das Glas auf das Beistelltischchen.<br /><br />„So, jetzt hab ich das Wasser.“, sagte er unsicher.<br /><br />Er wollte nach den beiden Tabletten auf dem Beistelltischchen greifen, als ein zweites Mal der Schreck ihn erwischte. Plötzlich riss der Fremde an seinem Arm und schrie unverständliches Zeug. Vom Schreck gepackt, ließ Jenkins die Tabletten fallen. Die Beine ruckten gegen den Beistelltisch, bis das Glas umfiel, quer über den Tisch rollte, wie eine gläserne Walze und schließlich zu Boden krachte und dort in tausend Scherben zerplatzte.<br /><br />Doch von alledem bemerkte Jenkins nichts. Seine Aufmerksamkeit galt nur dem reißenden Arm und den wirren Worten des Fremden. Jene Worte, die nach und nach ihn erreichten...<br /><br />„Sie müssen verstehen .... Diese ...“ <br /><br />Der Fremde hustete kurz und der Anblick des Leidenden widerte Jenkins an.<br /><br />„Ich muss Ihnen was sagen“, jaulte dieser wieder.<br /><br />Jenkins fasste seinen verbliebenen Mut und unterbrach ihn unsanft. <br />„Sie brauchen Aspirin und setzen Sie sich auf, wie soll ich ihnen sonst helfen?“<br /><br />Doch der Mann verstand nicht. Keineswegs, denn er redete einfach weiter, von der Qual getrieben. Jenkins konnte nicht anders, er ließ ihn reden. Aber den Worten entziehen konnte er sich ebenso wenig, wie dem erschreckenden Begreifen, als der Mann sagte: „Ich bin gekommen um Sie zu warnen! Was Sie sehen, diese ... Schmerzen ... es sind ihre Schmerzen!“<br /><br />Jenkins ahnte plötzlich was das bedeutete und glaubte den kommenden Schmerz zu spüren.<br /><br />„Sie müssen einen Arzt aufsuchen .... Sie sind krank ...Sie ...“<br />Und die letzten Worte des Satze sprachen sie zusammen, der Fremde mit einem erleichterten Seufzen, als er sah, dass Jenkins verstand und der Apotheker mit Entsetzen: „Sie haben Krebs...“<br />Dann plötzlich verblasste alles. <br /><br />Jenkins hörte immer noch die Worte, als er am nächsten Morgen, von den grauen Sonnenstrahlen eines neuen Herbstmorgens geweckt, erwachte. Der Hut lag neben ihm. Auf die Aspirinpackung hatte jemand gekritzelt: <i>Gehen Sie zum Arzt, denken Sie an den Mann des Schmerzes!</i><br /><br />Der Apotheker seufzte und nickte.<br /><br />„Ja, es kann nicht schaden...“</span> </div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-26576406788051451052007-05-20T02:14:00.000+02:002007-05-20T02:22:00.044+02:00GEISTERTANZ<div style="text-align: justify;"><span style="font-size:85%;"><i style="font-family: verdana;">„Sie sind überall, ich kann nicht anders, als sie zu sehen! Sie sind dort in der Ecke, diese dunklen Augen, die mich fixieren und wenn ich einen weiteren Atemzug tue, werden sie kommen, mich holen! Sie stehen neben mir, wenn ich morgens auf den Bus warte, wenn ich mich dann setze und über meine Schulter blicke, sehe ich diese dunklen Gestalten mit den leuchtenden Augen unter den Roben. Ich kann das Kichern, das Zetern hören, wenn sie um mich tanzen. Ihre Stimmen so hoch und jaulend, so zischend und herzzerfleischend. </i><br /><i style="font-family: verdana;">Überall wo ich auftauche, sind sie schon vor mir und wenn ich mir im Supermarkt etwas zu essen hole, wissen sie schon, was es ist. Alles ist geplant, sie beschatten mich Tag und Nacht. In der Dunkelheit wird es immer schlimmer, wenn ich dort in meinem Bett hocke, die Decke bis unter die Nase gezogen und die dunklen Mächte mit den Wolken heran wogen. </i><br /><i style="font-family: verdana;">Doch diese Zeit hat ein Ende, bald, so ist es gewiss. Ich werde kämpfen, Biss für Biss, ich spiele Eurer böses Spiel und werden entweder siegen oder dem Tode endlich erliegen.“</i><span style="font-family:verdana;"> </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Diese Worte spuckte er hervor, dort auf der Bank an der Bushaltestelle, irgendwo in einer großen Stadt. Er trug einen maßgeschneiderten Anzug, schwarz wie die Schatten, die er anklagte, ihn zu jagen. Seine Schuhe waren leuchtend sauber, eine Krawatte jedoch trug er nicht. Die Haare kurz, unauffällig und neben sich auf der Bank hatte er den Aktenkoffer. Am Halter des Koffers war eine Handschelle und das andere Ende schloss sich um die rechte Hand. Doch man sah es so kaum. Der Ärmel seines Hemdes und des Anzuges verdeckten dies. Er trug eine Brille mit kleinen Gläsern und seine Augen dahinter, einstmals ein sprudelndes Blau, waren in ein Grau verblichen. Die Augen sprangen hin und her, suchten zwischen den Passanten, welche die große Einkaufsmeile auf und abgingen, nach seinen Peinigern, doch bisher sah es ungefährlich aus. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Ein weiterer Blick ging zum großen Kirchturm, wo man das Zifferblatt im warmen Sommermorgen zwischen ein, zwei Wolken erkennen konnte. Kurz vor 12 Uhr Mittag und der Sekundenzeiger glitt der letzten Minute entgegen. Der Bus musste also jeden Moment kommen und Randolph war sich sicher, dann würde dieser beschauliche Sommertag schnell ein jähes Ende nehmen. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Als der Sekundenzeiger nur noch 20 Einheiten vor der vollen Minute und damit der vollen Stunde dahin zuckte, kam der Bus. Die Sonnenstrahlen des wunderschönen Sommertages ließen die Windschutzscheibe gleißen und es war, als ob dahinter unsichtbare Geister herum schwirrten. Randolph sprang von der Bank, den Aktenkoffer unter den Arm geklemmt und schritt dem langsam heran fahrenden Bus entgegen. Einige Ahornbäume, die um die Bushaltestelle sich säumten, starteten ein wildes Schattenspiel und als das Zischen in den Sommermittag hustete, erklang das Glockenspiel vom Kirchturm, wo alle Zeiger auf der Zwölf standen. Es war die gleiche Kreuzung, fast der gleiche Tag, an dem vor Jahren dieses grausige Spiel begonnen hatte und Randolph konnte nicht wissen, dass dieses Spiel scheußlicher war, als in seinen dunkelsten Träumen. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Als er die Stufen hinauf kletterte und der Busfahrer ihn anblickte, sah er schon den ersten Boten des Unheils. Der Fahrer schien es nicht zu sehen, aber der ganze Bus war zerteilt in Schatten und Licht, so als hätte man ihn mitten durchgeschnitten und eine Sitzreihe weiß, eine schwarz lackiert. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Randolph blinzelte, dann war es weg. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">„Macht 3, 40“ sagte der Busfahrer und Randolph fischte schnell eine Fünfernote hervor. </span><br /><span style="font-family:verdana;">Im Bus war eine brütende Hitze und der schale Geruch von Unrat und Schweiß erwischte Randolph, als er sich schnell nach hinten aufmachte, um dort einen Sitz zu ergattern. Weitere Fahrgäste waren nicht zu finden und dennoch, irgendwie glaubte Randolph ihre Augen auf seinem Körper zu spüren, wie sie ihn musterten, ihn betrachteten und sich wohl insgeheim über ihn lustig machten. Es waren Geister, deren Beschaffenheit der der Träume gleichkam und das bedeutete, es gab keine Regeln. So würde aber auch Randolph nicht nach ihren Regeln spielen und dieses Mal mochte er gewinnen. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">An den Scheiben zogen Straßen, Bäume, Autos und andere urbane Szenarien vorbei, doch Randolphs Gedanken jagten Schatten der Vergangenheit. Er erinnerte sich, als es das erste Mal gewesen war, dass er diesen Bus bestiegen hatte und als sie ihn gefunden hatten. Nun, vielleicht war es nicht das erste Mal, so doch der Punkt, ab dem es immer schlimmer wurde. Sie hatten ihn dort gefunden, wie er in seinem neuen Anzug, der dümmlichen Krawatte und dem Buch in der Hand, in einer der letzten Reihen gesessen hatte. Anfangs hatte er geglaubt die Stimmen, die ihm beim Lesen immer wieder dazwischen funkten, ihn so verunsicherten, dass er sich nach Fremden hatte umgesehen, wären reine Einbildung. So war es jeden Tag gegangen, wenn er zu seinem neuen Job in das feine Büro fuhr. Damals war sein Leben noch so geregelt gewesen, so beschaulich und nun? </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Der Bus schob sich durch den mittäglichen Verkehr und Randolph stierte aus dem Fenster. Das Spiegelbild darin hätte ihn schon selbst in Dunkelheit und Angst gestürzt, doch er war zu entschlossen, um aufzugeben. Um ihn herum, so sah er jetzt, waren diese Seelen, diese Geister, die ihn verfolgten. Doch waren sie ja nur das geringste Übel. Es war etwas größeres, das dahinter steckte. Es hatte Struktur, Substanz und Bestimmung. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Wie sehnte er sich doch die Zeit herbei, als er einfach nur ein Mensch gewesen war, der seine Arbeit liebte, seine Freunde schätzte und in der Nacht schlafen konnte. Die erste Zeit war so schlimm gewesen, als die Gesichter in der Nacht durch sein Schlafzimmer zogen, wie Bilder aus Rauch und Geisterlicht. Dann waren die Stimmen wieder zurück gekommen, hatten ihn eingeholt und ihn umfangen dort in der Dunkelheit. Was dann geschehen war, lag im Dunst der Angst sich zu erinnern begraben. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Seit dieser Busfahrt vor Jahren damals, hatten sie ihn gefunden, egal wo er hingegangen war, ganz gleich was er tat und wie er sich auch zu verstecken suchte, sie fanden ihn doch. Dem war der Rausschmiss aus der Firma gefolgt, Freunde, die ihn einen Verrückten nannten und der Bruch mit sich selbst, als er versucht hatte, einem Psychotherapeuten das alles zu erklären. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Das Stadtschild huschte vorbei und der Bus schob sich der ersten Steigung entgegen. Randolphs Ziel kam näher und ein Zittern erfasste ihn. Er blinzelte abermals, nur um das wilde Spiel der Geister für einen Augenblick zu betrachten. Vor ihm direkt ertranken sie in einer Lache aus Blut und Erbrochenem. Ihre Gesichter so zerschunden, gequält, doch war er es, den sie widerspiegelten. Sie wollten ihn leiden sehen und das mit allen Mitteln! </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Er blinzelte wieder. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Die Sonnenstrahlen des Sommermittags erhellten den Bus und alles wirkte so lieblich, so zerbrechlich. Oh ja, zerbrechen würde er nicht. Nicht dieses Mal. Sie hatten ihm eine Botschaft hinterlassen vor drei Nächten. Als er aus einer seiner unzähligen Alpträume hochgeschreckt war und in das Badezimmer torkelte, hatte er fast geschrien, als er die Worte am Spiegel mit Blut gezeichnet entzifferte: “Geistertanz“. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Augenblicklich waren diese Worte in tausend Splitter zersprungen, als er die Faust gegen den Spiegel schmetterte und der Schmerz durch ihn schoss. Schmerz war nichts weiter als eine Erinnerung an die Sterblichkeit. Geistertanz bedeutete für den Ahnungslosen nichts, außer vielleicht ein Wort aus einer Geistergeschichte oder der Titel eines Gruselromans, doch Randolph wurde klar, dass er seit Jahren diesen Geistertanz tanzte und es endlich ein Ende haben musste. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Der Bus wurde nun langsamer, da die Serpentinen ihn fast in die Knie zwangen. Am Ende der Reise würde der Leuchtturm warten und dann vielleicht würde er endlich zum letzten Mal diesem Tanz verfallen. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Doch als er aus dem Fenster blickte, die grausige Spiegelung seiner Selbst ignorierte, rutschte ihm das Herz in die Hose, als er am Gipfel des Berges einen dunklen Punkt schweben sah. Sie warteten auf ihn, so war es nun gewiss. Entweder er würde heute Nacht herausfinden, warum er zum Gejagten geworden war oder er würde den Tod sterben, dem die Beute zugedacht war. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Erinnerungen schienen ihn an diesem Tag nicht loszulassen und mochten sie auch nur die Erinnerungen an ein Leben zuvor gewesen sein, dass so fern war, wie die Vergangenheit selbst. Er hatte sein Leben Büchern geweiht, die kaum zu finden waren. Er war ein belesener Mann und hatte nach eben jenem Buch gesucht, das er etwa drei Nächte zuvor, als das Grauen anfing ihn zu jagen, gefunden hatte. Es war ein ganz normaler Auftrag gewesen und er glaubte nicht, irgend etwas Besonderes zu finden, als er in der kleinen Stadt in Spanien fern, so fern, in einer kleinen Schenke mit einem alten Mann redete. Dieser wusste von dem Buch, das man überall nur als das „Dunkel Buch“ oder das „Buch des Sterbens“ kannte. Einige Stunden später hatte er es in den Händen gehabt. Als er an jenem Morgen darin blätterte, während er zur Arbeit fuhr, geschah es. Der Alte hatte ihn gewarnt, doch Warnungen scherten keinen Abenteurer, oder gab es jemanden, der von Abenteurern Legenden spann, die wegen ihrer Unachtsamkeit dem Tod erlagen? Randolph kannte keine. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Mit einem Rumpeln kam der Bus endlich zum Stehen und als die Türen zur Seite sprangen und wieder das Zischen ertönte, rappelte Randolph sich vom Sitz und blickte noch einmal, an der Tür stehend, den Gang entlang zum Fahrer. Er konnte nur den Schatten seines Kinns im Spiegel erkennen, aber Randolph knirschte mit den Zähnen, denn was er noch sah, zog seinen Magen zusammen. Lange Zähne und schwarze Kohlen, die einstmals Augen gewesen sein mochten. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Doch Randolphs Zeit war kurz, denn die Nacht wartete nicht lang. So sprang er schnell die Stufen herunter und kaum war er aus dem Bus, schnappten die Türen zu. Ein dampfendes Zischen, als die Bremsen sich lösten und Staub wirbelte auf, als der Bus davon fuhr. Sofort suchten Randolphs Augen am Horizont, dort wo der Leuchtturm ihn erwartete. Der Schwarze Punkt war nun ein dunkler Flecken. Die Sonnenfinsternis war nahe! </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Welch ein Glück er doch haben musste. Jenes „Dunkle Buch“ sprach nur von einer Zeremonie, die ihm Gnade garantierte und die musste an einem „dunklen Sonnentag“ vollführt werden. So war Zeit rar und auch wenn die aufgärende Hitze ihm die Zunge an den Gaumen klebte, musste er den letzten Weg alleine gehen. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Die ersten Schritte waren voll Angst, dass es auch dieses Mal kein Entrinnen geben würde. Jener Fluch, den er über sich gebracht hatte, war zu seinem Schicksal geworden und wenn dieser letzte Geistertanz ihm wirklich die Freiheit bot, so war der Glaube daran doch nicht sehr groß. Wie sollte er auch, wo man ihn Jahre lang gejagt hatte, durch Dunkelheit, durch Tag und immer hatte er keine Chance gehabt. Es war, als wären jene Dunklen Mächte, die er auf sich gezogen hatte, in ihr wahnsinniges Spiel mit ihm so verliebt, dass jegliche Möglichkeit ihnen zu entfliehen, seinen Tod bedeutete. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">„Nicht dieses Mal“, brachte er hervor. Das Kratzen im Hals machte die Worte beschwerlich, doch alles hatte einen Sinn, einen Platz und so auch diese Worte. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">„Ihr habt mich gejagt“, spuckte er gen Himmel und beschleunigte seinen Schritt den Hügel hinauf zum Leuchtturm. „Ich habe dieses Buch, ihr gnadenloses Pack! Ich beuge mich, ihr bekommt es wieder!“ Er hielt mit letzter Kraft die Aktentasche hoch. Die Sonne wurde Sekunde um Sekunde weniger, eine dunkle Scheibe begann sich davor zu schieben wie von Geisterhand. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Als er nun die letzten Meter hetzte, begannen Wölfe aus Ost und West, Nord und Süd zu heulen. Ein Donnern erschütterte den Tag und der Sommer verwandelte sich in ein graues Bild der Einöde. Nun, da die unheilige Zeremonie sich vollzog, begann der Tanz. Randolph erreichte gerade den Treppenabsatz, der zur Tür des Leuchtturms führte, als die Sonne sich schon zur Hälfte in Dunkelheit warf und das Heulen der Wölfe anschwoll. Nicht nur Wölfe, es waren Geister, die da schrien, Seelen verloren und verdammt, die keiften und heischten. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Randolph riss die Tür auf und in der schattigen Finsternis waren tausend Augen. Er hörte wieder das wilde Crescendo der Stimmen, voll Lust erfüllt von Entsetzen. Er versuchte das Schreien zu ignorieren, das Stechen in seinen Seiten gleichfalls, nur noch hinauf! Nachdem er mehr als die Hälfte der Stufen empor geklettert war, der Schweiß seine Stirn benetzte und der Atem schmerzend in seiner Brust rasselte, als er schon nicht mehr glaubte, das Ende dieser gottverdammten Treppe zu erreichen, schaffte er es. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Das große Fenster empfing ihn mit dem Anblick der Sonne, die sich nun fast zur Gänze in Finsternis tauchte. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">In dem Augenblick, da die Sonne nicht mehr war und die Welt nur noch in Grautönen existierte, sah er die Gestalt, wie sie sich aus den Schatten neben ihm erhob und nach dem Aktenkoffer griff. Randolphs Augen waren große schwimmende Monde und als die Gestalt das Lachen des Vergessens erschallen ließ, Randolph auf die Knie ging und das Ding an dem Aktenkoffer riss, so dass der rechte Arm nach hinten gezogen wurde, stürzten sie hinab aus dem Fenster. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Randolph sah, wie die Gestalt begann in einem Rauch aus Flammen aufzugehen, als sie beide zu Boden schossen. Was er nicht wusste, war, dass er endlich gewonnen hatte. Als er in das dichte Gras fiel, die Knochen aneinander rieben und zu Boden schlugen, der Schmerz durch ihn zuckte, war er endlich befreit von den Geistern der Dunkelheit, der Angst und des Verderbens. Der Aktenkoffer neben ihm war aufgeplatzt und hatte das Buch heraus gespuckt, als die Sonne schon wieder aus der Dunkelheit hell erleuchteten Tag werden ließ. </span><br /><br /><span style="font-family:verdana;">Das Buch, total in schwarzes Leder gebunden, voll von unbekannten Signaturen, ging, ähnlich wie jene Gestalt in Feuer auf, als der rote Feuerball die Dunkelheit bekämpfte. </span><br /><span style="font-family:verdana;"><br />Wenig später, da die ersten Vögel wieder zwitscherten und die Sonnenfinsterns schon längst vorbei und vergessen war, lachte Randolph in den Sommerabend hinein.</span></span> </div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-2125209009380305092007-05-20T02:13:00.000+02:002007-05-20T02:14:26.083+02:00DIE TOTENWACHE<div style="text-align: justify; font-family: verdana;"><span style="font-size:85%;">Es war Nacht ... eine Nacht die noch die Kälte des vergangenen Winters den durch das Dickicht streifenden Schatten zittern lies, die den Raureif auf den kargen, nur kaum von Gras, Blättern und Zweigen gepflasterten Pfad silbrig im Schein des Mondes funkeln lies. Vielleicht kündete diese Kälte, die einem Geist gleich durch die Nacht streifte, ruhelos und nicht zu bannen, von Tod . . .<br /><br />Jedenfalls kam Gnobbler es in den Sinn, als er an der Stätte des Todes den Leichnam seines Vaters barg und die Tränen wie weiße Perlen auf seinen olivgrünen Wangen fast gefroren. Sie hatten einen Streit gehabt ... und so war der Vater davon gestapft, mit funkelnden, wütenden Augen. Sie hatten sich, wie so oft um Kleinigkeiten gestritten, dessen Belanglosigkeiten erst im Nachhinein sich offenbarten und dessen Grund sich Gnobbler nicht erinnern konnte oder wollte. So etwas schien nun nicht mehr wichtig, denn all diese Gedanken, die wie ruhelose Ratten an seinem Gewissen nagten, brachten seinen Vater nicht mehr zurück.<br /><br />Gnobbler stand hier am Gipfel jenes Hügels, da sein Vater ihm das Bogenschnitzen gelehrt hatte, an dem er den Geschichten und Lehren seines Vaters gelauscht hatte, an dem sie die Tiere gehäutet hatten ... an dem er gelebt hatte in einer Welt die von Glück, von einem Gefühl der Heimat begleitet gewesen war ... und hier wollte er seinen Vater die letzte Ehre erweisen.<br /><br />Der Leichnam war nun schon mehrere Stunden alt und er hatte ihn aufgebahrt. Er fürchtete um die Wölfe; deren Geheul immer näher schien. Doch waren sie dennoch die geringste Sorge. Sein Leben hat hier und jetzt einen Wendepunkt erfahren und er wusste nicht, welche Richtung er gehen sollte oder wollte. Er fühlte sich seid langem einmal wieder hilflos und verloren.<br /><br />Der Bär, dessen Blut er wollte, der ihm seinen Vater genommen hatte, war ein Schatten, wie er nun selbst, denn wie sollte er ihn finden? Und wenn er dies tat, diesem Gedanken der Rache folgen, hieß das denn nicht den Verrat an allem Glauben und an seinem Vater zu begehen? Die Augen seines Vaters schienen ihn plötzlich anzustarren, ihn zu warnen. Er wischte sich mit seinen Armen die Tränen aus den Augen, nur um nicht die Fassung zu verlieren, denn er wollte Schreien, Heulen mit den Wölfen... wollte sterben und wollte leben... er konnte nicht verstehen und wollte verstanden werden ... sein Leben hatte sich in einer Nacht geändert und nun, als er vor dem Leichnam seines Vaters kniete an einem Lagerfeuer und die erste Nacht seiner geplanten 7 Tage Totenwache begann, kehrten seine Gedanken sich der Vergangenheit. Alles schien sich zu wiederholen...<br /><br />Die erste Erinnerung schien ihn in einen Kokon des Glücks zu verstricken, denn es waren die simplen Gefühle der Liebe, die er als Baby erfahren hatte, wenn er an der Brust seiner Mutter hing, wenn er das Grollen der Stimme seines Vater zu lieben und erkennen gelernt hatte und er noch nicht wusste, dass die Welt Zähne hatte und einen jederzeit mit diesen beißen, ja auch zerfleischen konnte. Er war in einer Familie aufgewachsen, die ihren einzigen Sohn liebte und liebt und er war stolz gewesen dieses Leben zu leben. Mit 7 Jahren hatte er seinen ersten Bären mit seinem Vater erlegt und er konnte sich noch erinnern, wie das Blut an seinen Händen ihn geekelt hatte, er ins Gebüsch lief und sich übergab, nur um dann von seinem Vater gemustert zu werden, der dann meinte: „Ein Jägerskind, Angst vor Blut, ha ... Sei stark und lern!“<br /><br />Dies war der Anbeginn seiner Lektionen und die Nächte, wenn sein Vater mit ihm durch die Schatten streifte waren aufregend, wie die Legenden und Sagen, die er ihm am Lagerfeuer voller Gestik nahe brachte und der junge Ork mit staunendem Entsetzen verfolgte. Sie hatten zusammen an einem der größten Wasserfälle gestanden, hatten den Wölfen ins Gesicht geblickt.<br /><br />Wölfe! Wieder dieses Heulen. Gnobbler schrak auf, als er das Glühen direkt ein paar Schritte vor ihm in der Finsternis ausmachte: ein Augenpaar. Nun, was passieren würde, würde passieren. Er schrak nicht vor dem Gedanken des Todes zurück, nein er hieß ihn willkommen! Seine innere rasende Wut auf den Tod seines Vaters machte ihn wild, er wollte diesen Wolf zerschmettern, ihn jagen. Doch zunächst war Totenwache von Bedeutung und sollte dieser Wanderer des Todes ihm zu Nahe kommen, würde er dies nicht überleben. Frieden war etwas für die Schwachen, hatte er einmal gesagt und sein Vater, selbst ein ruhiger, verschlossener Jäger, mit seiner Mähne von Haaren hatte nur genickt. Jagd bedeutete Leben nehmen. Damit hatte er kein Problem. Es war eher ein Spiel aus Kraft und Stärke, mit Geschick und Willenskraft hatte er schon so manches Opfer erlegt, es überlistet und war als Sieger aus diesem blutigen Spiel hervor getreten. Gnobbler war in seinem Stamm, der nur wenig an Einfluss in diesen Gegenden hatte, ein geachteter Kämpfer, dessen manchmal verwirrende, verschlossene Art seine Kameraden ihn fürchten ließ. Er war der einzige Sohn und somit hatte er nie Teilen gelernt. Für ihn galt, wie auch in der Wildnis jenes ungeschriebene Gesetz: Töte oder du bist Tot! Verstehen konnte man da nicht viel, es war der Instinkt, das Jagdfieber das einem durch die Nächte wandern ließ auf der Suche nach einem Kampf, einem Kräftemessen mit den Bestien dieser Wälder. Er verabscheute Schlangen, denn sie waren so falsch! Er liebte den Kampf mit Schweinen, sie durch die Nacht zu jagen, ihren Spuren manchmal Stunden lang zu folgen, bis dann endlich jener Augenblick des Todes nahe war, wo sich zum erneuten Male das Schicksal wenden konnte: Würde er die Bestie bezwingen oder deren Opfer sein?<br /><br />Wieder das Heulen des Wolfes und dieses Augenpaar, dieses Glühen versuchte ihn zu fixieren, ihn zu lesen. Gnobbler griff nach seiner Axt, das kalte Metal blitzte kurz im Schein der Mondsichel.<br /><br />„Komm schon!“, grunzte er.<br /><br />Der Wolf, ein dunkler Schatten in einem Meer von Tausend, schien unsicher. Ein dumpfes Grollen seinerseits, und dennoch, der Wolf war nicht sicher, er wanderte nur auf die andere Seite tiefer in das Dickicht.<br /><br />„Angst?“, Gnobbler schien sich zu freuen. Sein olivefarbenes Gesicht war eine schwarze Maske, nur die Augen des Ork blitzten freudig dem wilden Tier entgegen. Da war nicht ein Hauch von Angst, kein Zittern.<br /><br />Für ihn war dieser bevorstehende Kampf ein Weg um seine innere Trauer, die ihn rasend und wirre machte, abzuschütteln. Als Jäger bedeutete es für ihn das Elixier des Lebens der Gefahr gegenüber zu treten. Dies hieß nicht das Gnobbler nur wild durch sein Leben hackte. Mehr als einmal hatte er seinem Vater sein Leben zu verdanken. Denn am Anfang seiner Lehre hatte ihn dieser Rausch des Blutes wild und ungehalten durch die Wälder ziehen lassen. Er hatte nur dieses Fieber gespürt, den Drang sich zu beweisen und war so mehrmals dem Tod nur entrungen, da sein Vater meist in der Nähe wanderte, selbst jagte und dann die Schreie seines Sohnes, die durch den Wald kreischten wie ein Kriegslied, hörte und ihm zu Hilfe geeilt war. Nach einem dieser Rettungskämpfe war sein Vater zu ihm getreten, da der Braunbär zu Boden lag, das Fell mit Blut besudelt, die Fliegen eine schwirrende Wolke und hatte ihn von oben bis unten gemustert.<br /><br />„Waffe weg!“<br /><br />Die Stimme des Vaters, ein dunkles, wütendes Grunzen, hatte Gnobbler verwirrt. Was hatte dies zu bedeuten? Er ließ seine Axt fallen. Das dumpfe Aufschlagen schien gleichzeitig wie ein Schlag in den Magen. Plötzlich fühlte er sich entwürdigt.<br /><br />„Was?“ Es war die Zeit der wenigen Worte zwischen ihnen beiden, wie es schien. Sie waren fast wie Feinde zueinander. Der Vater schien seinen Sohn zu verachten, ihn zu missbilligen, doch Gnobbler glaubte sein Vater schien ihn nur zu neiden. Er hatte immerhin den Ruf, dass er vor nichts Angst hatte! Er hatte den Angriff einer Jägerbande von Menschen mit seinen Stammesgenossen zerschmettert. Er trug die Kette aus Wolfszähnen und er galt als einer der fähigsten Jäger. Sicher dies verdankte er den Lehren seines Vaters, nur gab es die Zeit der Trennung, wo der Lehrling dem Lehrer übermächtig wird. Sein Alter war an ihn heran getreten, spukte ihm vor die Füße und rief „Tölpel, Schwachkopf!“ Gnobbler fletschte die Zähne.<br /><br />„Alles was ich der gelehrt habe ist Kämpfen und Jagen!“ Gnobbler schien dies nicht zu hören, er wand sich ab.<br /><br />„Kämpfe stark, kämpfe reinen Herzens, jage mit Geschick, aber nicht um nur zu töten!“ Sein Vater wand sich ab und ging davon. Gnobbler war ihm gefolgt, die Axt, ein Geschenk seines Vaters, ließ er im Grase liegen. Ein Mitnehmen dieser Waffe hieß eingestehen der Fehler, die sein Vater ihm gegenüber erhob. Es hieß Schwäche zeigen.<br /><br />Gnobbler erinnerte sich nun an jenen Augenblick, so klar, als wäre es an diesem Tage gewesen, da er eben jenen Vater verloren hatte. Sie hatten sich nie richtig wieder akzeptiert, denn sein Vater war anders. Er war nur Jäger, nicht mit dem Herzen eines Kriegers, wie Gnobbler. Für seinen Vater war es der Weg des Jagens, für Gnobbler sowohl der Pfad des Jagens, als auch des Kämpfens. Er hatte seinen Vater damals nicht gleich verstanden, doch nach einigen erfolglosen Jagten, war ihm klar geworden, was sein Alter wollte. Jagen hieß ein Spiel spielen, das nur zum Erfolg führte, wenn man seinen Gegner kannte und nicht sinnlos den nächst besten angriff. Also war er in einer Winternacht davon gezogen und hatte einen Bären ausfindig gemacht. Über sieben Tage hatte er ihn nur beobachtet. Seine Pfade waren ihm dann schnell bekannt. Er wusste den Bären einzuschätzen. Dann hatte er ihn auf einer Lichtung gestellt. Und es war anders, ganz anders! Diesmal glaubte er den Bären fast lenken zu können. Es war dieses Gefühl von Kraft. Er hatte den Bären umlaufen, als dieser versuchte ihn weg von dieser Lichtung zu locken. Sie waren Gefährten geworden. Zwei Kämpfer, die sich gegenseitig herausforderten, zu zeigen, wessen Künste des Jagens den Anderen ins Verderben stoßen konnten. Er hatte diesen Bären auf der Lichtung gestellt. Der Kampf war lang gewesen.<br /><br />Gnobbler lächelte im Schein des Mondes, da er in seinen Gedanken dieses Gefühl der Kraft spürte und er sich an das letzte Brüllen des Bärs erinnerte, als dieser dem finalen Axthieb erlag. Der Wolf schien hier die gleiche Taktik zu verfolgen. Er hatte nun schon in einem Radius von mehr als 3 Metern den Ork umlaufen.<br />Gnobbler fasste einen Entschluss. Er würde diesen Wolf stellen und ihn Jagen. Und er würde dann durch die Wälder streifen und seinen Stamm verlassen. Hier gehörte er nicht mehr hin. Er konnte mit den anderen nicht mehr jagen. Sie alle erinnerten ihn an die Vergangenheit und diese barg nur noch Trauer. Seine Mutter hatte sich von ihm abgewandt, als ob er seinen Vater selbst getötet hatte. Sie schien zu glauben, dass er hätte seinen Vater beschützen müssen. Nur dies war nicht der Weg eines Jägers. Jeder lebte in diesen grünen Schluchten und wenn das Schicksal den Tod offenbarte, musste man es akzeptieren, so war das schon immer.<br /><br />Gnobbler trat an den Leichnam seines Vaters heran. „Ruhe... Vater“ Er nahm einen Holzscheit und steckte den Leichnam in Brand. Die Tränen kamen wieder. Es schien diesmal jedoch ein Gefühl der Reinigung damit einherzugehen. Die Augen des Wolfes leuchteten nun von rechts aus dem Dunklen. Der Wolf schien zu verstehen, dass dieses Leben, das dort in Flammen aufging, nun ein Mitglied im Multiversum der Natur zu werden schien, aus dem er selbst entstammte, wie alles Leben.<br /><br />Gnobbler nahm die Axt und wand sich dem Wolf zu. Die Totenwache war beendet. Er würde dem Wolf ein wenig Zeit geben, ein wenig Vorsprung. Denn dies hier war ihm heilig. Hier hatte er Frieden mit seinem Vater gefunden und hier schied sich sein bisheriges Lieben von dem neuen eines Wanderers und Jägers, auf der Suche nach einem neuen Revier, nach neuen Freunden.<br /><br />Der Dorfällteste hatte von einer Insel gesprochen: Siebenwind. Vielleicht konnte er dort eine Bleibe finden. Er würde die Wanderung beginnen.<br /><br /></span> </div><br /><br /><i>Mehr als 45 Monde später:</i><br /><br /><span style="font-size:85%;"><span style="font-family: verdana;">Er war dem Wolf noch immer hinterher: Mittlerweile schienen sie fast wie Freunde. Sie jagten durch die Nacht. Gnobbler um ihn niederzustrecken, wie er anfangs es geplant hatte. Dennoch wurde ihm klar, dass dieser Wolf nicht sterben sollte. Vielleicht war es einer der Tausendgestallten der Waldgötter. Vielleicht sein Vater selbst. Er folgte ihm und am 46 Tag dieser ungewöhnlichen Jagd kamen sie an einen Strand. Der Wolf stand dort, den Schwanz wedelnd und blickte hinaus aufs Meer. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Wenige Monde später erreichte Gnobbler mit seinem Floß, das er innerhalb einer Nacht aus den geschlagenen Bäumen gefertigt hatte, das Ufer jener Insel. Der Wolf war noch in der gleichen Nacht verschwunden und nun schien es sicher, dass es der Avatar eines Gottes gewesen war. Vielleicht der Gott der Jäger .... Vielleicht nur ein Schatten. Gnobbler ging von Bord und das zittrige Gefühl von Erwartung und Freude erfüllte ihn ... Hier würde er ein neues Leben finden.</span></span>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-11435913094050480172007-05-20T02:11:00.001+02:002007-05-20T02:12:26.241+02:00ECSTASY<i>Inspiriert von "Breadline" und "Ecstasy" by Megadeth</i><br /><br /><br /><br /><div style="text-align: justify; font-family: verdana;"><span style="font-size:85%;">Montagmorgen, die Sonne brennt, das Leben surrt und irgendwie ist alles verloren. All die Stimmen um mich herum und dennoch ist alles so stumm. Ich sehe viel und sehe nichts, schaue in das Licht, als es mich voll erwischt. Die quietschenden Reifen, das Geschrei der Leute, als der Wagen mich fortreist, aus meinem sinnlosen Leben hinein in die Dunkelheit, wo noch immer meine verlorene Seele schreit. Ich hoffe für einen Augenblick, als mein Körper durch die Unendlichkeit schleudert, das Blut ein letztes Mal durch meine Adern presst, auf Ruhe und Frieden. Doch was mich erwartet, ist schlimmer, als das tägliche Aufstehen, erfüllt von Schmerzen im Geist und im Herzen.<br /><br />Alles begann vor einigen Monaten an der Ecke Winston, wo der Typ sicherlich immer noch um die Blöcke zieht und dir den Stoff andreht. Ich bin mir sicher, der eine oder andere, den du im Fernsehen siehst, wenn sie wieder von Drogenopfern sprechen, war Kunde bei Riddler, oder Stone; wie auch immer sie sich nennen. Ihre Gesichter sind sanft und vollkommen, schließlich haben sie schon vielen die Unschuld genommen! Sie lächeln immerzu, geben dir die Pillen, nachdem die Scheine den Besitzer wechseln, und ruck zuck bist du im Nichts, so wie ich. Sie lächeln noch immer, als du von dannen ziehst mit dem Stoff in deinen Händen, der bald giftig durch die Adern fließt, bereit Dein Leben zu beenden.<br /><br />Die Zeit geht vorbei, wenn die Nacht dein Freund ist, dich fortzieht in eine Welt aus Wunder, Unendlichkeit und dann… Ja es ist so, wieder der Schmerz. Deine Sorgen verkümmern zur Belanglosigkeit, doch nichts ist so wie es scheint! Deine Freunde lachen vielleicht und lassen dich im Stich. Das Mädchen in der Klasse neben dir, aber, verachtet dich! Sie sah einen Mann, einen Jungen mit Zukunft, Träumen; nun sieht sie nur noch den Tod in deinen Augen schäumen! Sie kommt zu dir, lächelt und dann, erhebt sie die Hand, weil das ist alles, was sie noch machen kann. Als diese auf deine Haut trifft, zerspringt etwas in dir, klimpert die Erinnerung, doch der Schlüssel zu deinem Herzen ist verloren. Der Tod hat sich mit den Drogen in deinen Venen verschworen.<br /><br />Ich kenne dich, ich sehe dich, ich hole dich. Das sind die Worte in dem Augenblick, da deine Seele sich befreit, von all dem Gift und der Chemie, doch die wirkliche Antwort bekommst du nie. Der Tod, hat dich auf der Liste. Du bist ein Wort, eine Nummer, mehr nicht. Warum? Ganz einfach: Deine Zeit ist rum!<br /><br />Wo sind die Menschen, die dich sehen in der U-Bahn? Sagen sie was, oder lassen sie dich einfach weiter in deinem Wahn? NEIN! Es interessiert einfach keinen, egal ob du nur da sitzt oder beginnst zu weinen. Ich aber hab all das schon gesehen, all das ist mir geschehen und ich kann dich nur warnen, es gibt Dinge, die kann man nicht erahnen! Aber sicher ist der Tod, wie das Leben! Schmeiß es nicht weg, einfach so, sondern beginn mit dem was du hast, gleich jetzt, es ist keine Zeit für Rast!<br /><br />Entschuldigungen gibt es genug. Da wären Angst, Unsicherheit, Schwäche und der Mangel an Mut. Aber dieses Zeug ist, was dich tötet, dir nimmt was du suchst, was du brauchst. Es hört dir niemand zu, weil es vorbei ist, mein Freund! Entweder jetzt oder nie, sagt der Mann, als er über dir im gleißenden Licht wie ein Riese emporragt, während dein Herz sich durch den Todeskampf plagt.<br /><br />"Aber, es ist ganz anders! Nein! Nein...", schreist du voller Wut. Kann denn niemand verstehen, wie es ist, wenn jeder dich tritt, dir keine Hoffnung gibt?<br /><br />„Oh ja“, sagt der seltsame Mann, „ich kann. Ich hab es selbst gespürt, bin eine verlorene Seele, aber ich will dich warnen vor dem, was am Ende dieses Krampfes, dieser letzten Entscheidung dämmert. Noch ist es dein Herz, das in deiner Brust hämmert, bereit einen letzten Schritt ins Leben zu wagen, aber diesen chemischen Dreck wird es nicht länger vertragen!“<br /><br />Das Blut fließt um dich herum auf dem Asphalt, dann sind deine hilflosen Schreie nur noch stumm. <br /><br />„Ich bin bei dir, helfe dir, gebe dir Mut, aber du bist der, der die wichtigen Dinge tut! Wenn alles scheint verloren, als ob sich jeder gegen dich hat verschworen, dann schrei! Schreie laut und mit ganzem Herzen!“<br /><br />„Halt, halt das ist es nicht!“, beginnst du von neuem. <br /><br />„Ich weiß du wirst es nicht bereuen!“, sagt der Fremde, Engel oder Wärter zum Tor der Vergessenheit. Dann bleibt alles still und die Lebensuhr beginnt sich rückwärts zu drehen. Du siehst die Leute gehen. Und dennoch, du wirst es nicht bereuen…<br /><br />In einem Krankenbett erwacht, ins Leben zurück gebracht, strahlt die Sonne dir entgegen. Du suchst nach dem Fremden, der dir hat ein neues Leben gegeben. Du weißt nicht, was der frische Tag bringen wird, aber dir ist klar, ein Engel hat dich erhört.<br /><br />Tage vergehen, Schmerzen kehren wieder, aber dennoch, niemand ringt deinen erwachten Lebenswillen nieder! Sollen sie sehen, was du kannst!<br /><br />Nach einem Monat der Erholung, neuen Plänen und ersten Erfolgen, siehst du jenes Mädchen neben Dir in der Bahn. Du lächelst sie an, sie zurück und du weißt, dies bedeutet Glück.<br /><br />„Ich bin es los.“, sagst du und sie nickt. „Ich hab gebetet“, erklärt sie. Du verstehst, es war ihr Schutzengel den sie dir schickte, auf dass er Dich zurückbringt. All das klärt sich in dir, als dich zum ersten Mal das Glück umringt. Mit dem Kuss auf ihren Mund, dem Leuchten in ihren Augen, beginnst du wieder zu vertrauen.<br /><br />Der Tod ist erschüttert, als dort wo du hättest sterben sollen, ein Zettel liegt. Du siehst es im Traum und du kennst die Botschaft: DU HAST VERLOREN! steht auf dem Fetzen Papier.</span> </div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-68010337774332901442007-05-20T02:07:00.000+02:002007-05-20T02:10:39.146+02:00ECSTASY (english version)<div style="text-align: justify;"><span style="font-size:85%;"><i>Inspired by “Breadline” und „Ecstasy“ by Megadeth</i><br /><br /><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Monday morning, the sun burns, life whirls and somehow all is lost. All the voices around me and still it’s only silence there. I see so much, see nothing, gaze into the light as it gets me without mercy. The screeching tires, the peoples screams , as the car is pushing me away, out of my needless life into the darkness, where my soul still screams. I hope for one second, as my body flows through eternity, my blood pumps a last time through my ateries, for rest in peace However, whats waiting on the other side, is much more worse, than the everyday wakeups, full of pain in soul and heart. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">It all started some months ago at the corner of Winston, where that guy is still walking around the blocks, offering you the stuff. I’m sure, this one or that one, you see in TV, as they talk again about drug victims, was a customer of Riddler or Stone; - whatever they call themselves. Their faces are smooth and perfect 'cause they have taken away your innocence! They are smiling at you, give you the pills, after the dollar bills change the owner, and bang you are in the void like me. They are still grining, as you stroll away with the stuff in your hands, which will soon poison your venes, ready to end your life. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">The time is passing on, when the night is your friend, as it’s pulling you into a world of wonders, eternity and than… yes, again there’s pain. Your sorrows crumble to thoughts without any sense, but nothing is as it seems. Your friends maybe laugh at you, leaving you behind. That girl in your class next to you hates you for that. She saw a man, a boy with a future, dreams, but now she sees only death darkening your eyes. She comes to you, smiles and than, she lifts her hand, 'cause that's all she still can do. As her hand colides with your skin, something snaps in you, tingling memories, but the key to your heart is lost. Death is playing with drugs in your venes. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">I know you, I see you, I’ll get you! These are his words, as your soul is freeing itself, breaking free from all the poison and chemicals, but truth avoids you. Death has you on his list. You are just a word, a number, nothing more. Why? That’s an easy one: Your time is up! </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Where are all the people, who watch you in the undergound train? Do they say anything or do they leave you alone with your madness? NO! It’s nothing of their business, nobody cares about you, it doesn’t matter if you sit there and cry. I have seen such things allready, all that happened to me too and I only can warn you. There are things, which you can’t guess. Only death is as sure as life. Don’t throw it away, just like this! Start with what you have, right now, there’s no time for rest! </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">There are excuses enough. Fear, doubts, weekness and the lack of bravery. But it is that stuff, which kills you, takes away what you are searching for, what you need. Nobody is listening to you, because its over my friend! </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">“Now or never”, says the man as he’s towering over you in the purest light, while your heart is fighting through the deathrow. </span><br /><span style="font-family: verdana;">“But it’s not like that! No! No...“ Your screams are full of anger. Isn’t there anyone who can understand, how it is, as everyone kicks you, takes away your hope? </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">„Oh yeah“, says the weird guy, “I can.“ “I’ve felt it too. I’m a lost soul, but I want to warn you of what is waiting at the end of the battle, where the last decission awaits. Still it’s your heart which pumps in your chest, ready to dare the last step into life, but this chemical waste will destroy you! </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Blood pours around you on the asphalt. Than the screams are silence. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">„I’m with you, help you, urge you to a take the last chance. Be brave! But you are the guy, who has to lead. If all seems lost, if all is like thousand voices shouting in your face, than scream! Scream right from the bottom of your heart!“ </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">„Wait, wait… that isn’t it…!“, you begin again. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">„I know you won’t feel sorry!“, says the stranger, angel or guardian to the gate, where fields of dying fogret-me-nots are awaiting you. Than all stands still, the clock of your life starts winding back. You see the people leaving. But still, you will not feel sorry... </span><br /><br /><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Awaking in a hopsital bed, full in white, pushed back into life, shines the sun on you. You start to search after the stranger, who has given you your life back. You have no idea what the new, fresh day offers, but you are sure, an angel heard your pleadings. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Days pass on, pain comes back. However, nobody fights down your power of life. May they see what you can do! </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">After a month of refreshment, new plans and first success, you see the girl besides you in the train. You smile at her, she smiles back and you know, this means luck. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">“I’m rid of it.”, you say and she nods. “I have prayed...”, she tells you, as you understand, it was her guardian angel, who she send to bring you back. All that comes together, as lucks hands are holding you peacefull. With a kiss on her lipps, the glimmering in her eyes, you start to trust again. </span><br /><br /><span style="font-family: verdana;">Death is flattened, as there where you had to die, a note awaits him. You see it in a dream and get the message. “YOU LOST!” is written on the paper.</span></span> </div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-7261707581993171422007-05-18T23:41:00.001+02:002007-05-18T23:41:41.903+02:00DER MANN IN DER MENGE<div style="text-align: justify;"><br /></div><br /><div style="text-align: justify; font-family: verdana;"> <span style="font-size:85%;"><br />Es war gerade mal kurz vor fünf am Nachmittag, jedoch die Welt versank schon in Dunkelheit. Hinter dem Bogenfenster an einem Eichentisch hockte ich und starrte hinaus. Vor mir eine heiße Suppe, die noch unberührt dahindampfte. Um mich herum das Stimmengewirr der anderen Gäste, die sich mit ihren Freunden und Freundinnen unterhielten. Menschen die sich einen Imbiss genehmigten, ein Bier tranken und gegenseitig einander vorlogen, wie schön dieser Tag doch war und das man sich liebe.<br /><br />Was waren das nur für Narren ... <br /><br />Mein ganzes Interesse galt dem Fenster und die Sicht hinaus in einen verregneten Abend. Neben der Tasse lag mein Buch mit den Notizen, die mich ängstigten und die ich am liebsten in den Kamin geworfen hätte. Tag für Tag las ich diese Notizen, diese Sätze deren Bedeutung und Aussage mich schreckten.<br /><br />Draußen klatschte dreckiger Regen gegen das Fenster. Die Menschen schoben sich mit ihren Schirmen durch die Straßen. Ihre Gesichter offenbarten mir nichts und vielleicht war dies wieder ein Indiz dafür, dass sie nicht wussten in welcher Gefahr sie schwebten. Sie schwammen im ruhigen Gewässer des Alltags, unwissend, um die Bedrohung, die Nacht für Nacht zunahm. Eine Bedrohung, die umso schauerlicher wurde mit jedem Sonnenuntergang, wenn ich meinen Notizen glauben wollte.<br /><br />Für einen Augenblick wandte ich mich vom Fenster ab, schlürfte ein wenig Suppe und versuchte dem Drang zu widerstehen die zerfledderten Seiten meines Notizbuches zu öffnen. Dort standen sie geschrieben, diese Gräueltaten, die nachts durch die Gassen und Straßen geisterten!<br /><br />Der Löffel schlug zitternd an den Rand der Schüssel, als ich mit der anderen Hand die Seiten umschlug. Jedes Mal war es das Gleiche. Meine Augen klebten förmlich an den Worten. Mit meinem alten Füllfederhalter hatte ich sie geschrieben. Wenn ich in der Bibliothek saß oder abends in meiner Stube. Ich kannte ihre Jagdrouten, ich kannte ihre Opfer und ich wusste, dass es immer so weiter gehen mochte, wenn ich nicht was dagegen tat!<br /><br />Plötzlich schlug etwas gegen das Fenster und ich zuckte zusammen, stieß mit dem Fuß gegen den Tisch. Die Suppe schwappte aus der Schüssel. Ich glaubte fast das Knirschen meiner Knochen zu hören, als ich mich dem Fenster zuwandte. Ein Gesicht klebte da an der Scheibe.<br /><br />Ich schrie! <br /><br />Dann verstummte ich. Die Gäste starrten mich an, doch was wussten die schon? <br /><br />Das Gesicht am Fenster war verschwunden. Der alte Mann ging weiter. Nur ein Penner, dachte ich. <br />Es brauchte einige Zeit bis ich mich wieder unter Kontrolle hatte. Die Kellnerin, ihr Lächeln war das einer Krankenschwester, die in einem Irrenhaus einen Kranken zulächelt, wischte den Tisch. Sie lächelte mir weiterhin zu, als ich das Buch schnell an mich riss. Ich konnte nicht anders! Was mochte sie von mir denken, wenn sie vielleicht gelesen hätte was ich schrieb? Sie hätte es doch niemals verstehen können. Sie wusste nicht um die Gefahren der Nacht!<br /><br />"Alles in Ordnung?" <br /><br />Diese ja geradezu obligatorische Frage ließ mich beinahe auflachen. In Ordnung? Niemals! <br /><br />"Ja, ich habe mich nur erschreckt." erklärte ich. <br /><br />Sie nickte, als ob sie verstand. <br /><br />Ich hasste diesen Smalltalk! Fremd war sie mir, wie ich ihr und was sollte das alles? In ihren Augen sah ich, wie sie mich in die Schublade der Verrückten warf, denen man nicht zu sehr zulächeln sollte als Frau. Ihr Lächeln verschwand.<br /><br />"Brauchen Sie noch was?" <br /><br />Ich schüttelte den Kopf. Warum konnte sie nicht einfach jemand anderen ein Bier bringen? Ich musste mich wieder dem Fenster zuwenden! Dann überlegte ich es mir anders, als sie schon die ersten Schritte machte. Ihre Absätze klackerten auf den Holzdielen.<br /><br />"Madam, haben sie eine Zigarette?" <br /><br />Bei dieser Höflichkeit hielt sie inne, lächelte wieder, dieses Mal jedoch freundlicher, herzlicher. Sie kam zurück, fischte aus ihrer Schürzentasche eine Zigarette, hielt sie mir hin. Ich lächelte sie auch an, so gut ich das denn konnte. Die Schwarzbemalten Fingernägel jedoch schreckten eine Erinnerung hoch.<br /><br />Fast konnte ich das Kreischen von damals hören ... <br /><br />Verwundert blickte ich sie an, als sie auf der anderen Seite des Tisches Platz nahm und mir mit dem Feuerzeug die Zigarette, die zwischen meinen Lippen hing, anzündete. Schwarze Fingernägel, dachte ich, als ich den Rauch inhalierte.<br /><br />Sie sah mich fragend an. <br /><br />"Bitte?" <br /><br />Es war offensichtlich, dass ich ihre Worte nicht verstanden hatte. Zu stark war der Sog der Erinnerung gewesen. <br /><br />"Ich fragte ob sie ein Schriftsteller sind." <br /><br />Oh natürlich, wenn man bedachte, das ich nur vom Untergang der Menschheit schrieb, dann konnte man mich sicherlich als Horrorschriftsteller bezeichnen. Fast hätte ich sie angeschrieen: Wenn es doch nur so wäre! Wenn es nur alles erfunden wäre!<br /><br />"Nun ja, ich schreibe hin und wieder Kurzgeschichten." gab ich zu. <br /><br />"Das klingt ja interessant!" <br /><br />Was dachte sie denn? Ich konnte nicht bestreiten, dass die dunkelsten Geheimnisse, die ich in meinem Notizbuch zu Papier brachte, jegliches Interesse, das ich ihnen entgegenbrachte, Wert waren.<br /><br />Es entstand eine Pause. Ich zog an meiner Zigarette. <br /><br />Sie blickte zum Fenster hinaus. Ich tat es ihr gleich, froh wieder das zu tun, weswegen ich hierher gekommen war. Dort draußen glitten die Wolken über den Horizont. Grau, dunkel und voll Regenwasser. Rechts gegenüber befand sich die alte Kirche mit dem seltsamen Kirchturm. Die Uhr dort oben war stehen geblieben. Die goldenen Zeiger wirkten rostig, alt und zerbrechlich. Das Gestein schlammig braun, verwittert und gezeichnet.<br /><br />Weniger Menschen als zuvor säumten die Straßen und ich hätte den Mann benahe übersehen, wenn nicht die Kellnerin plötzlich gesagt hätte: "Sehen sie den Kerl dort drüben?“ Sie wirkte aufgeregt und es brauchte nur einen Augenblick, bis ich ihn in der wartenden Menge, bei der Bushaltestelle, ausmachte.<br /><br />Er stand dort im Schatten zweier Bäume. Eine Gestalt die fremd wirkte und verloren. <br /><br />"Er sieht krank aus." <br /><br />Zum ersten Mal wunderte ich mich, warum die Kellnerin das alles so sehen konnte. Sie schien es mit den gleichen Augen zu sehen wie ich. Er wirkte verletzt. Er wirkte alt und verloren, da hatte sie Recht. Die Haarsträhnen wehten ihm ins Gesicht. Es war offensichtlich, dass er uns nicht sah. Sein Blick schweifte nach Süden, die Straße entlang. Ich konnte die Augen nicht ausmachen, da er in den lang gezogenen Schatten der Bäume badete, die durch eine Laterne hervorgerufen wurden. Anders als die Menschen, die auf den Bus warteten, hatte er keinen Regenschirm. Seine Jacke war ein lederner Fetzen, der im zunehmenden Wind flatterte. Einen Schal hatte er um den Hals. Dennoch wirkte seine Kleidung alt und vermodert. Ein Relikt seiner Zeit. Er schien sich auf etwas zu stützen, doch so wie er stand konnte ich das nicht erkennen. Nur eben die leicht gebückte Haltung, wie als ob er sich krümmte.<br /><br />"Ich kann das nicht länger mit ansehen", entschied die Kellnerin. Schnell erhob sie sich und ehe ich es richtig bemerkte, eilte sie hastigen Schrittes, die Absätze wild polternd auf den Holzdielen, davon.<br /><br />"Halt ..." wollte ich sie stoppen. Jedoch flog da schon die Tür ins Schloss. Ein paar Gäste betrachteten mich mit fragender Miene.<br /><br />Die Zigarettenschachtel und das Feuerzeug hatte sie auf dem Tisch liegen lassen. Ich griff danach, als ich Etwas Klebriges an dem Feuerzeug bemerkte.<br /><br />Genaueres und erstauntes Betrachten ließ mich erschauern. Blut! Verdammt, was ging hier vor? <br /><br />Draußen hastete sie mit ihren Stöckelschuhen schräg über die Straße. Ein gelbes Taxi hupte laut. Der Wind riss an ihren Haaren. Sie hatte die Hände vor der Brust überkreuzt und versuchte sich so gegen Wind, Regen und Kälte zu schützen.<br /><br />Einen Augenblick lang war ich nahe daran hinter ihr her zu rennen, doch dann blickte ich auf das klebrige Feuerzeug zurück. War sie etwa auch ein Opfer?<br /><br />Ich starrte ungläubig aus dem Bogenfenster, wo die Kellnerin gerade die Gestalt erreichte. Er würdigte sie keines Blickes, erst als sie offenbar ihm zurief, drehte er den Kopf in ihre Richtung.<br /><br />Die Augen! Ein tiefes, kaltes Blau. Es war so durchdringend, das mir fast der Atem stehen blieb. Er war es! Der oberste aller ihrer Gebieter. Der Gott der Nacht, der Schlächter!<br /><br />"Nein!" <br /><br />Mein Protest ließ nur noch mehr Gäste aufhorchen und mich beobachten. Ich starrte zum Fenster hinaus, während ich das Feuerzeug vergessen in der Hand hielt. Das dreckige, fast ins braune übergehende Rot an meinen Fingern.<br /><br />Die Kellnerin redete auf ihn ein. Sie gestikulierte in Richtung meines Fensters: Er solle doch schnell mit ins Warme kommen. <br /><br />Fast konnte ich sie hören. Liebe nette Frau, höfflich und besorgt um den alten Kerl, der im Regen stand und offenbar krank war. Lobenswert, aber vielleicht fatal!<br /><br />Konnte sie denn nicht die blasse Haut erkennen? Die blauen, wachen, jedoch kalten Augen mussten sie erschrecken, oder nicht? <br /><br />Nun schien er etwas zu sagen. Sie beugte sich näher an ihn heran, offenbar sprach er sehr leise. <br />Wieder deutete sie in die Richtung des Lokals. Jedoch anders als zuvor nickte der Mann. Der Wind zerrte an seinen Kleidern, als er vorsichtig, von ihr gestützt ein, zwei Schritte in meine Richtung machte. Sie redete noch immer auf ihn ein. Er nickte.<br /><br />Ich konnte es nicht glauben. War sie denn so blind? Seine Augen, sie zeigten plötzlich ein fieses Lächeln. Es war eines dieser Lächeln, wo der Mund keine Rolle spielt. Genau das Lächeln, das einem Glauben macht, jeden Moment Eiswürfel erbrechen zu müssen. Nun kamen sie langsam über die Straße. Dieses Mal jedoch gerade und nicht wie die Kellnerin zuvor, schräg, um schneller aus der Reichweite des Verkehrs zu sein.<br /><br />Sie kamen direkt auf mein Fenster zu. <br /><br />Ich ließ das Feuerzeug fallen! Wie konnte ich es nur übersehen haben, wie? <br /><br />Als sie den Gehsteig direkt vor meinem Fenster erreichten, sah ich, wie blass sie war. Ihre Lippen waren fast blau, ja weißlich. War ich so blind gewesen? Aber sie waren doch rot gewesen, sie waren ...<br /><br />Das Feuerzeug, woher hatte sie es? <br /><br />Angewidert ließ ich es fallen, als die beiden nun direkt am Fenster standen. Die nun leblosen Augen der Kellnerin starrten mich an, als er sie gegen das Fenster drückte.<br /><br />Der Mann aus der Menge lächelte, als ich mit Entsetzen die Male an ihrem Hals ausmachte. Ich konnte nicht anders. Mit aller Wucht sprang ich auf den Tisch und dann gegen das Fenster. Scherben splitterten um mich, als ich durch das Fenster schoss. Die Kellnerin landete tot neben mir auf dem Boden.<br /><br />Der Mann war über mir, sein Grinsen breit, gemein und tödlich. Dann sah ich seine Zähne, diese Fangzähne ... Ich schrie, ich heulte, als er mich am Kragen packte. Mich hoch riss.<br />Geschrei überall. Die Menschen im Lokal sprudelten wild durch einander. Sie sprangen von den Stühlen, sie hasteten weg vom Fenster. Ihre Blicke waren ein dümmliches Starren, die Lippen zu einem großen O geformt, als der Vampir seine Zähne in mir vergrub.<br /><br />Es tat nicht weh, es war sogar eine Erlösung. Ich stammelte unverständliche Worte. Gierig sog er an meinen Adern, die Zähne vergruben sich tiefer. Mir wurde schwarz vor Augen, als mein Dasein als Mensch, als Jäger ein Ende hatte und das Leben der Nacht für mich begann.<br /></span> </div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-6804808150399162135.post-16267995770890276252007-05-18T23:39:00.000+02:002007-05-18T23:40:08.233+02:00NO WAR - WENN SPRECHCHÖRE NICHT MEHR LOSLASSEN<div style="text-align: justify; font-family: verdana;"><span style="font-size:85%;"><br />Der 21. März war ein sonniger Tag und wie trügerisch dieser erste Frühling den Tag erstrahlen ließ, wurde Frank Gerber erst dann klar, als der Einsatz ihn ereilte. Mehr als zweihundert Menschen sollten vor der Botschaft hocken, schreien, weinen, grölen, um gegen den Krieg im Golf zu protestieren. Ein wenig traurig war er schon, als ihm klar wurde, was sein Job als Polizist von ihm verlangte. So hatte er es sich nicht ausgemalt und dennoch musste er durchhalten.<br /><br />Als sie in den Einsatzwagen sprangen und die Sonnestrahlen über seine Nase strichen, kamen ihm Tränen. Er zwinkerte mit den Augen, versuchte sich zu beherrschen, jedoch es kostete so unsagbar viel Kraft. Eigentlich glaubte er nicht so stark von diesem Krieg betroffen zu sein. Er hatte keine Verwandte dort, war hier geborgen in einem demokratischen Land mit all seinen Schwächen und Problemen. Er erinnerte sich wie er am Morgen, als der Kaffeebecher zu Boden gefallen war, das heiße Gebräu den Fußboden bespritzte wie dreckiges Blut, an die Erzählungen seines Großvaters vom Weltkrieg gedacht hatte. Irgendwie haftete diesen Erzählungen etwas Staubiges an und genauso den Dokumentationen die in Grautönen den Horror ausleuchteten.<br /><br />Dieses Mal war es ganz anders. Der kleine Fernseher hatte die Live-Bilder gezeigt von den Panzern die durch den Wüstensand pflügten. Eine brachiale Gewalt, eine Welle des Grauens, hatte er gedacht. Es war nicht seine Art solche Vergleiche heran zu ziehen, doch der Krieg schien den Menschen zu verändern, ihn aufzuwecken. Der Lappen sog die Kaffeelachen in sich auf, wie wohl der Wüstensand das Blut von Menschen verschlingen würde.<br /><br />Der Polizeitransporter setzte sich in Bewegung. Die Einsatzbesprechung war seltsam gewesen. Ihr Instruktor hatte ihnen klar gemacht, das den Protestierenden maximal noch 30 Minuten nach ihrer Ankunft verbleiben sollten. Dann war es an ihnen sie wegzudrängen und die Demo aufzulösen. Niemand traute sich zu fragen wieso und warum. Sie alle nickten langsam. Keiner machte irgendwelche Spielereien oder wirkte desinteressiert, wie bei den Atomtransporten, die gleichfalls eine Zeit der Demonstrationen waren.<br /><br />Die Fahrt gestaltete sich ruhig. Nichts passierte. Frank blickte aus dem Fenster und dennoch konnte er nichts sehen. Seine Augen schienen in sich gekehrt, wo er selbst gegen die innere Wut zu kämpfen hatte. Es war alles so gemein und hinterhältig. Wenn man sich die täglichen Berichte anschaute und sah wie es sich entwickelte, war klar, der Krieg war von Anfang an das Ende der ganzen Sache gewesen. Egal wie man dagegen aufbegehrte. Jeder schien es zu wissen, aber dennoch man musste es leugnen, um irgendwie noch die Flamme der Hoffnung im eigenen Herzen leuchten zu lassen.<br /><br />Frank dachte an das nette Mädchen vom letzten Wochenende in der Disko. Er wusste sich nicht zu helfen, ihre Gestalt erschien wie ein kleiner Engel als Trost und Gegenpart zu seiner aufflammenden Wut der Hilflosigkeit. Er wollte nicht den Menschen ins Gesicht sagen, sie dürften ihre Ansichten nicht hier vor der Botschaft der Vereinigten Staaten in den Frühlingshimmel rufen. Sie war keine Deutsche gewesen, ihre Sprache voller kleiner Fehler, die ihn aber verzückt hatten. Die braunen Augen hatten ihn nicht losgelassen. Er glaubte sie war Türkin gewesen, aber so klar war das nicht, denn sie hatten natürlich nicht über Herkunft gesprochen.<br /><br />Plötzlich glitten die Worte über die vorher noch so zusammengepressten Lippen: „Es ist doch scheißegal! Entweder man ist Mensch oder man ist Unmensch! Jemand der Krieg führt ist ein Unmensch!“<br /><br />Zwei seiner Kollegen blickten ihn verdutzt an. Sie saßen so hilflos dort auf der Sitzbank des kleinen Transporters. Ihre grünen Uniformen hatten die Farbe von sterbenden Blättern und ihre Augen waren müde. Er konnte in ihnen sich wieder erkennen, denn genau so hatte er heute Morgen auch in den Badspiegel geblickt. Es war nicht die erste Demo und es würde nicht die letzte sein, die sie auflösen mussten. Aber er war sich sicher, er musste endlich auch Farbe bekennen.<br /><br />„Wenn Bomben fallen, sterben Menschen. Wenn Menschen sterben, sterben Worte. Wenn Worte sterben, stirbt die Vernunft!“<br /><br />Er wusste nicht was mit ihm da geschah. Er las nur hin und wieder und meist nur Zeitung oder Comics. Woher kam diese Entschlossenheit?<br /><br />„Hey, Frank. Beruhige dich!“ meinte einer seiner Kumpanen.<br /><br />Der Transporter erreichte den Ort ihres Einsatzes. Einer schob die Schiebetür mit wuchtigem Schwung zur Seite und sie sprangen nacheinander aus dem Wagen. Manche nahmen gleich den Schlagstock zur Hand, andere sahen sich nur um. Sie waren sieben im Wagen gewesen. Doch es war eine ganze Kolonne.<br /><br />Die Polizisten brachten sich in Position; formten einen Ring um die sitzenden Demonstranten. Frank wurde mehr oder weniger mitgezogen. Seine Augen beobachteten, sein Herz schlug und dennoch kämpfte er mit dem geistigen Tod. Entweder seine Meinung starb oder er schaffte es zu handeln nach seinem Herzen.<br /><br />Es waren Menschen wie er, jedoch hatten sie Mut und standen zu ihren Gedanken. Dort saßen Frauen, Kinder, Jugendliche. Ein alter Mann paffte eine Zigarre und sein grauer Anorak war mit Filzstiften bemalt. NO WAR. Die Buchstaben wirkten zittrig, der Mann jedoch saß felsenfest auf dem Asphalt.<br /><br />Dann begann der Sprechchor.<br /><br />„NO WAR“, schrieen sie.<br /><br />„Entweder man ist Mensch oder man ist Unmensch! Jemand der Krieg führt ist ein Unmensch!“ rief Frank wieder.<br /><br />Blicke folgten den Worten. Seine Arbeitskollegen schienen sich auf die Lippen zu beißen. Zwei Mädchen jubelten plötzlich. Eine drosch ihm vor Freude gegen das Schienbein und schrie: „NO WAR“.<br /><br />„Wenn Bomben fallen, sterben Menschen. Wenn Menschen sterben, sterben Worte. Wenn Worte sterben, stirbt die Vernunft!“ konnte Frank nicht an sich halten und abermals waren sowohl Polizisten als Demonstranten überrascht.<br /><br />So ging es die verbleibenden 30 Minuten. Schließlich war der Zeitpunkt gekommen, sie mussten das Feld räumen.<br /><br />Die ersten weigerten sich um sich schlagend, andere riefen immer wieder NO WAR voller Inbrunst, selbst als sie an ihren Händen auseinander gezerrt wurden.<br /><br />Dann schrie Frank:<br />Wenn Bomben fallen, sterben Menschen. Wenn Menschen sterben, sterben Worte. Wenn Worte sterben, stirbt die Vernunft!<br />Die Demonstranten fielen mit ein. NO WAR - Wenn Bomben fallen, sterben Menschen. Wenn Menschen sterben, sterben Worte. Wenn Worte sterben, stirbt die Vernunft!<br /><br />Zum Schluss standen die Polizisten um die Demonstranten und riefen gleichfalls NO WAR. Was sollte man tun? Sich gegen sich selbst wenden oder gegen den Krieg?<br /><br />NO WAR Sprechchöre schallten gegen die kalten Wände der Botschaft, gegen Fenster und über den Platz. Zwischen den Polizisten und Demonstranten mischten sich immer mehr Menschen.<br /><br />Und morgen wieder …<br /></span> </div>M. Nebelinghttp://www.blogger.com/profile/08490370497425470786noreply@blogger.com0